Georg Hoffmann-Ostenhof: Moskau, Ibiza, Rom

Russisches Öl, Italiens Rechtsextreme – und die wenig erfolgreiche Europastrategie des Kreml.

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Am vergangenen Mittwochnachmittag twitterte ich: „BREAKING. Da ist das Ibiza-Video nichts dagegen: In einem Tonmitschnitt aus dem Moskauer Hotel Metropol hört man, wie Salvini- und Putin-Leute beschließen, die rechtsextreme Lega mit Multimillionen-Kickbacks aus russisch-italienischen Ölgeschäften zu finanzieren. Aufregend.“ Und ich setzte einen Link zu einem kurz zuvor auf Twitter verbreiteten Artikel der Online-Plattform „BuzzFeed News“, der diese abenteuerliche Story in allen Details erzählt.

Die Reaktion war gewaltig. Meine Timeline explodierte. Wie wild wurde „Gefällt mir“ und „Retweet“ geklickt. Die Geschichte wurde sofort ein Hit in den sozialen Medien.

Bei der heimischen Presse hingegen kam sie zunächst nicht wirklich an. Was der „New York Times“ am Donnerstag einen großen Artikel an prominenter Stelle wert war und worüber auch in Deutschland sofort ausführlich berichtet wurde, fand am gleichen Tag in den österreichischen Zeitungen, wenn überhaupt, meist bloß als kurze Meldung auf den hinteren Seiten Platz. Seltsam. Erst mit einem Tag Verspätung nahm sich dann die hiesige Presse des Themas an.

Dabei war das Treffen in Russland, das im Oktober 2018 stattfand, im Unterschied zu jenem auf den Balearen nicht inszeniert, sondern ganz real, die Gesprächspartner der Italiener waren offenbar echte Kreml-Leute. Und es ging dabei um wirklich viel Geld.

Der Deal, über den der Salvini-Vertraute Gianluca Savoini mit den Russen verhandelte, sollte der Lega als führender Kraft der europäischen Rechtsnationalisten offenbar monatliche Euro-Tranchen in die Wahlkampfkassen für die EU-Wahl spülen. Der Plan: Ein russischer Konzern verkauft drei Millionen Tonnen Öl im Wert von drei Milliarden Euro an den italienischen Ölkonzern Eni. Durch Rabatte fließen bei diesem Geschäft insgesamt 65 Millionen Euro an die Lega.

Wenige Stunden nach der Veröffentlichung des „BuzzFeed“-Artikels dementierte Salvini: „Ich habe noch nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Vodka aus Russland genommen.“

Ob nun tatsächlich Geld geflossen ist oder nicht, wird sich erst herausstellen. Klar ist aber: Sollten sich die Tonaufnahmen als echt erweisen, wovon auszugehen ist, wäre das der erste handfeste Beleg für den Versuch Moskaus, über flächendeckende Propaganda und gezielte Desinformation hinaus direkten Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen; ein klarer Hinweis für etwas, was man zwar immer schon annahm, aber nicht belegen konnte: dass die nationalistische Rechte in Europa sich von Wladimir Putin finanzieren lässt. Oder dazu nur allzu bereit ist.

In kaum einem anderen westeuropäischen Land schlägt Putin so große Sympathie entgegen wie in Österreich.

Wieso aber reagierte die österreichische Presse so zögerlich auf den Salvini-Skandal? Vielleicht hat das mit den Redaktionsschlüssen zu tun, oder mit Personalmangel. Mag sein. Aber könnte da nicht auch ein wenig Klimatisches mitspielen?

Nehmen wir Ibiza. Klar wurde da der Skandal gesehen, dass Strache, Gudenus und Co. Österreich an die Russen verscherbeln wollten. Aber in der Öffentlichkeit wurden sehr bald die illegalen Parteispenden im Allgemeinen – unter dem Motto: Alle tun’s – ins Zentrum des Interesses gerückt. Und bei allen Spekulationen über mögliche zukünftige Koalitionen bleibt die FPÖ im Spiel. Die Tatsache, dass die FPÖ willige Vollstreckerin der Putin-Politik in Österreich und Europa sein will, sich also als fünfte Kolonne Moskaus geriert, gilt nicht als selbstverständlicher Ausschlussgrund. Und das hat seine Hintergründe.

In kaum einem anderen westeuropäischen Land schlägt Putin so große Sympathie entgegen wie in Österreich. Bei seinen zahlreichen Staatsbesuchen wird er geradezu gefeiert. Die führenden österreichischen Unternehmer wollen dem russischen Präsidenten lieber heute als morgen seinen Herzenswunsch erfüllen, die EU-Sanktionen aufzuheben. Die österreichischen Politiker von rechts bis links detto. Und wenn diese ihr Amt verlassen, finden sie sich – von Wolfgang Schüssel über Alfred Gusenbauer bis Hans Jörg Schelling – nicht selten auf lukrativen Aufsichtsratsposten Kreml-naher Konzerne wieder.

Immerhin stürzte die türkis-blaue Regierung über Ibiza. Die Rechtsregierung in Rom dürfte über das Moskauer Audiotape nicht stolpern, da sind sich alle einig. Dazu sind Italiener, was politische Moral betrifft, zu sehr abgehärtet. Und der „neue Duce“ Salvini mag zwar in Bedrängnis geraten, ernsthaft gefährdet ist er nicht. Dazu befindet er sich noch zu sehr im Aufstiegsmodus.

Beruhigen mag freilich, dass Putins subversive Europapolitik letztlich so wenig erfolgreich ist. Seine rechtsextremen Protegés haben bei den EU-Wahlen schlechter abgeschnitten als erwartet. Im neuen Brüsseler Führungspersonal, über das am kommenden Dienstag in Straßburg abgestimmt wird, befindet sich kein Einziger, der die Sanktionen gegen Russland infrage stellt. Europa ist in seiner Politik gegenüber Moskau geschlossener denn zuvor. Das Kalkül Putins, die EU mit allen Mitteln zu spalten und zu schwächen, geht nicht auf. Bisher zumindest.

Georg Hoffmann-Ostenhof