profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Wie lassen sich die Mieten bremsen?

Preisbremsen gehören zu den verlockendsten Instrumenten der Politik. Dabei schützen sie vor allem die Gut- und Besserverdiener.

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Die Wiener Stadtregierung will Wohnraum leistbarer machen. So sollen künftig zwei Drittel aller verbauten Flächen dem geförderten, streng regulierten Wohnbau reserviert bleiben. Das leuchtet ein, denn wie man es auch dreht und wendet, eines ist völlig klar: Wir haben ein Problem mit enormer sozialer Sprengkraft auf dem heimischen Wohnungsmarkt, da seit vielen Jahren die Mieten schneller als die allgemeinen Preise steigen. Jedenfalls in den Städten und dort vor allem in Wien. Immer mehr Menschen drängen mit wachsenden Ansprüchen im Gepäck in die Ballungszentren: Die Wohnungen sollen größer, hochwertiger ausgestattet und leistbar sein.

Das alles wäre auch kein Problem, würde nur das Angebot mit der Nachfrage mithalten. Das ist aber nicht der Fall. Verschärft wird das Problem von explodierenden Baukosten aufgrund völlig überzogener Auflagen sowie den preistreibenden Folgen der Niedrigzinspolitik. Letztere heizt die Nachfrage und damit die Preise von Immobilien weiter an.

Mittlerweile sieht sich bereits das ganze Land als Opfer ruchloser Miethaie, was natürlich reichlich übertrieben ist. Betroffen ist nur eine kleine Schicht der Bevölkerung, die dafür mit voller Härte: Gemeint sind alle Neumieter in den großen Städten. Wer schon länger in einer unbefristeten Mietwohnung lebt, ist vor Preisschüben geschützt, die Mieten können höchstens mit der Inflationsrate steigen, und das auch nur zeitverzögert. Davon profitieren nicht zuletzt Gut- und Besserverdiener. Der sogenannte „Mietadel“, der in besten Lagen zu niedrigsten Preisen residiert, während die Situation für jene immer schwieriger wird, die den Wohnsitz wechseln und kaum leistbaren Wohnraum finden.

Deshalb wird nach weiteren Eingriffen des Staates gerufen, etwa nach immer schärferen Preisbremsen. Aber sorgen diese dafür, dass das Wohnen für jene leistbar ist, die sehr wenig verdienen? Paul Krugman, ein unter Linken verehrter Volkswirt, kam schon vor 20 Jahren zum Schluss, dass die Ökonomen aller Lager so gut wie einig sind: Mietpreisbremsen wirken höchstens kurzfristig, mittel- und langfristig seien sie schädlich, weil sie das Wohnungsangebot bremsen. Niemand baut oder saniert Wohnungen, um sie mit Verlusten weiterzuvermieten.

Hinzu kommt die geringe soziale Treffsicherheit. Zwar werden bessere und größere Wohnungen auch für Menschen mit niedrigeren Einkommen leistbarer, das aber nur in der Theorie. In der Praxis kommen in Zeiten überschießender Nachfrage jene Bewerber zum Zug, die den höheren Lohnzettel vorlegen können. Wenn sich eine alleinerziehende Mutter und ein gutverdienendes Paar ohne Kinder um ein und dieselbe Wohnung bemühen, ist klar, wer das Rennen macht. Preisobergrenzen schützen zwar auf dem Papier die Schwächeren, in der Realität des Alltags aber die Gut- und Besserverdiener, die durchaus höhere Mieten zu zahlen imstande wären.

Entscheidend ist auch, dass die Politik endlich damit aufhört, mit immer neuen Auflagen das Wohnungsangebot künstlich zu verknappen und zu verteuern.

Was also tun? Zu beginnen wäre einmal damit, alle weltanschaulichen Hypotheken zur Seite zu schieben. Es kann für alle Beteiligten nur ein Ziel geben: die stark steigende Nachfrage mit einem noch stärker wachsenden Angebot zu bekämpfen. Andernfalls werden die Preise nämlich nicht sinken. Es muss also mehr gebaut werden. Ob das öffentliche oder private Bauträger tun, ist zweitrangig. Besonders gut sichtbar wird das Problem in der Stadt Wien. Nirgendwo in Österreich steigt die Nachfrage nach Wohnraum so stark, und nirgendwo in Österreich wurde so wenig neuer Wohnraum pro zugezogener Person geschaffen wie in Wien.

Entscheidend ist auch, dass die Politik endlich damit aufhört, mit immer neuen Auflagen das Wohnungsangebot künstlich zu verknappen und zu verteuern. Das Gegenteil sollte der Fall sein. Ähnlich dem „Motel One“-Konzept könnte die Stadt Wien den Bau gut designter, aber einfach ausgestatteter Wohnungen für unter 40-Jährige und Jungfamilien ermöglichen, bei denen nicht alle Auflagen erfüllt sein müssen. Leerstehende Büroflächen könnten ebenso wie die vielen verwaisten Geschäftslokale in den Erdgeschossen zu Pop-up-Wohnräumen umgestaltet werden, wenn die Politik mitspielte. Zumindest das Studentenpublikum wäre begeistert und ein wenig Druck aus dem Markt genommen. Und das wäre ja schon mal ein ganz passabler Anfang.

Der politische Trend geht allerdings in die exakt gegensätzliche Richtung, nicht nur in Wien. Immer weitere und noch schärfere Regulierungen sollen in einem der weltweit ohnehin schon am stärksten regulierten Wohnungsmärkte Linderung bringen. Was aber wird passieren, wenn zwei Drittel der Flächen für den geförderten, streng regulierten Wohnbau reserviert bleiben? Genau: Das Angebot wird sinken, weil niemand seinen Grund um 250 Euro pro Quadratmeter hergeben wird. Der Markt wird künstlich weiter verengt, und die Preise werden weiter steigen.

Wie man es auch dreht und wendet: Wir haben ein Problem mit enormer sozialer Sprengkraft auf dem heimischen Wohnungsmarkt, das von der Politik in gutem Glauben weiter vergrößert wird.

Franz Schellhorn ist Direktor des Thinktanks Agenda Austria.