Gastkommentar

Frauen: das ungenutzte Potenzial

Die Demografie schlägt am Arbeitsmarkt immer mehr durch. Und dennoch lassen wir ein großes Arbeitskräftepotenzial brachliegen.

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In den nächsten zehn Jahren werden viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden und in Pension gehen. Diese demografische Entwicklung stellt eine große Herausforderung für den Arbeitsmarkt, aber auch für die Finanzierung des Pensionssystems und – zeitlich nachgelagert – des Pflegesystems dar. Umso dringlicher ist es, das Arbeitskräftepotenzial der Menschen im erwerbsfähigen Alter zu erhöhen. Schließlich hängt der Wohlstand einer Gesellschaft maßgeblich von der insgesamt erbrachten Arbeitsleistung ab.

Ein in den letzten Monaten intensiv diskutierter Ansatz ist, teilzeitbeschäftigte Frauen dabei zu unterstützen, ihre Arbeitszeit am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Aus den Daten des Mikrozensus wissen wir, dass für Frauen Betreuungspflichten ein wesentlicher Grund für eine Teilzeitbeschäftigung sind. Kein Wunder: In weiten Teilen Österreichs lässt die Kinderbetreuung in Kindergärten und Volksschulen eine Erwerbstätigkeit der Eltern nur eingeschränkt zu. Unzureichende Öffnungszeiten, Schließzeiten und für Schulkinder rund 16 Wochen Ferien – dem steht ein Urlaubsanspruch von fünf Wochen pro Elternteil gegenüber. Darüber hinaus gibt es noch immer viele Regionen, in denen es kaum Nachmittagsbetreuung für kleinere Kindergartenkinder gibt. Eine weitere Tatsache ist, dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als ihre Partner, was die Entscheidung, wer Vollzeit und wer Teilzeit oder gar nicht arbeitet, bestimmt. Und dann gibt es noch ein qualitatives Argument: Auch wenn die meisten Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sehr engagiert sind, sind die Betreuungsschlüssel einfach unzureichend – oft betreuen zwei Personen eine Gruppe von 25 Kindergartenkindern. In vielen Volksschulen fehlen Raum und Ressourcen für eine ausreichende Nachmittagsbetreuung, in den Unterstufen der Sekundarstufe ist die Situation oft noch gravierender.

Mehr Väterbeteiligung nötig

Ein wesentlicher Hebel zur Erhöhung der individuellen Arbeitszeiten ist daher ein qualitativ hochwertiger und bezahlbarer Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter zwölf Jahren.

Die empirische Forschung zeigt aber, dass dies allein nicht ausreicht. Es geht auch darum, für eine stärkere Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung zu sorgen: Sei es durch längere Karenzzeiten für Männer durch eine Stärkung des „use it or lose it“-Prinzips, aber auch durch eine stärkere Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung am späten Nachmittag, wenn die Kinder aus der Schule oder dem Kindergarten nach Hause kommen. Von Zeitverwendungserhebungen wissen wir, dass Frauen insgesamt mehr Stunden arbeiten als Männer, wenn man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammenzählt.

Tatsächlich ist der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen ist in Österreich sehr hoch: Etwa die Hälfte der Frauen arbeitet Teilzeit, bei den Männern ist es etwa ein Achtel. Dies hat viel mit Anreizstrukturen und Rahmenbedingungen zu tun, die es zu diskutieren gilt. Teilzeitarbeit ist aber auch Ausdruck einer Flexibilisierung aufseiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch aufseiten der Unternehmen. Viele Arbeitsplätze werden deshalb nur in Teilzeit angeboten.

Fakt ist, dass es in Österreich ein großes Arbeitskräftepotenzial gibt: Es gibt mehr als 80.000 Nichterwerbspersonen, die gerne erwerbstätig wären, und mehr als 200.000 Teilzeitbeschäftigte, die ihre Arbeitszeit gerne ausdehnen würden. Und mit den richtigen finanziellen Anreizen (zum Beispiel durch eine Abgabenentlastung) würden vermutlich auch viele Ältere länger erwerbstätig bleiben. Fakt ist aber auch, dass das Abgaben- und Steuersystem Sprungstellen hat, die sich problematisch auf den Anreiz auswirken, die individuelle Arbeitszeit zu erhöhen. Zum Beispiel die Geringfügigkeitsgrenze, die Staffelung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder die Steuerstufen.

Ein weiterer Baustein zur Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials ist eine effektivere Förderung von Kindern aus bildungsfernen Familien. Hier gilt es, die Abbrecherquoten zu senken und sie bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Bei den Älteren sind gesundheitliche Präventionsmaßnahmen und frühzeitige Umschulungsmöglichkeiten wichtige Handlungsfelder, die aufgrund der Alterung der Gesellschaft in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen werden.

Zur Person

Ulrike Famira-Mühlberger ist Ökonomin und forscht zum Thema Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). 

Ulrike  Famira-Mühlberger

Ulrike Famira-Mühlberger