Leitartikel: Herbert Lackner

Herbert Lackner Naiv, weltfremd, desinteressiert

Naiv, weltfremd, desinteressiert

Drucken

Schriftgröße

Folgender Sachverhalt liegt vor: Die Werbeagentur des Ehepaars Rumpold hatte in der Branche zwar noch keinen Namen und trotzdem einen 6,6 Millionen Euro schweren PR-Auftrag des Eurofighter-Herstellers EADS eingeheimst. Die „Abrechnungen“ der Rumpolds sind inzwischen fixer Bestandteil von Kabarett und Folklore: 96.000 Euro für die Ausrichtung einer Pressekonferenz, ein paar hunderttausend Euro für die Vermittlung von Terminen bei Landeshauptleuten etc. Dass es sich hier um Fantasierechnungen handelte, musste selbst Volksschülern auffallen.

Gleichzeitig ließ Rumpold der FPÖ, deren ­Generalsekretär er gewesen war, 800.000 Euro zukommen und machte ihr fast gratis den Europa-Wahlkampf. Und abermals weitgehend zeitgleich schwenkte die Haider-Partei, die eben noch strikt gegen den Ankauf von Abfangjägern agitiert hatte, radikal um und war nun sogar für das teuerste Produkt: jenes aus dem Hause EADS.

Der zuständige Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter fand das laut seinem nun im „Falter“ veröffentlichten Vorhabensbericht aus dem Jahr 2009 so uninteressant, dass er die Rumpolds nicht einmal einvernahm. Sein Desinteresse begründete der Staatsanwalt im erwähnten Bericht mit dem Fehlen „belastender Unterlagen oder Zeugenaussagen“. So als ob er auch nur eine Minute danach gesucht hätte; als ob derartige „Transaktionen“ mit Kassabon abgewickelt würden wie der Kauf einer Wurstsemmel im Supermarkt.

Hinter welchem Mond lebt der Herr Staatsanwalt?

Schauplatzwechsel. In Kärnten wollten Jörg Haider und der ÖVP-Landeshauptmann-Vize Josef Martinz still und heimlich dem Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher zwölf Millionen Euro zukommen lassen, zu bezahlen von der Landesholding – für „Beratung“ beim Verkauf der Hypo. Als die Sache ruchbar wurde, reduzierte das spendable Duo die Gage auf sechs Millionen. Was Birnbacher für dieses fette Honorar genau tat, lässt sich nicht feststellen. Ausfluss seiner Tätigkeit war ein sechsseitiges Papier von betörender Schlichtheit, in dem sich ein Satz umgerechnet auf 272.727 Euro belaufen hätte. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt fand das ganz in Ordnung und stellte die Ermittlungen ein. Erst die Korruptionsstaatsanwaltschaft öffnete die Aktendeckel wieder. Inzwischen ist Josef Martinz vorsorglich zurückgetreten.

Bleiben wir in Kärnten. Dort hatte Jörg Haider zwei reichen Russen die Staatsbürgerschaft besorgt, indem er bei Kanzler Wolfgang Schüssel einen entsprechenden Ministerratsbeschluss erwirkte. Dieser fiel im Jänner 2007 in der letzten Sitzung der schwarz-orangen Regierung. Die Russen hatten Haider bei seiner Intervention eine Million Euro gegeben und nach dem Ministerratsbeschluss eine weitere. Dieser sponserte damit den Kärntner Rennfahrer Patrick Friesacher, den Rest – fast 200.000 Euro – verteilte sein Sekretär Franz Koloini diskret auf mehrere Sparbücher. Bestechung und Geldwäsche, lautete im vergangenen Oktober die Anklage. Die Richterin sprach sowohl die Russen als auch Koloini frei: Haider sei formal nicht für Staatsbürgerschaften zuständig gewesen, also könne er nicht bestochen worden sein. Und Koloini habe nicht gewusst, was es mit dem Geld auf sich hatte.

Das also ist die erste Bilanz der österreichischen Justiz im Umgang mit den spektakulären Affären in der Politik, und sie ist sehr verstörend. Denn hätte es nicht Magazine wie „Falter“, „News“, „Format“ und profil gegeben, recherchierende Tageszeitungen wie den „Standard“ und den „Kurier“ – die Öffentlichkeit hätte von all dem nicht einmal erfahren.

Umso beunruhigender, wenn das ressortzuständige Justizministerium jetzt durch die Hintertür eine Gesetzesänderung anpeilt, die das Schweigerecht von Journalisten und Anwälten durchlöchern würde. Künftig soll es demnach Polizei und Staatsanwälten einfacher gemacht werden, Material aus Redaktionsschreibtischen zu beschlagnahmen – etwa wenn der Journalist selbst als „Beschuldigter“ geführt wird. Und „Beschuldigter“ wird man schnell. Logisch, dass eine solche Schwächung des Redaktionsgeheimnisses potenzielle Informanten abschrecken würde.
Dass erst vor wenigen Tagen ein anderer Gesetzesentwurf, der auch bei Korruption eine außergerichtliche Beilegung (Diversion) vorgesehen hatte, zurückgezogen werden musste, passt ins Bild: In diesem Ressort läuft einiges sehr schief. Die Beamten des Justizministeriums zählten früher zur absoluten Elite ihres Standes – heute hetzen sie ihre Ministerin in Abenteuer, die deren Karriere vorzeitig beenden könnten. Österreichs Justiz und ihre politische Führung stecken in einer schweren Krise – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem sie gefordert sind wie noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik.

Ach ja: Für alle Genannten gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

[email protected]