Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Unser guter Werner

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Man wusste ja, dass „Der Spiegel“ den Euro nicht mag. Mit welchem Furor das deutsche Nachrichtenmagazin der gemeinsamen Währung nach dem Leben trachtet, zeigte kürzlich erst eine Online-Medienzeitung mit dem Namen „Meedia“: Sie stellte die den Euro und die EU betreffenden „Spiegel“-Covers der vergangenen zwei Jahre zusammen.

Die Titelzeilen aneinandergereiht ergeben eine einzige Untergangslitanei, ein Todesthema mit Variationen: „Die ­Euro-Lüge“, „Euroland abgebrannt“, „Die Schuldenfalle: Wie viel Griechenland können wir uns noch leisten?“, „Das letzte Gefecht: Wie Europa seine Währung ruiniert“, „Plötzlich und erwartet: Nachruf auf eine gemeinsame Währung“, „Die Geldbombe: Wie aus einer großen Idee eine Gefahr für Europa werden konnte“, „Akropolis, adieu: Warum Griechenland jetzt den Euro verlassen muss“, „Wenn der Euro zerbricht“, „Vorsicht Inflation: Die schleichende Enteignung der Deutschen“.

Auch die Chefgrafiker des „Spiegel“ haben ganze Arbeit geleistet: Da sieht man Euromünzen und -scheine, wie sie zerschossen werden, explodieren – oder schmelzen, wie das Blei zu Silvester. Ginge es nach dem „Spiegel“, müsste der Euro längst das Zeitliche gesegnet haben. Hat er aber nicht. Und wenn es sich die Redakteure des deutschen Blattes noch so wünschen.
Nun wird wohl eingewendet werden, dass die doch nur die triste Realität Europas abgebildet haben. Das greift zu kurz. Man muss kein Psychoanalytiker oder Demoskop sein, um zu wissen, dass Prognosen meist auch Wünsche widerspiegeln. Wenn das Wochenmagazin auch nur ein bisschen das ausdrückt, was seine Leserschaft, der deutsche Mittelstand, denkt, kann man verstehen, mit welchem Zögern und Bremsen die auf Wiederwahl erpichte Kanzlerin Angela Merkel immer wieder jedem Vorschlag nach weiteren europäischen Integrationsschritten begegnet ist.

Gewiss kann man noch nicht aufatmen. Die Krise ist nicht vorbei. Da lauern noch immer an allen Ecken und Enden Gefahren – vor allem im Süden des Kontinents. Aber in den vergangenen Wochen ist die Fünf-vor-zwölf-Stimmung verflogen.

Die leichte Entspannung hat auch gute Gründe. „Unbegrenzte Mittel“ wird die Europäische Zentralbank im Notfall zur Verfügung stellen, beschloss Anfang Oktober deren Führung. Kurz danach konnte endlich der Rettungsfonds EMS, eine Art europäischer Währungsfonds, etabliert werden. Trotz Widerständen sind die Weichen hin zu einer Bankenunion gestellt. Und vergangene Woche haben sich elf EU-Mitglieder zusammengeschlossen, um das auf den Weg zu bringen, was noch vor nicht allzu langer Zeit bloß Herzensangelegenheit von so marginalen Gruppierungen wie der Attac-Bewegung war: die Finanztransaktionssteuer – im angelsächsischen Raum oft auch anschaulicher „Robin Hood Tax“ genannt.

Sukzessive geben sich offenbar die europäischen Institutionen jene Instrumente in die Hand, die sie so dringend benötigen. Ein wichtiger Anfang ist jedenfalls gemacht. Dabei ist die Finanztransaktionssteuer besonders viel versprechend. Nicht dass sie real so Gewaltiges bewirken würde. Aber symbolisch sei ihre Einführung geradezu revolutionär, argumentiert der französische Publizist Bernard Guetta: Wie immer sie im Konkreten aussehen werde, sie „ist die erste europäische Steuer – etabliert von einem wichtigen Teil der EU“: ein Einstieg in die europäische Steuerharmonisierung. Die Fiskalunion ist zumindest in Sicht.

Zudem ist die Einführung der „Robin-Hood-Steuer“ seit Langem wieder ein Schritt der europäischen Politik, der wirklich populär zu sein scheint und gleichzeitig den Willen signalisiert, die Politik, die in den vergangenen Jahrzehnten gegenüber den Märkten und der Finanzwelt so an Macht verloren hatte, wieder voll ins Spiel zu bringen.

Da muss man auch einmal jemanden loben, der in den vergangenen Monaten wegen seiner unanständigen Nähe zum Boulevard zu Recht sein Fett abbekommen hat – Kanzler Werner Faymann. Der legendäre „Krone“-Leserbriefschreiber, dem man seine populistische Europa-Skepsis vorwerfen konnte, hat sich bei der Finanztransaktionssteuer geradezu als Avantgardist betätigt. Die österreichische Regierung war unter seiner Führung treibende Kraft. Nicht nur das: Offenbar ist sein neuerdings betonter Europa-Enthusiasmus nicht mehr bloße Rhetorik.

Das macht nicht zuletzt ein Satz deutlich, den er vergangene Woche bei der Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, von sich gab: „Österreich profitiert bei den Zinsen für die Staatsschulden vom Elend anderer EU-Staaten, die aber gleichzeitig wichtige Exportmärkte sind. Also ist es für unsere Arbeitsplätze wichtig, diesen Ländern zu helfen, dass sie nicht von der Zinslast erdrückt werden.“ Die EU sei eben eine Solidargemeinschaft. Ähnliches kriegt man wohl in der „Krone“ nicht zu lesen. Auch im „Spiegel“ wird man nach solchen Sätzen vergeblich suchen. Faymann ist zu seinem so spektakulären Schwenk in der Europa-Politik zu gratulieren. Ein bisschen offensiver könnte er ihn der Öffentlichkeit dann aber doch präsentieren.

PS: Begrüßen wir die Verleihung des Nobelpreises an die EU! Geehrt wird damit das weltweit erfolgreichste Friedensprojekt des vergangenen halben Jahrhunderts. Und: Gerade in seiner Krise braucht Europa eine derartige Ermutigung.

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