Georg Hoffmann-Ostenhof: Die neuen Kriegstreiber

Georg Hoffmann-Ostenhof: Die neuen Kriegstreiber

Die Gefahr, dass Amerika einen bewaffneten Konflikt anzettelt, ist so groß wie schon lange nicht mehr.

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Erinnern Sie sich an die Neocons – an jene Gruppe von konservativen amerikanischen Intellektuellen, die Anfang des Jahrhunderts als Regierungsberater und einflussreiche Publizisten den so desaströsen Irakkrieg mitverantworteten? Sie waren die Einflüsterer des Präsidenten George W. Bush und lieferten diesem die Ideologie für den Einmarsch: Amerika habe die weltpolitische Mission, die Menschen von der Diktatur zu befreien, der Irak werde – so verhießen die Neocons – dank US-Intervention zum Leuchtturm der Demokratie in Nahost.

Bekanntlich entpuppte sich der Kriegsgrund – Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen – als Fake News, die Iraker empfingen die US-Soldaten mitnichten als Befreier, und statt Demokratie waren Chaos und Bürgerkrieg die Folge der US-Intervention.

16 Jahre danach: Wieder liegt Krieg in der Luft. Die Konflikte eskalieren überall. Vor allem jener mit dem Iran. Und wer sind diesmal die amerikanischen Kriegstreiber?

Die Neocons von damals befinden sich heute im Anti-Trump-Lager.

Die Neocons von damals nicht. Viele von ihnen, wie etwa David Frum, der als Redenschreiber Bushs den Slogan „Achse des Bösen“ erfunden hatte, und Bill Kristol, der einstige Herausgeber der legendären, inzwischen eingestellten konservativen Zeitschrift „Weekly Standard“, befinden sich heute im Anti-Trump-Lager.

Es ist der ultrarechte Fernsehsender Fox-TV, der dem Präsidenten die Ideen, auch in der Außenpolitik, gibt. Und in der Regierung haben im dritten Trump-Jahr Hardliner das Sagen: Der ehemalige CIA-Chef Mike Pompeo führt das Außenministerium. Und John Bolton, der Träger eines beeindruckenden Schnauzers, der seit 20 Jahren geradezu obsessiv für einen Militärschlag gegen den Iran wirbt, ist als Nationaler Sicherheitsberater die zentrale Figur der amerikanischen Außenpolitik.

Vom Konservativismus der Neocons unterscheidet sich jener von Bolton grundsätzlich. Dieser „glaubt, dass die nationalen Interessen Amerikas nicht deshalb zu verteidigen sind, weil sie tugendhaft – förderlich für Demokratie und Freiheit –, sondern weil sie die unseren sind“, schreibt der amerikanische Starpublizist Fareed Zakaria in der „Washington Post“: „Diese Sicht wurzelt in einem kulturellen Chauvinismus, der sich leicht zum Rassismus auswächst.“

Das Freiheits- und Demokratieversprechen, das Amerika nach 1945 groß gemacht hat, wird von Washington nicht mehr gegeben.

Bush und seine neokonservativen Ideengeber wollten – zumindest in ihrer Propaganda – dem „Ende der Geschichte“ des Amerikaners Francis Fukuyama, wonach die ganze Welt für immer liberal-demokratisch und marktwirtschaftlich-kapitalistisch wird, militärisch zum Durchbruch verhelfen. Trump und seine Falken aber haben vor, den „Clash of Civilizations“, den Samuel Huntington, ein anderer US-Theoretiker, Anfang der 1990er-Jahre beschwor, mit Waffengewalt endgültig zu gewinnen. Es gelte, die weiße, sprich: amerikanische Weltherrschaft gegen den Ansturm der Schwarzen, Gelben und Braunen zu verteidigen.

Das Freiheits- und Demokratieversprechen, das Amerika nach 1945 groß gemacht hat, wird von Washington nicht mehr gegeben. Im Gegenteil. Trump zeigt ein perverses Faible für die Autokraten dieser Welt. In den USA selbst scheint er mit Demokratie auch nichts am Hut zu haben. Er nimmt gerade den Rechtsstaat unter Beschuss, attackiert frontal die Medien und zeigt unverkennbar diktatorische Gelüste.

Auf militärische Abenteuer schien Trump zu Beginn seiner Amtszeit nicht aus zu sein. Der einstige Kritiker des Irakkriegs favorisierte eher die Rückholung der amerikanischen Soldaten – aus Syrien, aus Afghanistan, sogar aus Europa. Aber er ist unberechenbar. Da drohte er schon mal mit Bomben, mit „Fire and Fury“, um im nächsten Augenblick zu spektakulären Gipfeln – wie im Falle Nordkoreas – zu laden, die dann aber zu wenig führen.

So wenig bereit, in einen Krieg zu ziehen, war die amerikanische Bevölkerung schon lange nicht mehr

So unbeleckt in außenpolitischen Belangen, so impulsiv ist er in seinem Umgang mit anderen Ländern und deren Führern. Das hat in der ersten Zeit noch zu keiner flagranten Kriegsgefahr geführt. Auch weil er in seinem Regierungsteam nicht wenige Militärs hatte, die zwar auch keine pazifistischen Lämmchen sind, aber ihn zügelten, wenn sie die Gefahr sahen, dass die USA unkontrolliert in einen Waffengang schlittern.

Die „vernünftigen“ Generäle auf den Posten des Pentagon-Chefs und des Sicherheitsberaters, die darauf aufpassten, dass Trump nichts Verrücktes tut, hat er inzwischen geschasst. Auch der traditionell-konservative ehemalige Ölmanager Rex Tillerson musste als Außenminister gehen. Und jetzt regieren mit Pompeo, Bolton und Co. die rechtsextremen Eiferer, die mit den isolationistischen Tendenzen ihres Chefs nichts anzufangen wissen, aber an jeder denkbaren Eskalationsschraube drehen und nur darauf warten, dessen Impulsivität auszunützen, um die Waffen sprechen zu lassen.

PS: Sollte der innenpolitisch zunehmend in Bedrängnis geratende Donald Trump darauf setzen, mit dem Angriff auf einen Außenfeind die Amerikaner dazu zu bringen, ihn 2020 doch noch einmal ins Weiße Haus zu schicken, könnte er sich freilich verspekulieren. So wenig bereit, in einen Krieg zu ziehen, war die amerikanische Bevölkerung schon lange nicht mehr. Das zeigen die Umfragen.

Georg Hoffmann-Ostenhof