Leitartikel: Herbert Lackner

Herbert Lackner Buberln und Freunderln

Buberln und Freunderln

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Durchaus möglich, dass wir Karl-Heinz Grasser Unrecht tun. Denn natürlich kann sich alles so abgespielt haben, wie er es vergangene Woche in mehreren, wenngleich höchst nervös absolvierten TV-Auftritten und in einer Pressekonferenz dargestellt hat: dass in Wahrheit er das Opfer in diesem Krimi ist. Opfer seiner engsten Freunde, die ihn, wie etwa Walter Meischberger, ein halbes Leben begleitet und seine Blauäugigkeit dann womöglich skrupellos ausgenutzt haben. Freunde wie Peter Hochegger, den er nun auch schon zehn Jahre kennt, dem er als Finanzminister wichtige und lukrative Aufträge zukommen ließ und der vielleicht witterte, dass da noch mehr zu holen war.

Mag sein, dass sie Grasser einfach verraten haben, dass sie sich bei ihm einschlichen, brisante Geheimnisse seines Ministeriums ausspähten und sie hinter seinem Rücken zu Geld machten. Schon möglich, dass Grasser nichts von dem mitbekommen hat, was da beim Verkauf der 62.000 Buwog-Wohnungen im Hintergrund ablief: nichts von den Absprachen Meischbergers mit Jörg Haider; nichts von Gemurmel zwischen Hochegger und den Bietern von der Immofinanz; nichts von den im Finanzministerium kursierenden Gerüchten, in Wahrheit stehe die Immofinanz schon als „Bestbieter“ fest; nichts von den so verdächtig knapp beisammenliegenden Geboten.

Es ist auch denkbar, dass Karl-Heinz Grasser seinen besten Freunden einfach nicht zutraute, Scheinfirmen in Zypern und Schwarzgeldkonten in Liechtenstein zu haben. Dass ihm gar nicht einfiel, die engsten Vertrauten des Finanzministers könnten sich Steuerhinterziehung größten Ausmaßes zuschulden kommen lassen. Und möglicherweise ist er wirklich so diskret, dass er seinen Kumpel und Trauzeugen Walter Meischberger nicht fragen wollte, woher er denn plötzlich das viele Geld habe, um sich eine prächtige Villa in teuerster Lage zu bauen. Wie sagten doch Grasser und Meischberger fast wortgleich: Man habe nie über Geschäftliches, sondern immer nur über Privates gesprochen …

Was, freilich, wäre von einem solchen Mann zu halten? Von einem, der naiv in alle Fallen tappt, der ständig übertölpelt wird, dem jede Laus in den Pelz zu setzen ist, ohne dass er etwas merkt? Von einem, der nie nachfragt? Von einem Minister, in dessen Umgebung in Taschen gegriffen wird, ohne dass er den geringsten Verdacht schöpft? Von ­einem Entscheidungsträger, der solche Freunderln hat?

Wer würde einen Mann mit so miserabler Menschenkenntnis noch auf einen wichtigen Posten setzen wollen? Wer würde ihm Budgets anvertrauen, wenn man nicht sicher sein kann, dass sich falsche Freunde schamlos aus ihnen bedienen, ohne dass er Verdacht schöpft? Wenn Karl-Heinz Grasser ein Opfer ist, dann ist er eines von recht trauriger Gestalt. Er darf sich nicht wundern, wenn statt Mitleid allenthalben Schadenfreude aufkeimt. Aber Grasser fühlt sich seinen vorwöchigen Aussagen zufolge gar nicht in erster Linie als Opfer seiner Freunde Meischberger und Hochegger, sondern eher als „Opfer einer Erpressung“ durch jenen früheren Mitarbeiter, der vergangene Woche gegenüber profil aussagte, die Buwog-Vergabe sei „ein abgekartetes Spiel“ gewesen.

Nun kommt es ja tatsächlich vor, dass enttäuschte Angestellte nach ihrer Kündigung alle möglichen Dinge erfinden, um sich am ehemaligen Chef zu rächen. Sie streuen Gerüchte, arbeiten mit Verleumdungen – und bleiben selbst meist im Dunkeln. Auch Grassers Ex-Mitarbeiter Michael Ramprecht war – wie aus seinen von Grasser veröffentlichten Mails hervorgeht – schwer getroffen, als er seinen Job als Chef der Bundesbeschaffung verlor. Allerdings streute er weder Gerüchte, noch verleumdete er. Der ehemalige Grasser-Mitarbeiter Ramprecht schrieb in den Tagen nach seinem Hinauswurf erregte Mails, suchte sich dann einen neuen Job und tat gar nichts. Drei Jahre lang – bis profil-Redakteure vorvergangene Woche alle Mitglieder der Buwog-Vergabekommission durchriefen und dabei auch auf Michael Ramprecht stießen, der jetzt, da er von den zehn Millionen für Meischberger & Co erfahren hatte, nicht mehr länger schweigen wollte.
Anders als in ähnlichen Fällen üblich, wollte der profil-Informant nicht im Dunkeln bleiben: Ihm war klar, dass Grasser schon nach der Lektüre der ersten beiden Absätze der vorwöchigen profil-Story wissen musste, um wen es sich dabei handelt. Er hatte einkalkuliert, dass er binnen weniger Stunden auch vor dem Staatsanwalt aussagen würde müssen. Ramprecht wiederholte bei dieser Einvernahme, was er auch den profil-Redakteuren erzählt hatte – und er erzählte sogar noch ein wenig mehr. Würde er eine Falschaussage riskieren, nur um so spät noch Rache zu üben? Nach gegenwärtigem Stand der Dinge kann nur abgewogen werden: Glaubt man Grasser oder dem Kronzeugen? Die Entscheidung wird von Tag zu Tag einfacher.

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