Elfriede Hammerl: Die traurige Wahrheit

Frau und Mutter zu sein hat Risiken und Nebenwirkungen.

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So haben wir uns das nicht vorgestellt, aber die traurige Wahrheit ist: Frau und Mutter zu sein ist auch 2019 alles andere als frei von Risiken und Nebenwirkungen. Als Frauen sind Frauen bedroht an Leib und Leben, als Mütter erleben sie, wie ihre unbezahlte Arbeit zunimmt,während gut bezahlte Ganztagsjobs zur Domäne der Männer werden.

Bleiben wir zuerst bei Leib und Leben. Fünf Frauen in Österreich wurden gleich zu Jahresbeginn von ihnen nahestehenden Männern umgebracht. Das ist schlimm genug. Aber wie die Regierung die Mordserie benützt, um erstens in Sachen Ausländerfeindlichkeit ein Schäuferl nachzuschieben und sich zweitens als Retterin in der Not zu präsentieren, nachdem sie zuvor Gewaltschutzeinrichtungen abgeschafft und ausgehungert hat, ist von empörender Schamlosigkeit. Da stellen sich zwei Ministerinnen und eine Staatssekretärin hin und verkünden – trara – Maßnahmen als Neuheit, die es nur deshalb nicht mehr gibt, weil Türkis und Blau sie vor einem Jahr für überflüssig erklärt haben.

Sie tun dabei so, als ob Morde an Frauen überraschend neuartige Verbrechen wären, begangen von zugewanderten Männern, denen unser wertschätzender Umgang mit weiblichen Menschen unbekannt ist. Verantwortlich dafür machen sie patriarchale Strukturen, die sie zunächst unter ÖsterreicherInnen nicht entdecken können. Erst auf insistierendes Nachfragen räumt die Frauenministerin ein, dass es patriarchale Reste auch hierzulande gäbe. Um sie auszuräumen, sei es wichtig, dass Frauen wirtschaftlich unabhängig, also berufstätig seien. Migrantische Frauen seien das mehrheitlich nicht, ergo sei Gewalt ein durch Zuwanderung eingeschlepptes Problem. Die Staatssekretärin legt noch eins drauf, indem sie befürchtet, dass die ausländischen Gewalttäter friedliche Österreicher zu Nachahmungstaten anregen könnten. Also ehrlich: Geht’s noch?

Auf einmal wird unter Getöse das Rad in Sachen Gewaltschutz neu erfunden.

Ja, die jungen Männer aus Ländern, wo Frauenverachtung teilweise Gesetz und jedenfalls nicht infrage gestellte Tradition ist, haben uns ein zusätzliches Problem beschert. Aber so zu tun, als wäre Gewalt gegen Frauen ein importiertes Phänomen, ist dummdreist und vor allem verantwortungslos, weil Realitätsverfälschung zu falschen Konsequenzen führt und niemanden schützt. Wir haben hierzulande ein vorbildliches Gewaltschutzgesetz; Beratungseinrichtungen, Interventionsstellen und Frauenhäuser haben, wenngleich finanziell immer am Limit, über Jahre hervorragende Arbeit geleistet. Sie sind aus bitterer Notwendigkeit entstanden, weil eben keine Rede davon sein kann, dass Gewalttaten dem eingeborenen Patriarchen genetisch fernliegen. Diese Notwendigkeit hat die derzeitige Regierung, als sie an die Macht kam, kalt geleugnet. Wie hat sich Frauenministerin Bogner-Strauß lustig gemacht über „getanzte Proteste“ und feministische „Lesezirkel“, als sie Frauenberatungseinrichtungen die kärglichen Unterstützungen strich und ihre flehentlichen Briefe nicht einmal ignorierte! Sie habe die Mittel in Richtung Opferschutz umgeschichtet, behauptet sie. Stimmt leider nicht. Gerade bei Gewaltprävention und Opferschutz wurde gekürzt, zum Beispiel wurden Schulungen der Polizei für den Umgang mit Gewaltopfern eingestellt, ebenso wie die sogenannten Fallkonferenzen, eine Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Interventionsstellen bei Hochrisikofällen.

Jetzt wird auf einmal unter großem Getöse das Rad in Sachen Gewaltschutz neu erfunden – was dabei herauskommt, wird kritisch zu prüfen sein. Schließlich gab es keine sachlichen Gründe, bewährte Strukturen zu zerschlagen und bewährte Maßnahmen abzuschaffen. Klar, man kann alles noch besser machen. Pompöse Selbstinszenierung reicht dazu allerdings nicht aus.

Schwenk auf die Einkommensschere: Eine neue Studie zeigt, dass österreichische Frauen ab dem ersten Kind langfristig Lohneinbußen bis zu 50 Prozent erleiden. Denn: Mütter arbeiten Teilzeit, Väter nicht. Ist die Vereinbarkeit also doch nur eine Illusion?

Kommt drauf an, wie wir Vereinbarkeit definieren. Wenn Vereinbarkeit heißt, sein Kind so wegzuorganisieren, dass man wöchentlich 40 bis 60 Stunden ungestört seinem Beruf nachgehen kann, dann wird die Vereinbarkeit schwierig bis unmöglich. Vereinbarkeit würde neben Kinderbetreuungseinrichtungen eine Arbeitswelt voraussetzen, in der man ausreichend verdienen kann, ohne rund um die Uhr einsatzbereit zu sein. Darüber sollte man reden. Stattdessen immer wieder die abgehobene Beschwörung: Wer will, die kann. In der ORF-„Pressestunde“ erzählte die Frauenministerin am 27. Jänner, wie sie als Mutter zweier Volksschulkinder die Vereinbarkeit meistert. Mit einer Haushaltshilfe, einem „Netzwerk aus Freundinnen und Freunden“ und einem „partnerschaftlichen“ Ehemann schaffe sie es, einem Job nachzugehen, der sie fünf Tage in der Woche von der Familie trennt. Äh. Was hier als partnerschaftlich ausgegeben wird, klingt stark nach Rollentausch, und der ist leider keine Lösung, schon gar, wenn man ohne Haushaltshilfe über die Runden kommen muss. Ehrliche Debatten, bitte!

[email protected] www.elfriedehammerl.com