Leitartikel: Eva Linsinger

Eva Linsinger Fehlleistungsnachweise

Das Budget ist die in Zahlen gegossene Bankrotterklärung der Regierung.

Drucken

Schriftgröße

Wie gut, dass es die Hypo gibt. Das Gros der p. t. Österreicher mag über das Milliardendebakel in Rage geraten – für Werner Faymann und Michael Spindelegger hingegen ist das Bankfass ohne Boden überaus praktisch. Liefert es doch der Regierungsspitze die perfekte Ausrede, in gut eingeübter Lethargie zu verharren, gerade als sich das bisherige Alibi – „die Krise“ – abgenutzt hatte. Nun muss „die Hypo“ als fadenscheinige Erklärung für die eigene Untätigkeit herhalten, wie Kanzler und Vizekanzler bei der Budgeterstellung vorexerzierten.

Gemeinhin firmiert das Budget unter „in Zahlen gegossene Politik“. Selten stimmte das alte Bonmot mehr, denn der Haushalt von Faymann und Spindelegger ist das getreue Spiegelbild ihres Politikverständnisses: mutlos, dilettantisch, bar jeglichen Gestaltungswillens und allzeit bereit, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Kurz: eine in Zahlen gegossene Bankrotterklärung.

Die Chuzpe muss man erst einmal aufbringen: mit treuherzigem Blick (die Kernkompetenz von Finanzminister Spindelegger) und defensivem Lächeln (die Spezialdisziplin von Kanzler Faymann), garniert mit stetigem Verweis auf die Hypo, über Wochen als unverrückbare Tatsache darzustellen, was sich Österreich angeblich leisten kann. Und was angeblich nicht.

Locker leisten kann sich Österreich getreu den Milchmädchenrechnungen, Weltmeister bei Förderungen zu bleiben. Satte 15 Milliarden Euro pro Jahr werden in Subventionen gesteckt – 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. Allein für Familien gibt es 117 verschiedene Zuschüsse: 47 vom Bund, 70 von den Ländern. Auch sonst wird jede Lebenslage finanziell aufgebuttert – von Alarmanlagen bis zu Zuchtverbänden. Wer welchen Unsinn mit wie viel Geld fördert, können nicht einmal die Spürnasen vom Rechnungshof eruieren, kein Wunder: Bisher konnte sich die Regierung nicht einmal dazu durchringen, eine Förderliste erstellen zu lassen, geschweige denn, über Kürzungen der bizarrsten Geldströme nachzudenken. Das hätte eine gewisse Kraftanstrengung bedeutet, möglicherweise sogar einen Konflikt mit den Big Spendern Bundesländer. Diese Mühe leisteten sich Faymann und Spindelegger lieber nicht, wozu auch, bei dem Kinkerlitzbetrag von 15 Milliarden Euro.

Vergleichsweise läppische 57 Millionen Euro für Bildung werden hingegen taxfrei für unleistbar erklärt. Diese Scheinlogik kann nur verstehen, wer so zynisch wie die Regierung damit kalkuliert, dass sich die Betroffenen kaum wehren können. Für kümmerliche 15 Prozent der Kinder gibt es in Österreich Ganztagsschulen. Im vergleichbaren Bayern für 80 Prozent. Ein Zurückdrängen der heimischen Halbtagsschule wäre für sozial Schwache, Alleinerziehende und Migrantenfamilien maßgeschneidert gewesen, also für all jene, die sich weder teure Nachhilfestunden leisten noch bei Hausübungen helfen können. Leider, seufzen Faymann und Spindelegger, und glauben, sich weiter leisten zu können, dass das Schulsystem ein Viertel Analphabeten produziert. Wer soll das kontrollieren? Am PISA-Test nimmt Österreich ohnehin nicht mehr teil. Und wie Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek gegenüber Frauenministerin Heinisch-Hosek erklären will, dass der große Frauenwunsch Ganztagsschule nichts mehr zählt, ist auch schon egal. Die verheerende Bilanz der Bildungsbudget-Debatte: Die Ministerin beweist täglich ihre gnadenlose Überforderung, die SPÖ entsorgt nonchalant eines ihrer zentralen Wahlversprechen, der im Regierungsprogramm festgeschriebene Ausbau der Ganztagsschulen entpuppt sich als Schwindel. Eine wahre Glanzleistung.

Wofür brennt Faymann? Was ist Spindelegger wichtig? Welche Ziele haben sie, als Parteichefs, als Kanzler und Vizekanzler? All das hätte die Regierungsspitze rund um die Budgeterstellung offenbaren können. Ihr in Zahlen gegossener Offenbarungseid lautet: Sie will schlicht – nichts.
Selbst mit einem Minimum an politischem Gestaltungswillen wären etwa die gröbsten Verzerrungen im Steuersystem zu beseitigen gewesen. Betonung auf wären. Denn eine Steuerreform fällt für Faymann und Spindelegger glasklar in die Kategorie „unleistbar“. Lieber leisten sie sich weiter das bestehende Steuersystem, das abstruse 558 Sondersteuersätze für 99 Berufe vom Haarschmuckerzeuger bis zum Holzbildmacher vorschreibt und Steuerausfälle von neun Milliarden Euro pro Jahr produziert. Allein die komplizierte Verwaltung dieser hunderten Ausnahmeregelungen kostet pro Jahr so viel, wie die gesamte Kfz-Steuer einbringt.

Die teuren Sonderparagrafen sind kein Geheimwissen von Zahlen-Feinspitzen, sie sind seit Jahren in all den Studien aufgelistet, die laufmeterweise in Ministerien vor sich hin schlummern. Genau wie hunderte andere sinnvolle Sparvorschläge.

Weder die Hypo noch andere sinistre Mächte hindern Faymann und Spindelegger daran, all das Altbekannte endlich umzusetzen – bloß die eigene Unfähigkeit. Eine glatte Fehlleistung. Wie lange können wir uns diese Regierung noch leisten?

[email protected]