Leitartikel: Herbert Lackner

Herbert Lackner Die großen Verschwender

Die großen Verschwender

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Natürlich hatte der steirische Landeshauptmann Franz Voves die bevorstehenden Gemeinderatswahlen und vor allem seine Landtagswahl im Kopf, als er vergangene Woche meinte, die Landesparlamente kämen auch mit weniger Abgeordneten und das Land mit weniger Bezirkshauptmannschaften über die Runden. Klarerweise wollte Voves damit den Wählern gefallen, ohne Zweifel versuchte er ein paar Punkte zu machen, die er dringend benötigt, will er im Herbst seinen Posten verteidigen.

Das alles macht seine Argumente nicht schlechter. Immerhin ist Voves der erste Politiker seines Rangs, der ausspricht, was alle Experten seit Jahren predigen: Das Land leidet unter Regionalbürokratismus und Föderalismus-Fimmel – und zwar bis zur Auszehrung.

Heißa, wie wird da lustig vor sich hin verwaltet: Murmeltierschonzeiten und Wassermessprämien, Hunde- und Lustbarkeitsabgaben – alles neunmal anders. Lehrer, Direktoren, Bezirksschulinspektoren und Landesschulinspektoren; Bezirkshauptmannschaften und Bezirkshauptmänner – 99-mal in Österreich. Am Ende winkt dann eine schöne Pension: 3500 Euro macht die durchschnittliche Rente eines Kärntner Landesbeamten aus, dreimal so viel wie die eines ASVG-Pensionisten.

Wer daran zweifelt, dass dies alles so sein muss, gilt als übler Zentralist, als Verachter der wertvollen Eigentümlichkeiten der historisch gewachsenen Länder. Aber wäre Oberösterreich nicht mehr Oberösterreich, wenn es keine eigene Landesbestimmungen über Gehsteigbreiten und Aufzugsschächte gäbe? Verlöre Tirol seine Identität, hätte es nicht eine eigene Landesregelung über die abendlichen Ausgehzeiten von Jugendlichen? Macht erst das burgenländische Kleingartengesetz den Reiz des Landes aus? Und dass auf der linken Straßenseite der Ketzergasse (Perchtoldsdorf, also Niederösterreich) eine andere Bauordnung gilt wie auf der rechten (Liesing, also Wien), ist ein ­Kuriosum, das seinesgleichen wahrscheinlich europaweit sucht.

Das alles will verwaltet sein. Dafür braucht man Beamte und Politiker. Viele Politiker. Zu viele Politiker, wie Voves jetzt meint: 56 Abgeordnete im wahrlich nicht überbeschäftigten Landtag seien einfach zu viel. Binnen Stunden wurde der Steirer zur Ordnung gerufen: Die Bürgernähe sei in Gefahr, wenn die Zahl der Abgeordneten gekürzt wird, warnten die Föderalisten besorgt.

Die Bürgernähe! Völlig gefahrlos lässt sich darauf wetten, dass mindestens 90 Prozent der Österreicher nicht einmal wissen, welcher Landtagsabgeordnete für sie eigentlich zuständig ist – sofern sie überhaupt von der Existenz eines Landtags Kenntnis haben. Sie versäumen nicht viel. „Wer einmal eine Sitzung eines Landtags mitverfolgt hat, dem kommen die Tränen“, meinte einmal der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner nach einem diesbezüglichen Erlebnis. Redebeiträge in Landesparlamenten zählen zu den Heulern auf YouTube: Ein Auftritt des niederösterreichischen FPÖ-Abgeordneten Karl Schwab brachte es völlig zu Recht bereits auf mehr als 350.000 Klicks. Unfreiwilliger Humor vom Feinsten. Landtagsabgeordnete beziehen übrigens ein Monatssalär von bis zu 6737 Euro.

Bürgernähe? Wie kann es dann sein, dass auf einen burgenländischen Abgeordneten bloß 7722, auf einen niederösterreichischen Man­datar aber 27.678 Bürger kommen? Wer ist da wem wie nahe? Betreut ein Mitglied des Kärntner Landtags seine durchschnittlich 15.583 Kärntner ebenso gut wie sein Kollege im Ländle die 9700 auf einen Abgeordneten entfallenden Vorarlberger?

Nicht weniger windig ist die Argumentation, der Bundesrat sei unverzichtbar zur Wahrung der Interessen der Länder. In Wahrheit wahrt der Bundesrat überhaupt nichts, weil er völlig rechtlos ist. Er kann ein Gesetz eine Zeit lang verzögern, das ist es dann auch schon. Wenn ein Bundesrat etwas wahrt, dann sind es die Interessen der ihn entsendenden Partei. Es käme ja auch kein Landeshauptmann auf die groteske Idee, die Interessen seines Landes in Wien einem Bundesrat anzuvertrauen. Wenn Erwin Pröll etwas in der Bundespolitik durchsetzen will, macht er Rambazamba im ÖVP-Bundesparteivorstand, einen Bundesrat braucht er dafür nicht.

Bundesrat und Landesparlamente haben vor allem für die Parteien eine wichtige Funktion: Diese haben Jobs zu vergeben und verdienen daran, weil etwa das Gehalt eines in diese Gremien entsandten Parteiangestellten dann teilweise vom Steuerzahler getragen wird. Außerdem knöpfen die Parteien ihren Mandataren bis zu einem Drittel ihres Bezugs als „Parteisteuer“ wieder ab. Warum sollten sie also mit weniger auskommen wollen?

Dass Föderalismus und die mit ihm verwobene politische Bürokratie endlich abschlanken müssen, ist ein Gebot der Budgetsanierung: Was bei derart unsinnigen Ausgaben nicht eingespart wird, muss in Form von Steuern aufgebracht werden. Allzu viel Optimismus ist nicht am Platz. Die zuständige Kommission zur Verwaltungsreform tagt erst wieder Ende Mai, um sich einen Zeitplan zu ­geben. Eingesetzt wurde sie übrigens irgendwann Anfang der achtziger Jahre.

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