Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Selbstbestimmung

Selbstbestimmung

Drucken

Schriftgröße

1.

Frauen müssen ihren Körper auf Plakaten zeigen dürfen!, befand kürzlich mein Herausgeber, befragt (vom ORF-„Report“) zu einer Bierwerbung, die, wie originell, drei nackte Mädels mit Biergläsern posieren lässt. Das hat mich etwas überrascht, denn für einen besonders eifrigen Feministen hielt ich ihn bis dahin nicht. Aber, siehe da, wenn es wirklich darauf ankommt, tritt er mutig für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ein. Müssen nackt für Bier werben dürfen! Wie wahr!

Freilich kämpft er nicht allein an dieser Front, und auch an deren anderem Ende machen sich immer wieder tapfere Männer stark für Frauenrechte. Sobald zum Beispiel über Ganzkörperverschleierung debattiert wird, mutieren Mannsbilder, die schon eine Krawatte um den Hals als unerträgliche textile Last ablehnen, ebenfalls zu glühenden Verteidigern weiblicher Ansprüche auf Instrumentalisierung des ­eigenen Körpers, diesfalls eben durch religiöse Gebote. Bloß keine Bekleidungsvorschriften!, predigen sie. Es muss Frauen erlaubt sein, sich in Burkas zu hüllen!
Genau. Was nicht übersehen werden darf, ist dies: Es geht um das wichtige Gut der Freiheit. Frauen müssen die Freiheit haben, in einer Burka zu stecken. Oder ihre blanke Haut zu Markte zu tragen. Je nachdem. (Männer müssen die Freiheit haben, keine Krawatte tragen zu wollen.)
Wenn es Frauen ein dringendes Bedürfnis ist, bei sen­gender Hitze unter schwarze Tücher zu kriechen und mit einem Gitter vor Augen durch die Gegend zu stolpern, dann lasst es sie tun! Dass ihnen das kein wichtiges Anliegen sein soll, ist schwer vorstellbar. Wer oder was sonst sollte sie veranlassen, sich derartig einzuwickeln, wenn nicht heftiges Verlangen?

Wenn Frauen sich danach sehnen, unbekannten Männern (und Frauen) ihre Brüste zu zeigen, haltet sie nicht auf. Dass sie nicht aus innerem Antrieb handeln, ist wenig wahrscheinlich. Welche ökonomischen oder sonstigen Zwänge sollten sie denn sonst dazu bringen, ihre Geschlechtsmerkmale öffentlich auszustellen, wenn nicht der übermächtige Wunsch, sich ständig die Kleidung vom Leib zu reißen?

Sobald man einmal begriffen hat, wie der Hase läuft und dass im Grunde nur das Recht der Frauen auf Erfüllung ihrer mehr oder weniger geheimen Wünsche geschützt werden muss, sieht man plötzlich vieles in einem neuen Licht.

Zum Beispiel muss es Frauen einfach erlaubt sein, weniger zu verdienen als Männer, ja sogar, weniger verdienen zu wollen als Männer. Hören wir auf, die Frauen zu zwingen, gleich viel verdienen zu möchten!

Keine Bevormundung! Es muss Frauen erlaubt sein, sich unterzuordnen. Es muss ihnen gestattet sein, weniger zu erben als ihre Brüder. Sie müssen mehr Hausarbeit machen dürfen als ihre Männer. Nötigen wir sie nicht länger, sich nicht daheim einsperren lassen zu wollen!

Sagen wir es kurz und klar: Menschen haben das Recht, sich diskriminieren zu lassen! Das passt manchen vielleicht nicht ins verstaubte sentimentale Konzept, aber wir haben eben mittlerweile manches an ideologischen Moden hinter uns gelassen. Deswegen: Postfeminismus. Posthumanismus. Postpostkolonialismus.

Und falls sich dabei jemand verarscht fühlt – bitte sehr. Es ist selbstverständlich auch erlaubt, sich verarschen zu ­lassen.
Okay, noch einmal von vorn: Was ist so schlimm an nackten Mädels in der Werbung? Ganz einfach: dass Frauen als verfügbare Körper dargestellt werden. Nicht als Menschen, nicht als Individuen, nicht als Persönlichkeiten, sondern wie konsumierbares Fleisch.

Klar, die Models werden schon nicht unter Gewaltandrohung dazu gebracht worden sein, sich auszuziehen, aber die Signalwirkung der Ausgezogenen, die uns als Zuwaage zu praktisch jedem Gebrauchsgegenstand präsentiert werden, ist fatal, weil sie genau das suggeriert: Auch die Nackten seien so was wie Gebrauchsgegenstände.

Nacktheit ist erotisch, wenn sie gegenseitigem Lustgewinn dient oder zumindest dessen Vorstellung erlaubt, das heißt, der (oder dem) Nackten autonomes Begehren zubilligt. Im Dienste kaufmännischer Um- und Absätze verkommt sie zu einer erbärmlichen Sachleistung. Das gleiche Signal setzt, so gegensätzlich es auf den ersten Blick scheinen mag, das Verstecken der Frau unter unförmigen Stoffhüllen: Ihr Körper wird für die Blicke eines Verfügers reserviert, als wäre er Material, dessen Gebrauch reglementiert werden muss.

2.

Apropos Verfüger: Schon wieder hab ich auf der Society-Seite einer Tageszeitung von Bundeskanzler Faymann und „seiner Martina“ gelesen. Ja, üblicher Klatschberichte-Jargon: der Kanzler und seine Martina. Der Vizekanzler und seine Gabi. Der Minister Sowieso und seine Karin/Margit/Daniela. Nicht Ehefrau, nicht Lebensgefährtin, nur seine. Anhängsel ohne Nachnamen, ohne (akademischen) Titel, ohne eigene Funktion. Was allerdings nicht der Realität entspricht. Dem Kanzler seine Martina zum Beispiel heißt mit Nachnamen Ludwig-Faymann und ist Gemeinderätin in Wien.

Falsche Vertraulichkeit mag zum Geschäft des Gesellschaftsreportierens gehören. Dass sie patriarchale Züge tragen muss, leuchtet aber nicht ein. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Joachim: vorstellbar? Eher nicht. Eben.

[email protected]