Leitartikel: Herbert Lackner

Herbert Lackner Brauchen wir einen Präsidenten?

Brauchen wir einen Präsidenten?

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Die Versuchung, einen Leitartikel zu diesem Thema mit einem völlig unlogischen Satz zu beginnen, ist groß. Er würde lauten: Erwin Pröll war schlecht beraten, als er im Zuge seiner Sparvorschläge die Abschaffung des Amts des Bundespräsidenten anregte. Die Unlogik liegt im ersten Teil des Satzes: Natürlich war Erwin Pröll von niemandem beraten worden, weil er sich nicht gern raten lässt – ein Charakterzug, den er mit berühmten Sozialdemokraten wie etwa Alfred Gusenbauer und Michael Häupl teilt.

Dieser Typus des „political animal“ mag es nicht, wenn man ihm in wichtigen Belangen mit Tipps auf die Nerven geht. Bei Pröll geht die Resistenz so weit, dass er gut gemeinte Ratschläge von Freunden als feindlichen Akt auslegt, wie vor der Bundespräsidentenwahl 2010. Pröll hatte damals versucht, mithilfe der „Kronen Zeitung“ eine chancenreiche Kandidatur auf die Beine zu stellen. Alle wichtigen Parteifreunde, an der Spitze sein Neffe und Parteiobmann Josef, hatten ihm damals mit Verweis auf die Befunde sämtlicher Meinungsforscher vehement von einer Kandidatur abgeraten: Er könne die Wahl gegen einen Amtsinhaber, dem keine großen Fehler unterlaufen sind, nicht gewinnen, meinten sie; eine demütigende Wahlniederlage würde aber die ÖVP im Kernland Niederösterreich schwächen und seine eigene Biografie beflecken.
Erwin Pröll brach eher mit seinen Freunden als mit seiner Idee. Er gab diese erst auf, als sich die für ihn enttäuschenden Umfragedaten trotz monatelangen Trommelfeuers der „Krone“ gegen Heinz Fischer nicht besserten.

Dass Pröll also dringend von der Forderung abzuraten gewesen, das von ihm eben noch angestrebte Präsidentenamt durch ein System rotierender Minister zu ersetzen, die auf Zeit als Staatsoberhaupt fungieren, ist evident. Pröll hätte sich Hohn wie jenen in den „Salzburger Nachrichten“ erspart. Das Blatt hatte geätzt, man könnte doch auch National- und Bundesräte sowie die Landtagsabgeordneten mitrotieren lassen, wegen der großen Zahl halt mit sehr kurzer Amtszeit: „Von acht bis neun Uhr Schoiswohl, von neun bis zehn Uhr Speckbacher und so weiter.“

Nur zur Erinnerung: Der Bundespräsident war laut Verfassung von 1920 tatsächlich jener nur von der Bundesversammlung gewählte Grüß-August, den sich Pröll jetzt zurückwünscht. Damals hatten die Sozialdemokraten auf einem schwachen Präsidenten bestanden, weil sie keinen Ersatzkaiser wollten. Die Christlichsozialen und die mit ihnen verbündeten Heimwehren, die mit der parlamentarischen Demokratie nicht zurechtkamen, installierten in der Verfassungsnovelle 1929 einen starken Präsidenten als Gegengewicht zum Nationalrat. Die Sozialdemokraten bestanden darauf, das gestärkte Staatsoberhaupt per Volkswahl bestimmen zu lassen.

So sinister die antiparlamentarischen Absichten der politischen Rechten in der Ersten Republik auch waren – das Modell des ­direkt gewählten Präsidenten als zweite Machtsäule des Staats hat sich bewährt. Mehrfach haben Bundespräsidenten ihre Befugnisse segensreich für wichtige Korrekturen eingesetzt – das erste Mal Theodor Körner 1953, als er die von der ÖVP angestrebte Regierungsbeteiligung des VdU verhinderte: Kaum denkbar, dass eine Regierung mit einer Partei, in der Ex-Nazis den Ton angaben, zwei Jahre später den Staatsvertrag bekommen hätte. Weniger von historischer als von hygienischer Bedeutung war die Ablehnung einiger FPÖ-Ministerkandidaten durch Bundespräsident Thomas Klestil im Februar 2000.

Ein rotierender, nicht vom Volk direkt gewählter Präsidenten-Minister hätte nicht die Autorität gehabt, dies durchzusetzen.

Dennoch lässt sich die von Erwin Pröll losgetretene Debatte über das Präsidentenamt sinnvoll nützen. An der Wahl im Jahr 2010 nahmen wegen der klaren Ausgangslage gerade noch 50 Prozent der Wahlberechtigten teil. Danach wurde diskutiert, ob bei der Wiederkandidatur eines Präsidenten nicht anders vorgegangen werden könnte. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer konnte sich damals nur noch eine sechs Jahre währende einzige Amtsperiode – statt wie derzeit zwei – vorstellen. Bundespräsident Heinz Fischer war der Idee von nur noch einer, dann allerdings acht Jahre dauernden Amtsperiode nicht abgeneigt.

Beide Varianten sind nicht wirklich überzeugend: Warum soll ein Präsident, der sich Ansehen erworben hat, nach sechs Jahren gehen müssen? Oder warum sollte jemand, der sich nach drei Jahren als Fehlgriff herausstellt, noch fünf Jahre im Amt bleiben dürfen? Allenfalls könnte auf einen Wahlgang verzichtet werden, wenn der amtierende Bundespräsident in der Bundesversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit bestätigt wird – ein Quorum, das die Präsidentschaft durchaus mit Autorität ausstatten würde, aber wohl kaum je zu erreichen wäre.

Übrigens: In Deutschland tritt wohl demnächst der zweite Bundespräsident innerhalb von 20 Monaten zurück. Eine Volkswahl des Präsidenten ist dort nicht vorgesehen.

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