profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Wer braucht noch Sozialisten?

In Deutschland und Österreich erfüllen Konservative die kühnsten Träume der Linken: Der Staat soll sich wieder aktiv an Unternehmen beteiligen.

Drucken

Schriftgröße

Früher war die Sache ja noch recht einfach: China versorgte Europa mit günstigen Konsumartikeln, während Europa hochwertigste Maschinen nach China verschiffte. Mittlerweile kauft das kommunistische China europäische Vorzeigeunternehmen, als stünden sie im Supermarktregal. Autokonzerne, Roboterproduzenten, Reifenhersteller – you name it. Der Ankauf europäischer Unternehmen ist kein Zufall, er folgt einer klaren Strategie: Im Jahr 2049, pünktlich zum 100. Geburtstag der Volksrepublik, soll China zur industriellen Weltmacht aufgestiegen sein, der Kauf europäischer Schlüsseltechnologien dient der Erreichung dieses Ziels.

Wofür China jede Menge Anerkennung erntet: „Chinas Präsident Xi Jinping hat mit staatsmännischer Weitsicht zehn Schlüsselindustrien definiert, in denen die Volksrepublik in den nächsten Jahren Weltspitze werden will.“ Es ist nicht etwa die chinesische Nachrichtenagentur, die hier von der „staatsmännischen Weitsicht“ der kommunistischen Staatsführung schwärmt. Es ist der Chefredakteur des deutschen „Handelsblatts“. Also nicht gerade das, was man unter einer weltanschaulich gefestigten Arbeiterpostille versteht.

Das „Handelsblatt“ ist es auch, das der vom deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ventilierten Idee einer „nationalen Industriestrategie“ einiges abgewinnen kann. Gefahr droht nämlich nicht nur aus dem Osten, sondern auch aus dem Westen. Dort wachsen mit Google, Amazon, Facebook & Co. gerade die Giganten der Zukunft heran. Darauf will Deutschland nun mit Staatseingriffen in die Wirtschaft reagieren. So soll ein staatlicher Beteiligungsfonds eingerichtet werden, der sich „vorübergehend“ an Unternehmen beteiligt, um sie vor feindlichen Übernahmen zu schützen.

Das ist aber längst nicht alles: Der Staat solle nach den Plänen Altmaiers eine führende Rolle bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz einnehmen und im Namen der Steuerzahler milliardenschwere Subventionen ausschütten. Mit anderen Worten: Deutschland will ein bisschen mehr China sein. Während gerade mit einer aberwitzigen Diesel-Hatz der wichtigste Industriezweig zertrümmert wird, sollen Staatsbedienstete neue Technologien aufspüren und die deutsche Industrie vor der feindlichen Übernahme schützen. Ganz so, als hätten Regierungen gesicherte Informationen darüber, welche Investitionen es heute in welche Produkte braucht, um in zehn bis 30 Jahren erfolgreich zu sein.

Warum haben wir denn in Europa kein Google? Kein Amazon und kein Microsoft? Weil wir zu wenig Staatseinfluss in der Wirtschaft haben? Weil die öffentliche Hand zu wenig Anteile an wichtigen Unternehmen hält? Nein.

Doch nicht nur in Deutschland steht der Staat vor einem Comeback in der Wirtschaft. Auch in Österreich will die öffentliche Hand über die ÖBAG (die frühere ÖIAG) wieder Anteile an Unternehmen zukaufen. „Mehr privat – weniger Staat!“ war gestern. Was eingefleischte Sozialdemokraten kaum noch zu träumen wagen, setzen die Konservativen in Österreich und Deutschland nun in die Tat um. Das Ganze wäre noch irgendwie zu verstehen, hätte der Staat im Führen von Unternehmen einen „track record“ vorzuweisen. Hat er aber nicht. Was Konservative nicht davon abzuhalten scheint, sich langsam, aber sicher von der Marktwirtschaft zu verabschieden. Selbst in liberalen Parteien werden Bekenntnisse zur Marktwirtschaft nur noch geflüstert oder von einem großen „Aber“ begleitet.

Was wäre denn die Alternative? Ein bisschen Kommandowirtschaft à la China? Dabei sind die Herren Bill Gates, Larry Page oder Jeff Bezos keineswegs von staatlichen Beteiligungsfonds entdeckt, geschweige denn großgezogen worden. Sie haben ein risikoaffines, innovations- und vor allem ein unternehmerfreundliches Umfeld vorgefunden und dieses genutzt. Also genau das, wovon es in Europa immer weniger gibt. In unseren Breiten werden Selbstständige von der Politik als Gefahr auf zwei Beinen gesehen, profitgierige Individuen, die nichts anderes im Sinn haben, als ihre Kunden und Beschäftigten abzuzocken.

Weshalb sie immer stärker an die Kandare genommen werden. Kaum ein Tag, an dem nicht nach einem neuen Verbot, nach einer neuen Regulierung gerufen wird, um einem Leben ohne Risiko etwas näherzukommen. So ein Leben gibt es aber nicht. Vor allem wachsen in so einem Leben keine Innovationen heran.

Nun ist es völlig legitim, zu fragen, wie die neuen Giganten der digitalisierten Welt zu besteuern sind. Aber die viel wichtigere Frage lautet doch: Warum haben wir denn in Europa kein Google? Kein Amazon und kein Microsoft? Weil wir zu wenig Staatseinfluss in der Wirtschaft haben? Weil die öffentliche Hand zu wenig Anteile an wichtigen Unternehmen hält? Nein. Sondern weil in Europa immer mehr Politiker vergessen, wie Wohlstand entsteht: Indem die Verbraucher vor großen Kartellen und dominanten Konzernen geschützt werden, Wettbewerb ermöglicht wird und der direkte Einfluss des Staates auf die Wirtschaft möglichst klein bleibt. Aber wie gesagt: Früher war die Sache eben noch recht einfach.

Franz Schellhorn ist Direktor des Thinktanks Agenda Austria.