Eva Linsinger

Eva Linsinger Sackgassenhauer

Sackgassenhauer

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Claudia Schmied ist eine der angenehmsten Erscheinungen der Regierung: Die Bildungsministerin ist klug, billiger Kumpelhaftigkeit genauso abhold wie dumpfem Provinzialismus. Das reichte, gerade im Vergleich zur inferioren Vorgängerin Elisabeth Gehrer, um fast wie eine Erlöserin gefeiert zu werden.

Der politische Kredit, welcher der Ex-Bankerin gewährt wurde, ist mittlerweile aber verbraucht. Knapp vier Jahre nach Amtsantritt fällt ihre Bilanz dürftig aus. Viel mehr als die Zentralmatura, die Leistung an Schulen vergleichbar macht, konnte sie nicht durchsetzen. Gemessen an ihren ­eigenen, hochgesteckten Zielen, ist Schmied gescheitert.

Vier „große strategische Projekte“ nannte sie vor einem Jahr: Ausbau der Neuen Mittelschule, neues Dienstrecht und gemeinsame Ausbildung für die Lehrer, Reform der unsäglichen Doppelgleisigkeiten in der Schulverwaltung. Alle Vorhaben sind berechtigt und überfällig, bei keinem jedoch ist Schmied auch nur einen Millimeter vorangekommen.

Das neue Lehrer-Dienstrecht sollte sich an den Bedürfnissen der Kinder und Eltern und nicht an denen der reformresistenten Lehrergewerkschaft orientieren. Über eine bloße Ankündigung kam Schmied nicht hinaus, die Verhandlungen wurden wieder und wieder verschoben. Auch beim zweiten Großprojekt herrscht Stillstand: Die Beendigung der Zweiklassengesellschaft der Lehrer, von denen die einen an Universitäten, die anderen an pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden, wäre eine wichtige Vorstufe zur Gesamtschule. Doch Schmied konnte sich bisher nicht dazu aufraffen, politische Gespräche zu starten. Mit derartiger Entschleunigung ist der Misserfolg vorgezeichnet, erst recht, wenn als Verhandlungspartner die fleischgewordene Beharrungskraft in Gestalt von Lehrergewerkschafter Fritz Neugebauer wartet.

Die Scheu vor einer neuerlichen Auseinandersetzung mit den Blockadeeliten der ÖVP erscheint nach etlichen verlorenen Kämpfen menschlich nur zu verständlich, kommt politisch jedoch einer Selbstaufgabe gleich. Natürlich ist das Risiko hoch, im Tauziehen gegen die Neugebauers und Erwin Prölls auf der kürzeren Seite des Seils zu stehen. Wenn Schmied aber gar nicht erst antritt und weiter zuwartet, gewinnt sie mit Sicherheit nicht.

Bisher setzte die Bildungsministerin auf Reformen durch die Hintertür. Das erweist sich als Sackgasse, nachzuprüfen am Beispiel der Neuen Mittelschule. Vor allem Hauptschulen beteiligen sich am Schulversuch. Eigentlich sollten Gymnasien und Hauptschulen zur Neuen Mittelschule verschmolzen werden – stattdessen kreierte Schmied diesen dritten, neuen Schultyp. Damit wird das Bildungssystem noch ungerechter: Kinder von Akademikern und wohlsituierten Eltern gehen ins Gymnasium und treffen so gut wie nie auf Kinder von Migranten oder Arbeitern. Diesen bleibt die Hauptschule – mit Glück zumindest eine, die zur Neuen Mittelschule aufgewertet wird, mit Pech eine normale Hauptschule.

Die Trennung der Zehnjährigen hat mit Begabung nichts zu tun. Ökonomisch betrachtet bedeutet sie eine stupide Ressourcenvergeudung, sozialpolitisch eine Zementierung der himmelschreienden Chancenungleichheit. Diese Erkenntnis gehört zum Basiswissen aller Bildungsexperten, selbst der konservativen. Um sie der ÖVP beizubringen, brauchte Schmied die tatkräftige Unterstützung des Kanzlers.

Doch Werner Faymanns Lernkurve ist leider außerordentlich flach. Anlässlich seines einjährigen Jubiläums als Kanzler im Dezember 2009 nannte er die mangelnde ­Rückendeckung für Schmied seinen größten Fehler. Von energischem Beistand ist seither nichts zu erkennen, im Gegenteil: Vergangene Woche fiel Faymann seiner Parteifreundin sogar in den Rücken und untersagte ihr zu prüfen, wie viele Lehrer die Bundesländer anstellen. Ein politischer Kontrollverlust.

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, lautete Schmieds trotzig-resignative Reaktion. Den Satz wird sie öfter brauchen: Wenn der Kanzler schon bei der vergleichsweise läppischen Idee des „Lehrer-Controllings“ lieber Landeshauptleuten wie Erwin Pröll statt seiner Parteifreundin folgt, kann sich jeder Volksschüler ausrechnen, wie Schmieds Erfolgschancen für Reformprojekte stehen, die Föderalisten und Besitzstandswahrern wirklich wehtun: nahe null. Es ist schwer genug, Bildungspolitik gegen manche Borniertheit in der ÖVP voranzutreiben. Gegen die Feigheit des eigenen Kanzlers wird es schier unmöglich.

Im März 2009 tönte Schmied: „Ich möchte eine Bildungsministerin sein, die das Bildungssystem gestaltet. Ein Verwalten der Bildung wäre für mich nicht attraktiv. Mein Rücktritt wäre dann die Konsequenz.“

Vielen Ministern mag ambitionsloses Verwalten als Zielvorgabe reichen. Schmied jedoch stellt wesentlich höhere Ansprüche an sich selbst. Wenn sie diese ernst nimmt, müsste sie aus der Einengung ihres Gestaltungsspielraums die Konsequenz ziehen. Offenbar ist sie die Einzige in der Regierung, die Bildungs­reformen will. Das wird leider nicht reichen.

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