Georg Hoffmann-Ostenhof: Pussy Riot

Sollte Donald Trump je aus dem Weißen Haus vertrieben werden, dann wird das ein Erfolg der Frauen sein.

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Für den amerikanischen Feminismus war es ein schwarzer Tag: Am 8. November 2016 verlor eine emanzipierte Frau und erfahrene Politikerin gegen einen misogynen TV-Showmaster und Politdilettanten die Präsidentenwahl. Nicht die Demokratin Hillary Clinton, sondern der Republikaner Donald Trump zog ins Weiße Haus ein. Und nicht genug damit: Für diesen Dirty Old Man der Sonderklasse, für diese grausige Karikatur eines Macho, hatten 42 Prozent der weiblichen Wähler, von den weißen Frauen sogar 53 Prozent, gestimmt. Man war bestürzt: Ein gewaltiger Backlash auf dem langen und steinigen Weg zur Frauenbefreiung – so wurde der Trump-Sieg damals empfunden.

Ein Jahr danach zeigt sich nun deutlich, dass die Gegenbewegung nicht ausgeblieben ist, quasi ein Backlash zum Backlash unterwegs ist. Bei den wichtigen Gouverneurs- und Parlamentswahlen im Bundesstaat Virginia am 8. November 2017, also genau ein Jahr nach der Präsidentenwahl, spielten die Frauen groß auf. Die Zahl der weiblichen Abgeordneten stieg von 17 auf 27 – unnötig zu sagen, dass deren Mehrheit Kandidatinnen der Demokraten waren. Unter diesen befindet sich auch Daniela Roem, die Transgender-Frau, die gegen jenen Republikaner gewann, der sich stolz als "chief homophobe" bezeichnet hatte. Auch sonst: Bei Urnengängen in anderen Bundesstaaten konnten Frauen in mehreren Städten erstmals das Bürgermeisteramt erobern.

All diese Wahlsiege sind natürlich nicht vom Himmel gefallen. Erinnern wir uns: Schon einen Tag nach der Angelobung Trumps machte der "Women’s March on Washington" Furore. Diese Anti-Trump-Kundgebung für "Menschen- und Frauenrechte" stellte, gemeinsam mit den Demos in 650 weiteren US-Städten, einen Rekord auf: So viele Protestierende waren in der amerikanischen Geschichte noch nie gleichzeitig auf die Straße gegangen.

Es blieb nicht dabei: Aus diesem beeindruckenden Massenprotest ist eine dezentrale Bewegung gegen Frauenfeindlichkeit und Rassismus gewachsen, sind Tausende von Widerstandsgruppen gegen die Politik der Trump-Regierung entstanden. Und diese sind eindeutig weiblich dominiert. Das linke, liberale Graswurzel-Netzwerk ist heute um ein Vielfaches größer als die sogenannte Tea Party, jene überaus effektive Rechts-Außen-Bewegung von vor wenigen Jahren, die letztlich den ideologischen Boden für Trumps Sieg schuf und dem Trumpismus sein Personal lieferte.

Und die Online-Zeitung "Slate" berechnete, dass landesweit inzwischen mehr als 20.000 Frauen ihre Kandidatur bei Wahlen zu öffentlichen Ämtern angemeldet haben. Das sei "ein gigantischer Anstieg".

Womanpower auf dem Vormarsch. Ein zusätzlicher Schub kam noch durch Harvey Weinstein. Im Oktober wurde bekannt, dass der mächtige Hollywood-Produzent unzählige Frauen – darunter auch Stars wie Angelina Jolie und Gwyneth Paltrow – sexuell belästigt oder gar vergewaltigt hat. Gewiss: In den vergangenen Jahren wurden bereits ähnliche Anschuldigungen gegen Fernsehgrößen, Medienmagnaten und Politiker erhoben. Jetzt ist aber alles anders. Bisher waren das vereinzelte Skandale. Nun beginnen Frauen massenhaft an die Öffentlichkeit zu gehen, um über die Misshandlungen zu sprechen, die sie durch machtvolle Männer erleiden. Und diesmal hört man ihnen zu, glaubt ihnen. "Wir sind inmitten eines einmaligen Moments der modernen Geschichte angelangt", diagnostiziert pathetisch David S. Cohen in der US-Zeitschrift "Rolling Stone".

Weinstein selbst wurde von Hollywood exkommuniziert. Berühmte Schauspieler beenden ihre Karrieren mitten in Dreharbeiten. Im US-Kongress müssen sich Abgeordnete aller politischer Schattierungen vor Ethik- Kommissionen für ihr Grapschen verantworten. Und Roy Moore, der republikanische Kandidat für den Gouverneursposten in Alabama, dessen aktive Vorliebe für pubertierende Mädchen nun bekannt wurde, hat kaum mehr Chancen, die Wahl in diesem zutiefst republikanischen Bundesstaat zu gewinnen.

Trump als Pussy-Grabber trat in den Hintergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit. Bis jetzt.

Und Donald Trump? Bekanntlich hat er sich einst damit gebrüstet, als Star mit Frauen alles machen zu können, was er will, auch ihnen zwischen die Beine zu greifen ("grabbing the pussy"). Dass er dies und Ähnliches auch tatsächlich tut, warfen ihm während des Präsidentenwahlkampfs über ein Dutzend Frauen vor. Sie hatten ihre schmerzhaften Erfahrungen mit ihm. Dieser Skandal bekam aber mit der Russian-Connection, mit seinem Rassismus und vielen andere Affären Konkurrenz. Trump als Pussy-Grabber trat in den Hintergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit. Bis jetzt.

Konservative Wählerinnen konnten sich vergangenes Jahr noch einreden, die Anschuldigungen gegen den republikanischen Kandidaten seien Teil einer dunklen linken Verschwörung von Hillary Clinton und Co. Jetzt aber, wo der Weinstein-Tsunami alle erfasst, Demokraten gleichermaßen wie Republikaner, Linke wie Rechte, beginnen auch Trump-Anhängerinnen ihren Geschlechtsgenossinnen zu glauben, die den Präsidenten beschuldigen, sie einst misshandelt oder genötigt zu haben.

Als Donald Trump vergangene Woche gegenüber den Journalisten seine Unterstützung für Roy Moore, den Teenager-Grabscher von Alabama, verkündete, sinnierte er: "Frauen sind sehr speziell. Ich glaube es ist eine spezielle Zeit, viele Dinge kommen raus."

Da hat er einmal die Wahrheit gesagt. Wahr ist aber auch: Wenn Trump einmal aus dem Weißen Haus vertrieben sein wird, dann werden es speziell die Frauen gewesen sein, die ihn zu Fall gebracht haben.

Georg Hoffmann-Ostenhof