profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Verkaufte Jugend

Kommenden Mittwoch wird für die Pensionisten ein üppiges Vorwahlgeschenk verpackt. Eine kleine österreichische Tragödie.

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Nun mag man ja noch verstehen, dass in Vorwahlzeiten keine Pensionsreform geplant oder gar beschlossen wird. Das, so ist immer wieder zu hören, käme einem politischen Selbstmord gleich. Aber zwischen nicht reformieren und das Problem sehenden Auges verschlimmern ist ein gewaltiger Unterschied. Denn genau darum geht es: Beim Pensionsgipfel am kommenden Mittwoch soll eine außertourliche, deutlich über der Inflationsrate liegende Erhöhung der Renten vereinbart werden. Wer weniger eingezahlt hat (also früher in Pension ging), darf mit einem deutlich höheren Plus rechnen als jene, die länger und mehr eingezahlt haben.

Um nicht falsch verstanden zu werden. Jeder Bürger in diesem Land gönnt allen Pensionisten ein gutes Auskommen, und niemand will Altersarmut. Aber womit wir es hier zu tun haben, ist nicht die Behebung einer monetären Notlage älterer Jahrgänge, sondern die gezielte Wählerbestechung der Pensionisten auf Kosten der Jungen. Immerhin sind vier von zehn Wählern über 55 Jahre alt. Deshalb werden Pensionserhöhungen nach Gutsherrenart verteilt. Gerne übersehen wird dabei, dass das österreichische Pensionssystem nach dem Versicherungsprinzip organisiert ist. Jeder Erwerbstätige zahlt im Laufe seines Arbeitslebens in das Pensionssystem ein, um nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben eine Pension ausgezahlt zu bekommen. Mit den Einzahlungen der Aktiven werden die laufenden Renten gezahlt, die Differenz wird aus dem Bundesbudget abgedeckt.

Dahinter steht die Idee, dass jeder, der bis 65 arbeitet und 45 Jahre ins Pensionssystem eingezahlt hat, im Ruhestand 80 Prozent seines durchschnittlichen Bruttolohns bekommt. Die Realität: Die Menschen zahlen hierzulande im Schnitt 31,5 Jahre ein und bekommen 23 Jahre lang eine Pension ausbezahlt. Das relativiert die immer wieder gehörten Sätze „Wir haben lange genug gearbeitet und eingezahlt“ oder „40 Beitragsjahre müssen genug sein“. Zumal es angesichts der steigenden Lebenserwartung absehbar ist, bis die Zahl der Beitragsjahre so hoch sein wird wie jene der Pensionsjahre.

Obwohl die Bürger dieses Landes weltrekordverdächtig früh in Pension gehen, zählen die Pensionen zu den höchsten weltweit. Immer wieder schielen deutsche Pensionisten neidisch auf den kleinen Nachbarn, wenn in diversen Medien vom „Pensionswunder Österreich“ die Rede ist.

2050 stehen einem Pensionisten nur noch 1,15 Einzahler gegenüber.

Das heißt aber nicht, dass alle Pensionisten wie die Götter in Frankreich leben. Österreich leistet sich nämlich ein Kastensystem, das für schwere Verwerfungen sorgt. Hier die breite Masse, die tagtäglich im harten Wind des Wettbewerbs steht und im Schnitt mit rund knapp 1400 brutto Pension im Monat rechnen kann. Dort die vor allen Unsicherheiten des Berufslebens geschützten Beamten, die es im Schnitt auf 3500 Euro brutto im Monat an Pension bringen. Hinzu kommt, dass es für Letztere keine Obergrenze gibt. Wenn also von „Luxuspensionen“ die Rede ist, sind immer die Ruhestandsbezüge früherer öffentlich Bediensteter gemeint.

Das alles wissen die Abgeordneten zum Nationalrat. Sie wissen auch, dass heute auf einen Pensionisten nur noch 1,7 Einzahler kommen. Ihnen ist bekannt, dass es im Jahr 2050 nur noch 1,15 sein werden. Nur eines wissen sie nicht: Wie die Erwerbstätigen des Jahres 2050 einen Pensionisten erhalten, die Pflege der Eltern bezahlen und nebenbei auch noch die Kosten für ihr eigenes Leben decken sollen. „Wird schon irgendwie gut gehen“, lautet die Devise, der Staat spekuliert auf eine Produktivitätsexplosion. Aber hat Österreich in der digitalisierten Welt von morgen tatsächlich die besten Karten? Und ist nicht die Angst vieler Menschen völlig berechtigt, dass die nachkommenden Generationen auf den hohen Staatsschulden und den Kosten der sozialen Sicherungssysteme sitzen bleiben, während die Wertschöpfung längst in andere Teile der Welt abgewandert ist?

Fragen dieser Art sind nicht erwünscht. Die Pensionen müssen kräftig erhöht werden. Punkt. Die Menschen haben schließlich genug geleistet. Das mag sein – sie haben nur nicht lange genug eingezahlt. Wer das so sieht, gilt hierzulande aber als hartherzig und unsozial. Wie etwa der Abgeordnete Gerald Loacker, der sich täglich dafür beschimpfen lassen darf, ziemlich einsam die Problemlage künftiger Einzahler zu thematisieren. Wer diese ignoriert und applaudiert, wenn ein weiterer ungedeckter Scheck auf Rechnung nachkommender Generationen ausgestellt wird, ist hingegen ein Netter, ein Guter, fürsorglich und warmherzig.

Das alles bedeutet nicht, dass die Pensionen nicht erhöht werden sollen. Es bedeutet nur, dass man nicht immer noch extra etwas drauflegen muss, um die größte Wählergruppe des Landes bei Laune zu halten. Und wenn man schon glaubt, das tun zu müssen, wäre eine begleitende Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung nicht zu viel verlangt. Um sicherzustellen, dass nachkommende Zahler die Lasten der Altersversorgung noch tragen können. Alles andere ist nicht zu verstehen, nicht einmal in Vorwahlzeiten.

Franz Schellhorn ist Direktor des Thinktanks Agenda Austria.