Elfriede Hammerl: Brauch ma net

Soll an Schulen über Sexismus geredet werden? Oder sehen wir ihn als gottgegeben an?

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Still und leise hat das Bildungsministerium vor Kurzem das Unterrichtsprinzip „Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern“ abgeschafft. Zur „administrativen Entlastung von Schulleitungen“, wie es im Rundschreiben Nr. 09/2018 heißt, das gleichzeitig auch 99 andere Rundschreiben und Erlässe aufhebt. Darunter befinden sich durchaus entsorgungsreife Posten wie die Erhebungen zur Energiestatistik für das Haushaltsjahr 1995 oder diverse offenbar überholte Bestimmungen zur „Abgeltung von Prüfungstätigkeiten“. Weit hinten, auf Seite vier der Liste gekippter Erlässe, taucht in all dem Amtsdeutsch dann allerdings ein einziges Unterrichtsprinzip auf, das ebenfalls für obsolet erklärt wird: die Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern.

Dieses Unterrichtsprinzip ist in einem Grundsatzerlass klug und ausführlich beschrieben. Es läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass Heranwachsende Geschlechterrollen und ihre Folgen nicht für naturgegeben hinnehmen, sondern als Sozialisationsprozess erkennen sollen, der gestaltet werden kann.

Das mag man für überflüssig halten, wenn man der Ansicht ist, dass wir längst in einer geschlechtergerechten Gesellschaft leben, in der es weder Rollenzwänge noch geschlechtsspezifische Vorurteile gibt und in der Einkommen, Macht sowie bezahlte und unbezahlte Arbeit fair auf Frauen wie auf Männer verteilt sind. (Kann man glauben, weil man glauben kann, was man will. Und es stimmt vielleicht sogar, wenn man seine Wahrnehmung auf Powerpaare mit reichlich ererbtem Immobilienbesitz beschränkt.)

Oder man kann das Hinterfragen von Rollenzuweisungen aus dem Unterricht eliminieren wollen, weil man Gleichstellung als Genderwahnsinn sieht, den es zu stoppen gilt.

Welches Motiv welchen Befehlsausgeber im Bildungsministerium bewogen hat, das Unterrichtsprinzip Gleichstellung in den Mistkübel zu stopfen, ist unklar, Tatsache ist jedoch, dass es mit der unauffälligen Aufhebung nicht geklappt hat. Sie sprach sich herum und sorgte für Unruhe.

So kommt es, dass jetzt plötzlich alles nur ein Missverständnis war. Ein Kommunikationsfehler, irgendwie. Im Herbst soll es einen neuen Grundsatzerlass geben. Und da werde man den bisherigen Text, der ja veraltet sei, auch aktualisieren.

Das mag man glauben oder nicht. Ich neige zu Misstrauen, weil sich erstens der alte Text immer noch aktuell liest, und weil es zweitens unüblich ist, einen „veralteten“ Text zu kippen, ehe ein neuer da ist – es sei denn, man will ihn gar nicht ersetzen. Und das ist genau der derzeitige Stand: gekippt, aber nicht ersetzt.

Beunruhigt mich das? Ja, schon. Weil es nach einem Plan aussieht. Nach vielen kleinen und größeren (Rück-)Schritten hin zu einer Retro-Gesellschaft, in der Sexismus als gottgewollt und naturgegeben gilt.

Wie in der guten alten Zeit. (...) Richtige Mädchen und richtige Buben, unverdorben vom Gleichheitswahn.

Dieser Tage schickte das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen einen offenen Brief an Regierungsmitglieder, PolitikerInnen aller Parteien und verschiedene Medien, um auf seine verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. „Wir wenden uns an Sie nach vielen Monaten des Bangens, der vergeblichen Briefe und Telefonate“, heißt es darin. „Seit Beginn des Jahres werden wir vom Familienministerium (Bundeskanzleramt) ignoriert oder bestenfalls vertröstet. (…) Wir sind für Menschen da, die mit schweren Krisen in ihrem Leben umgehen müssen, oder helfen dabei, dass diese Krisen erst gar nicht entstehen. (…) Seit Jahresbeginn steht eine Kürzung der Fördergelder um fünf Prozent im Raum. (…) Das mag für das Budget eines Ministeriums keine hohe Summe sein. Für uns und die Menschen, die zu uns kommen, ist sie aber existenziell. (…) Seit Monaten versuchen die Vertreterinnen und Vertreter des Dachverbandes der Familienberatungsstellen immer wieder, mit den politisch Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen, um Klarheit zu schaffen. Ohne Erfolg.“

Auch das passt in ein Muster von Herrschaftsverhalten und Ignoranz. Nicht nur dreht man Beratungsstellen für Mädchen, Frauen und Familien den Geldhahn zu, man lässt sie auch noch vergeblich um ein klärendes Gespräch bitten und betteln. Die unausgesprochene Botschaft an sie lautet: Ihr seid überflüssig. Mit euch reden wir nicht einmal. Selber schuld, wer Beratung braucht. Ordentliche Frauen kommen nicht in die Bredouille.

Zugleich wird der 12-Stunden-Arbeitstag auf Abruf angekündigt, der speziell Alleinerzieherinnen vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellen wird. Macht nix. Dürfen ja ablehnen, wenn sie Betreuungspflichten geltend machen können. Vielleicht behalten sie den Arbeitsplatz trotzdem. An den Goodwill der ArbeitgeberInnen glauben!

Wie in der guten alten Zeit. Gnädige oder ungnädige Dienstherren. Personal, das sich dem einen wie dem anderen halt fügen muss. Bettelnde Weiber. Richtige Mädchen und richtige Buben, unverdorben vom Gleichheitswahn.

Was für ein Reformkurs!

[email protected] www.elfriedehammerl.com