Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Weggetreten, Neutralität!

Weggetreten, Neutralität!

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Zunächst ist die Causa Bundesheer überaus lustig. Allein schon die Geschichte der Debatte, die nun in die Volksbefragung Anfang kommenden Jahres münden wird, entbehrt nicht satirischer Elemente.

Erinnern wir uns: Da erfuhr Ende der neunziger Jahre die SPÖ, dass die ÖVP mit der Propagierung eines Berufsheers in den Wahlkampf gehen will. Das durfte nicht sein, dachte man im Hauptquartier jener Partei, die einst mit dem Kreisky-Slogan „Sechs Monate sind genug“ Triumphe gefeiert hatte. Die Sozialdemokraten stellten ihrerseits die Wehrpflicht zur Disposition. Doch die SPÖ war schlecht informiert. Wolfgang Schüssel hatte das Projekt schon aufgegeben: Die Bundesländer-Granden hatten sich erfolgreich quergelegt.

Lange war dann von einer Abschaffung der Wehrpflicht nicht mehr die Rede. Sie war für den SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos „in Stein gemeißelt“ – bis der Genosse Michael Häupl im Jahr 2010 etwas Zugkräftiges für die Wiener Wahl brauchte. Da erwies sich der Stein des Darabos’ als überaus weich. Die Partei schwenkte um. Null Monate sind genug.

Die ÖVP war ob der Verantwortungslosigkeit des burgenländischen Zivildieners empört. Nein, abstimmen lassen wolle man über diesen von den Sozis geplanten Anschlag auf die Sicherheit des Vaterlands nie und nimmer. Und dann erhielten Michael Spindelegger und Co vom mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll die Order, das Volk über die Zukunft unserer Armee entscheiden zu lassen. Im Jänner wird es dann so weit sein.

Man könnte direkt erschrecken, wenn man sieht, mit welch vordergründig-wahltaktischen Motiven die heimische Politik an so weitreichende Schicksalsfragen herangeht. Aber vergnüglich zu beobachten sind diese multiplen Rochaden in der Frage der Landesverteidigung noch allemal.
Gänzlich zur Farce wird es, wenn als Hauptargument für die allgemeine Wehrpflicht der Zivildienst ins Treffen geführt wird. Gibt es jenen nicht, dann könnten Rotes Kreuz, Caritas, Rettung und die anderen Sozialorganisationen ihre Aufgaben nicht erfüllen, wird argumentiert. Ach, ist das rührend: Als unpatriotisch-unmännliches Drückebergertum wurde der Zivildienst einst von jenen denunziert, die heute davor warnen, dass mit der Umstellung auf ein Berufsheer dieser ruiniert würde. Das hat fast schon eine philosophische Dimension: Die Notwendigkeit der Wehrpflicht wird mit ihrer Negation, dem Zivildienst, begründet.

Aber so skurril und unseriös der politische Weg hin zur Volksbefragung auch war – er scheint zu etwas Vernünftigem zu führen. Zu dem, was inzwischen fast alle europäischen Länder haben: eine moderne Profi-Armee. Es ist ja wirklich nicht einzusehen, warum das gerade bei uns ein unfinanzierbares Übel sein soll. So wird im Jänner wahrscheinlich auch die Mehrheit der Österreicher denken. Denn die rot-grün-orange Allianz für ein Berufsheer hat mit dem gesamten heimischen Boulevard mächtige Helfer bekommen. Aus welchen Gründen auch immer sich „Krone“, „Österreich“ und „Heute“ für die Abschaffung der Wehrpflicht ins Zeug legen – deren geballter Argumentationskraft wird sich die Bevölkerung wohl nicht entziehen können.

Zu früh sollen sich Werner Faymann und Eva Glawischnig aber nicht über ihren Sieg in der Heeresfrage freuen. Denn mit der Entsorgung des Anachronismus eines Volksheers wird gleichzeitig ein anderer Anachronismus infrage gestellt, der den Sozialdemokraten und Grünen mehr als anderen eine Herzenssache ist: die Neutralität.

Zwar gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen den beiden Fragen. Und viele SP-Politiker wissen noch gar nicht, worauf sie sich da einlassen. Aber weitsichtige Sozialdemokraten wie Heinz Fischer ahnen, dass mit dem Ende des Rekrutenheers die Neutralität bedroht ist. Kein Wunder, dass der Gralshüter dieses wertlosen Schatzes in der Hofburg Bedenken angesichts des sicherheitspolitischen Schwenks der SPÖ anmeldete. Er weiß offenbar, dass Eric Frey Recht hat, wenn er im „Standard“ schreibt: „Für die Landesverteidigung hat ein kleines Berufskorps nur dann einen Sinn, wenn es eng mit den befreundeten Nachbarstaaten zusammenarbeitet.“ Das werde aber durch das Festhalten an der Neutralität faktisch hintertrieben. Nur in einem militärischen Verbund kann eine Profitruppe von ein paar tausend Mann militärisch sinnvoll sein.

Das ist auch der Hintergrund, vor dem die allgemeine Professionalisierung der europäischen Armeen vor sich geht. Allein schon aus Spargründen ist in der EU die Bündelung von Fähigkeiten und die Teilung von Aufgaben angesagt. Und so sehr im Moment andere Fragen im Vordergrund stehen – die Weichen hin zum langfristigen Aufbau einer gemeinsamen europäischen Armee sind gestellt.

Spätestens wenn man – unter dem Druck der Währungs- und Finanzkrise – darangeht, die EU von Grund auf mit der Perspektive auf einen europäischen Bundesstaat umzubauen, wird auch die militärische Integration wieder auf der Tagesordnung stehen. Und dann schaut Österreich mit seiner nur mehr politpathologisch zu erklärenden Neutralitätsmarotte noch älter aus als jetzt schon. Sich endlich von ihr zu befreien wird dann unumgänglich. So gesehen, ist das aktuelle Bundesheerspektakel nicht nur ärgerlich oder amüsant, sondern auch überaus positiv zu bewerten.

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Georg Hoffmann-Ostenhof