profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Die Pension mit 60 ist eine Falle

Das ungleiche Rentenalter ist für Frauen eine Diskriminierung, die Gewerkschafter, Feministinnen und reaktionäre Patriarchen ganz in Ordnung finden.

Drucken

Schriftgröße

Die Frau ist aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, wie der deutsche Humorist Loriot vor Jahren so treffend festgestellt hat. Was freilich nichts daran ändert, dass sie in der Gesellschaft von heute noch immer mit Problemen zu kämpfen hat, die Männer nicht kennen. Das meinen nicht nur Feministinnen, das sieht auch die Statistik so. Frauen kümmern sich um Familie und Haushalt, pflegen die eigenen Eltern und oft auch die des Mannes, leisten den Großteil der unbezahlten Tätigkeiten, arbeiten in schlechter bezahlten Jobs und bekommen auch niedrigere Pensionen.

„Dafür“ (also quasi als Ausgleich für die vielen Benachteiligungen) dürfen sie schon mit 60 in Pension gehen. Also um fünf Jahre früher als ihre männlichen Kollegen, die sie im Schnitt um etwas mehr als fünf Jahre überleben. Verteidigt wird das vermeintliche Pensionsprivileg von einer illustren Allianz aus Arbeitnehmervertretern, gefestigten Wertekonservativen und aufrechten Feministinnen. Warum gerade Letztgenannte in der Pension mit 60 eine schützenswerte Errungenschaft sehen, bleibt deren Geheimnis. Schließlich tragen sie mit ihrer Haltung dazu bei, dass Frauen die fünf besten Einkommensjahre genommen werden, was dazu führt, dass ihre ohnehin schon niedrigeren Pensionen noch niedriger ausfallen. Wodurch sich aber die Anwälte der Frauen dazu aufschwingen können, die hohe Altersarmut bei Frauen zu beklagen.

Barbara Tóth vom „Falter“ hat die passende Lösung im Angebot. Sie hat erkannt, dass das vermeintliche Pensionsprivileg in Wahrheit eine Falle ist, weshalb sie vor knapp einer Woche für die umgehende Abschaffung des frühzeitigen Pensionsantritts plädierte. Schließlich haben alle modernen Gesellschaften längst ein und dasselbe Pensionsalter für Frauen und Männer. Ab 2024 soll es zwar auch in Österreich zu einer schrittweisen Angleichung kommen, die aber erst 2033 (!) abgeschlossen sein wird. Bis es so weit ist, wird sich Österreich in „bester“ Gesellschaft mit Polen, der Türkei und Ungarn befinden.

Früher, so wird neuerdings von Politikern und Gewerkschaftern argumentiert, sei eine Angleichung des Pensionsalters auch gar nicht möglich. Aufgrund des Vertrauensschutzes, der Frauen vor einer zu raschen Anhebung schützen soll. Ein origineller Argumentationsstrang. Die Debatte geht ja nicht erst seit gestern, sondern seit Anfang der 1990er-Jahre, wer sollte hier also wovon überrascht werden? Zudem behauptet der ÖGB, dass es „dank der Judikatur den Arbeitgebern nicht erlaubt ist, Frauen aufgrund der Erreichung des niedrigeren gesetzlichen Pensionsalters zu kündigen“. Warum es einen Vertrauensschutz auf eine offensichtlich rechtswidrige Diskriminierung geben soll, bleibt freilich offen.

Das zentrale Problem sind Frauen und Männer, die der Ansicht sind, dass erwerbstätige Frauen zwangsläufig Rabenmütter sind, die ihre Kinder im Stich lassen.

Aus Sicht des ÖGB wüssten viele nichts von der herrschenden Rechtslage, weshalb auch kaum geklagt werde. Dabei stellt eben das Erreichen des Pensionsalters per se noch kein Ende des Dienstverhältnisses dar, auch wenn das in der Praxis so gehandhabt wird. Es wird gekündigt, auch der Abfertigung wegen. Den Unternehmen ist das bekannt, sie sprechen nur nicht gern darüber. Weil sie wie die Gewerkschaften an einem frühen Pensionsantritt interessiert sind. Die Firmen wegen der generell hohen Kosten älterer Arbeitnehmer, die Gewerkschafter, weil sie ihren Mitgliedern lieber das frühe Entschwinden in die Pension ermöglichen wollen als einen langen Verbleib am Arbeitsplatz. Andernfalls hätte der ÖGB ja längst eine großangelegte Aufklärungskampagne gestartet.

Das zentrale Problem ist freilich nicht in der Politik, im ÖGB oder „im System“ zu finden. Sondern in unseren Köpfen. Es beginnt bei Eltern, die ihren Töchtern raten, sich nach Berufen umzuschauen, die gut mit dem Familienleben vereinbar sind. Statt danach zu trachten, ihnen ein Leben nach ihren Wünschen und Talenten zu ermöglichen. Es liegt darin, dass Frauen in Jobs drängen, in denen das Arbeitskräfteangebot die Nachfrage übersteigt, weshalb dort auch schlechter bezahlt wird. Sie sind kaum in technischen Berufen anzutreffen, die unter einer chronischen Übernachfrage leiden, weshalb diese auch besser bezahlt werden.

Das zentrale Problem sind Frauen und Männer, die der Ansicht sind, dass erwerbstätige Frauen zwangsläufig Rabenmütter sind, die ihre Kinder im Stich lassen. Hinzu kommt, dass sich viele Männer vor der Karenz drücken, weil eine mehrmonatige Absenz vom Arbeitsplatz einen zu hohen Verdienstausfall nach sich zöge. Der zweijährige Verdienstausfall der Frau scheint hingegen keine gröberen Schwierigkeiten zu bereiten, was freilich auch daran liegen könnte, dass dieser nicht einmal errechnet wird.

Und es endet eben bei jenen, die meinen, Frauen müssten für die unfaire Behandlung im Leben mit einem frühen Pensionsantritt „entschädigt“ werden. Statt die Pension mit 65 für alle zu fordern. Berufstätige Frauen sind aus der Gesellschaft von heute nämlich auch nicht mehr wegzudenken.