profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Der Euro, eine gefährliche Drohung

Bis 2025 sollten alle EU-Mitglieder den Euro eingeführt haben. Wenn das kommt, werden austrittswillige Mitgliedsländer schon bald Schlange stehen.

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Die EU-Kommission hat eine geradezu beeindruckend sichere Hand, wenn es darum geht, die wachsende Gegnerschaft des europäischen Gemeinschaftsprojekts zu stärken. Als die Briten vor rund einem Jahr mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU stimmten, informierte die Brüsseler Kommission die Öffentlichkeit wenig später über die neuen Abgasnormen für Rasenmäher. Das war natürlich keine gezielte Reaktion auf den Brexit, sondern unglückliches Timing mit hoher Symbolkraft.

Weniger zufällig war der seinerzeitige Hinweis von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wonach der Brexit dazu genutzt werden sollte, die Währungsunion auf alle Mitgliedsländer auszudehnen. Ein Vorschlag, den nun Währungskommissar Pierre Moscovici aufgegriffen hat: Bis 2025 sollte es in der EU nur noch eine Währung geben: den Euro. Ob dieser Vorstoß damit zusammenhängt, dass im ersten Wahlgang für die französische Präsidentschaft mehr als die Hälfte der Stimmen auf EU-feindliche Kandidaten entfielen, ist schwer zu sagen. Jedenfalls ist einiges in Bewegung geraten: Die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas tritt aus, und in der drittgrößten erfreuen sich die Austrittswilligen regen Zulaufs.

Ein 'Euro für alle' würde nur die EU-Gegner stärken.

Dass dieser Trend mit dem „Euro für alle“ zu stoppen ist, darf bezweifelt werden. Zumal die Mitgliedschaft in der Währungsunion ja nicht zur Angleichung der Wirtschaftsleistung geführt hat, wie Moscovici selbst beklagt. Das derzeit wieder heftig diskutierte Griechenland ist ein glaubhafter Zeuge dieser These. Das südlichste Euroland fällt wirtschaftlich gesehen immer weiter zurück, auf Hilfspaket Nummer drei wird Hilfspaket Nummer vier folgen, das ist in Brüssel allen klar.

Aus Sicht vieler Ökonomen und Politiker liegt das ja vor allem einmal daran, dass Griechenland mit rein ideologisch motivierten Sparvorgaben immer weiter in die Krise getrieben werde. Wie ein Staat mit Finanzhilfen im Gegenwert von 36 Marshall-Plänen (zu heutigen Preisen) „kaputtgespart“ werden kann, ist zwar noch höchst unklar, aber das ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, auf der richtigen Seite zu stehen und nicht kaltschnäuzig nach ausgebliebenen Strukturreformen zu fragen, sondern warmherzig den nächsten Schuldenerlass einzufordern. Warum dieser erfolgreicher sein sollte als jener des Jahres 2012, kann derzeit allerdings niemand beantworten.

Auch wenn das Beispiel Griechenland kaum noch jemand hören kann, ist es für die Zukunft der Eurozone von entscheidender Bedeutung.

Auch wenn das Beispiel Griechenland kaum noch jemand hören kann, ist es für die Zukunft der Eurozone von entscheidender Bedeutung. Niemand will den Griechen etwas wegnehmen oder sie gar leiden sehen. Alle Europäer würden sich uneingeschränkt freuen, fände das angeschlagene Land endlich den Weg aus der Krise. Aber kaum jemand dürfte gesteigertes Interesse daran haben, dieses Fass ohne Boden dauerhaft mit eigenem Geld zu füllen. Schon gar nicht jene Länder, die den Euro nicht eingeführt haben. Das gilt insbesondere für Schweden, Dänemark oder Tschechien, deren Regierungen sich wohl eher für eine Fahrt nach Lourdes begeistern ließen, um ausgiebig dafür zu danken, dass der „Euro-Kelch“ an ihnen vorübergegangen ist. Sie wissen, dass die Eurozone zu einer Transferunion umgebaut wurde, die nach neuen Zahlern sucht.

Zudem wäre es auch denkbar, dass potenzielle Neumitglieder wie Rumänien, Bulgarien oder Kroatien in klassischen Hartwährungsländern nicht besonders herzlich willkommen geheißen würden. Weil dort nämlich die nicht ganz von der Hand zu weisende Auffassung vertreten wird, dass es der Währungsunion an vielem, nur nicht an Transferländern mangelt.

Wenn die EU-Kommission starke Volkswirtschaften für die Gemeinschaftswährung gewinnen will, sollte sie sich an Hans-Werner Sinn orientieren. Der frühere Chef des Münchner ifo-Instituts plädiert für einen „atmenden Euro“, der wenig wettbewerbsfähigen Staaten wie Griechenland ein Austrittsszenario eröffnet, ohne gleich ins wirtschaftliche Nichts zu fallen. Wer mit dem Euro nicht mehr zurande kommt, kann aussteigen, die eigene Währung nach Herzenslust abwerten, seine Wirtschaft in Ordnung bringen und nach Erfüllung der Kriterien wieder dazustoßen. Im Euro können angeschlagene Staaten nur über Lohnkürzungen abwerten, das hält keine Regierung auf Dauer aus.

Die EU-Kommission hat eine beeindruckend sichere Hand, wenn es darum geht, die Gegner des Gemeinschaftsprojekts zu stärken.

Sinns Nachfolger Clemens Fuest wiederum meint, dass Eurostaaten, die sich höher als vereinbart verschulden, Staatsanleihen auflegen müssten, die von der EZB nicht aufgekauft, sondern nur zu höheren Zinsen über den freien Markt gehandelt werden dürfen. Für diese Staatsanleihen würden nicht andere Länder haften, sondern nur deren Käufer. Das sollte für mehr Haushaltsdisziplin sorgen, insbesondere in wirtschaftlich guten Jahren.

Das wären schon mal zwei mögliche Lehren aus dem Griechenland-Desaster. Stattdessen auf die Ausweitung der Eurozone auf alle EU-Mitgliedsländer zu bestehen, ist hingegen ein Projekt, dessen Umsetzung sich nur Parteien an den rechten und linken Rändern wünschen können. Aber wie gesagt: Die EU-Kommission hat eine beeindruckend sichere Hand, wenn es darum geht, die Gegner des Gemeinschaftsprojekts zu stärken.

Franz Schellhorn ist Direktor des Thinktanks Agenda Austria.