Elfriede Hammerl: Uncle Ben

Überlegenheitsansprüche. Und die verlogene Legende von der glücklichen Dienerschaft.

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Die Rassismus-Debatte in den USA, angefacht durch die brutale öffentliche Ermordung des Afroamerikaners George Floyd,hat bewirkt, dass der US-Konzern Mars künftig auf „Uncle Ben“, die Werbefigur für eine von ihm vertriebene Reissorte, verzichten will. Das „Uncle Ben’s“-Logo, wir kennen es alle, zeigt einen freundlich lächelnden dunkelhäutigen Herrn mittleren Alters in der Kleidung schwarzer Bediensteter– weißer Kragen, schwarze Fliege – auf den Herrschaftssitzen der amerikanischen Südstaatler im 19. Jahrhundert. Bei wohlwollender Betrachtung beschwört es eine romantisch verklärte Vergangenheit, in der schwarzes Hauspersonal von den weißen Arbeitgebern vertrauensvoll als eine Schar von lieben Onkeln und Tanten gesehen wurde – ist das rassistisch?

Ja, ist es. Die Vergangenheit, die hier behauptet wird, war alles andere als romantisch für die schwarze Bevölkerung, die versklavt, ausgebeutet und als minderwertig verachtet wurde. Das „Uncle Ben’s“-Logo ist Heuchelei. Es zeigt den Stereotyp des schwarzen Bediensteten, wie ihn die weiße Herrschaft gerne haben wollte: total loyal und glücklich, seiner Bestimmung zum Dienen nachkommen zu dürfen; einsichtig sein angeblich naturgegebenes Schicksal bejahend; vertrauenswürdig, weil nur am Wohlergehen seiner weißen Arbeitgeber interessiert und deshalb ein Garant für die Qualität des Reises, der seinen Namenträgt.

Uncle Ben und Aunt Jemima, Uncle Bens weibliches Pendant für Frühstücksflocken, das waren die verlogenen Aushängeschilder für eine zutiefst rassistische Gesellschaft, die der (Nach-)Welt weismachen wollte, dass in den amerikanischen Südstaaten zur Zeit der Sklaverei eine gottgegebene Ordnung alle zufriedengestellt habe. Die Weißen, weil sie sich der Ergebenheit der Schwarzen gewiss sein konnten, und die Schwarzen, weil es ihnen ein Bedürfnis gewesen sei, der weißen Herrschaft ein schönes Leben zubereiten. Sind die Anreden Uncle und Aunt für schwarze Menschen deswegen despektierlich? Ja und nein.

Ja, weil sie eine familiäre Nähe simulieren, die pure Täuschung war und vor allem dazu diente, den Angeredeten mehr abzuverlangen als bloße Pflichterfüllung. Doch auch wenn weiße Herrschaftskinder und schwarze Kinderfrauen einander oft ehrlich zugetan waren, bedeutete der vorgebliche Familienanschluss der schwarzen Dienerschaft keine Teilhabe an den Privilegien der Weißen, sondern war lediglich ein Appell an die Loyalität der Angeredeten, sich des Vertrauens würdig zu erweisen, das ihnen solcherart entgegengebracht wurde. Sie wurden als Quasi-Verwandte vereinnahmt, weil sie das Wohl der (weißen) Familie über ihr eigenes stellen sollten. Und natürlich war es rassistisch, diese Anrede auf alle schwarzen Mitmenschen auszudehnen, so, als gehörten sie wegen ihrer Hautfarbe automatisch in die Kategorie Dienstpersonal.

Nein, weil dem Bestreben, familiäre Nähe zu simulieren, keine diskriminierende Absicht zugrunde lag. Man glaubte, im Gegenteil, gütig zu handeln. Die vermeintliche Güte war zwar Herablassung, aber bewusste Verachtung war sie nicht. Bewusst verächtlich und absichtlich diskriminierend ist hingegen die Anrede „Boy“ für schwarze Männer jeden Alters bis hin zum Greis. Bis heute ist sie aus dem Sprachgebrauch rassistischer weißer Südstaatler nicht verschwunden, die schwarze Mitbürger auf diese Weise demütigen oder auch provozieren wollen.

Alles weit weg und bei uns nicht vorstellbar? Ach was. Überlegenheitsansprüche waren und sind weltweit üblich, sie orientieren sich nur nicht immer an der Hautfarbe, sondern auch an anderen Merkmalen, an der ethnischen Zugehörigkeit von Menschen beispielsweise, am sozialen Status ihrer Herkunftsfamilien, an ihrer Religion oder – nicht zuletzt – an ihrem Geschlecht. Wenn Frauen als minderwertig gelten, weil sie Frauen sind, dann heißt das nicht Rassismus, sondern Sexismus, und wenn Menschen glauben, was Besseres zu sein, weil sie in privilegierte Verhältnisse geboren wurden, dann ist das Klassismus, aber die Wurzel des Übels bleibt immer gleich: Bestimmte Menschen propagieren den Vorrang ihrer Bedürfnisse aufgrund von Merkmalen, die ihnen zufällig in den Schoß gefallen sind. Sie verwechseln Glück mit Leistung oder berufen sich im Falle hochmögender Ahnenreihen auf deren (mehr oder weniger anerkennenswerte) Leistungen. Nur dass persönliche Verdienste nichts sind, was sich in der DNA der Nachfahren ablagert.

Und immer ist das Bestreben im Spiel, den Unterlegenen und Unterdrückten ein anderes, quasi arteigenes Glücksempfinden zuzuschreiben, als seien sie genetisch darauf programmiert, Lust aus Unterordnung und Verzicht zu gewinnen. Die treue Resi, heißt es dann, habe nichts Schöneres gekannt, als bis zum Umfallen in der Küche zu stehen, der alte Johann hätte gar nicht gewusst, was er mit einer „Freizeit“ hätte anfangen sollen, und in der zeitgenössischen Version heißt es: „Für diese Leute ist das ja schon viel Geld!“ „Diese Leute“. Ein anspruchsloser Menschenschlag. Nicht füttern! Ach, Uncle Ben. Höchste Zeit für deinen Abschied. Und noch so viel zu tun.

 

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