Bringt Frauen-Gleichstellung die Männer um ihre Menschen- und Bürgerrechte?

Elfriede Hammerl: Opferwettbewerb

Opferwettbewerb

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Mein geliebtes profil gefällt sich neuerdings in der Rolle des Feminismus-Abwatschers. „Warum der Feminismus versagt hat“ (Coverstory in profil 39/2014), „Wie die Politik die Probleme der Männer ignoriert“ (profil 41/2014) – zwei Artikel aus jüngster Zeit, eigentlich durchaus differenzierte Auseinandersetzungen mit Genderphänomenen, aber reißerisch betitelt, sodass es manch einer – und ­einem – die Haare aufgestellt hat. Also Widerspruch.

Widerspruch wogegen? Dagegen, dass wir einen Opferstatus-Wettbwerb ausrufen, und auch dagegen, dass abwechslungshalber – eh nicht zum ersten Mal – Männer zu den großen Verlierern in Sachen Gleichstellungspolitik erklärt werden. Denn der wesentliche Unterschied zwischen Männer- und Frauendiskriminierung ist der: Männer wurden niemals in einem solchen Ausmaß an einem eigenständigen, selbstbestimmten Leben gehindert wie Frauen. Frauen mussten mühsam um Rechte kämpfen, die Männer längst hatten. Dass sie ihnen heutzutage zugestanden werden, hat die Menschen- und Bürgerrechte von Männern weder abgeschafft noch eingeschränkt. Gleichstellung war eine Notwendigkeit für Frauen, aber nicht für Männer, denn deren Rechte waren der Maßstab, dem die Frauenrechte angeglichen wurden.

Die Klassiker der Frauenbenachteiligung heißen mittlerweile Einkommensschere, Dreifachbelastung und Aufstiegsbarrieren. Die Ursachen dafür finden sich einerseits in den Rahmenbedingungen, unter denen Frauen leben und arbeiten, und andererseits in den Rollenzuweisungen, nach denen Frauen und Männer sich mehr oder weniger richten. Rahmenbedingungen und Rollenbilder kann man politisch beeinflussen und gestalten.

Der Klassiker der Männerbenachteiligung hingegen ist zunächst einmal biologischer Natur: Männer haben eine kürzere Lebenserwartung als Frauen.

Das ließe sich politisch auf den ersten Blick nur durch Gesetze ändern, die Frauen ab 70 verpflichten, sich bei Rot auf befahrene Kreuzungen zu stürzen. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass nicht allein die Natur, sondern auch das maskuline Durchschnittsverhalten die männliche Lebensdauer verkürzt. Männer gehen mit ihrer Gesundheit häufig achtlos um, ernähren sich körperfeindlich und ignorieren Beschwerden, statt medizinische Hilfe zu suchen. Gern wird in diesem Zusammenhang das Bild des aufopferungsvollen Familienvaters gemalt, der eben bis zum Herzinfarkt schuftet, um den hohen materiellen Ansprüchen von Frau und Kindern zu genügen. Dass er die Regel ist, dagegen sprechen die vielen Familien, die von Frauen ernährt oder miternährt werden, und all die übergewichtigen, rauchenden Biertrinker, die man an öffentlichen Orten beim Nichtschuften beobachten kann, sowie Spitzenverdiener, von deren Spitzenverdienst keine Familie jemals viel zu sehen bekommt.

Kurz gefasst: Ja, Männer könnten durch politische Aktionen angeregt werden, gesünder zu leben, und solche Bemühungen gibt es auch. Mit einer gesellschaftlichen oder politischen Bevorzugung von Frauen hat das statistisch frühere Ableben der Männer freilich nichts zu tun.

Auch die meisten anderen Problemfelder, auf denen Männer überproportional häufig vertreten sind, weisen auf selbstschädigendes Rollenverhalten hin. Männer, so war im vorigen profil zu lesen, werden häufiger zu Alkoholikern, sind in größerer Zahl obdachlos und begehen öfter Selbstmord als Frauen. Männliche Jugendliche machen zwei Drittel der SchulabbrecherInnen aus. Wenn man nicht davon ausgeht, dass der Mann per se ein defizitäres Wesen ist (was genauso unsinnig wäre wie die Unter­stellung, Frauen seien aufgrund ihres Geschlechts minderbemittelt), muss man sich natürlich überlegen, woher diese Tendenz zur Selbstzerstörung kommt und wie man ihr begegnen kann. Das ist durchaus ein gesellschaftspolitischer Auftrag. Sinnlos wäre es jedoch, Männer und Frauen gegeneinander auszuspielen, es sei denn, man würde der bizarren These anhängen, dass Männer trinken, weil Frauen studieren dürfen.
Die Beschwörung von fragwürdigen Bedrohungs- und Diskriminierungsszenarien ist freilich gar nicht selten. Zum Beispiel wird seit geraumer Zeit von einer Feminisierung der Justiz und der Medizin gesprochen, so, als wären die Frauen dort in der Übermacht. Wer sich die Zahlen anschaut, kommt drauf, dass sie grob gesprochen gerade ­einmal die Hälfte der JuristInnen und MedizinerInnen ­ausmachen. Ein Zahlenverhältnis, das lediglich die demo­grafische Normalität spiegelt, wird also bereits als Machtübernahme durch Frauen interpretiert.

Was das viel zitierte Privileg des früheren Pensionsantritts betrifft, so macht es nur in der Theorie fünf Jahre aus – in der Praxis gehen Frauen im Schnitt bloß anderthalb Jahre früher in Pension als Männer. Und die seinerzeit unter Schwarz-Blau von der FPÖ in Auftrag gegebene Untersuchung über Scheidungsfolgen für Männer ging insofern in die Hose, als sich – entgegen der Intention, den Ruin von Männern durch Unterhaltszahlungen zu zeigen – bei den Recherchen herausstellte, dass nicht die geschiedenen Männer, sondern weit häufiger die alleinerziehenden Frauen in der Armutsfalle landen. Die Studie wurde denn auch nie öffentlich präsentiert.

Neu: Elfriede Hammerl, „Zeitzeuge“, Roman, edition ausblick.

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www.elfriedehammerl.com