Leitartikel: Herbert Lackner

Herbert Lackner Politik als Schummelschinken

Politik als Schummelschinken

Drucken

Schriftgröße

Schon gespeist? Wie wär’s mit einer kleinen Analogkäseplatte aus Sojaeiweiß und Palmöl, aufgespritzt mit Wasser, gefestigt durch Verdickungsmittel? Dazu passen ein paar Scheiben Schummelschinken. Der Anteil an Fleischfasern beträgt 50 Prozent. Wasser, Stärke, Gelier- und abermals Verdickungsmittel (sie verdicken Waren wie Konsumenten) runden den Geschmack entsprechend ab. Oder vielleicht ein Shrimpscocktail aus gepresstem Fleisch minderwertiger ­Fische, die – putzig geformt – ohne Weiteres als Krustentiere durchgehen? Egal. Schließlich sind ja auch die Hühnerschnitzel oft aus Putenfleisch, die Fertig-Rindsroulade besteht aus in entsprechende Form gebrachten Fleischresten, die beim Zerteilen der geschlachteten Rindviecher abfallen. Und aus ein wenig Verdickungsmittel.

Dass sich „Echter Schafkäse“ oft aus magerer Kuhmilch, angereichert mit Pflanzenöl, zusammensetzt – alles in Salzlake unkenntlich gemacht –, mag den einen oder anderen Konsumenten ärgern. Dessen Stimmung wird wohl auch nicht durch den Umstand aufgehellt, dass der Erdbeeranteil im Erdbeerjoghurt gerade ein Prozent beträgt. Noch weniger hieße, den Joghurtkübel bloß am Erdbeeracker vorbeizutragen. In der vom Verein für Konsumenteninformation getesteten Kürbissuppe waren immerhin neun Prozent Kürbisfleisch eingearbeitet. Und Verdickungsmittel.

Dass ein Milchmischgetränk namens „Vanilletraum“ keine Vanille enthält, macht es noch nicht zum Traum. Schon wieder originell war das von den Konsumentenschützern getestete Pesto: Statt Olivenöl war Sonnenblumenöl drinnen, statt laut Rezept vorgesehenen Pinienkernen hatte man gehackte Cashewnüsse untergerührt und mit Molke und Reismehl abgeschmeckt. Mahlzeit. Die angebliche Schoko am Linzerkipferl entpuppte sich als gefärbte und ­gezuckerte Fettglasur. Die Brombeerlimonade enthielt keine Bromberen, dafür Azo­rubin, Cochenillerot und Patentblau. Die auf Puddingbeuteln und Kekstüten abgebildeten Früchte hatten mit dem Packungsinhalt absolut nichts zu tun.
Dass Forscher nun auch noch herausgefunden haben, Bio-Lebensmittel unterschieden sich in Wahrheit in nichts von Nicht-Bio-Lebensmitteln, überhören wir allerdings: Die Studie stammt aus England, wo ungeniert Schafsnieren als Nationalgericht serviert werden.

Mit der so gewonnenen Erkenntnis, dass nicht ­immer drinnen ist, was außen draufsteht, sind wir punktgenau bei der österreichischen Innenpolitik ­angelangt. Auch da verspricht das Etikett oft Inhaltsstoffe, die der Konsument – in diesem Fall Wähler ­genannt – vergeblich sucht. Nehmen wir etwa die Kanzlerpartei SPÖ, die sich traditionellerweise als Vertreterin der Arbeitnehmer versteht und die dennoch keine Anstalten macht, diesen ein Stück der Last abzunehmen, obwohl sie immer mehr zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen. Erben und Stifter bleiben unbehelligt, der Kanzler hat es zugesagt. Die Mindestsicherung fällt mit 733 Euro – und auch das nur zwölfmal im Jahr – so mickrig aus, dass es jetzt sogar zu einem parteiinternen Revolterl kam. Die Stütze für die Ärmsten kostet übrigens so viel, wie die Erbschaftssteuer bis zu ihrer Abschaffung jährlich ein­gebracht hat.

Auch das Türtaferl der ÖVP ist einigermaßen irreführend. Die angebliche Partei der Leistungsbereiten muss den Begriff der Leistungsbereitschaft neu definieren, seit die von ihr geführte Lehrergewerkschaft selbst das Kompromissangebot der Bildungsministerin abgeschmettert hat, die Lehrer mögen, befristet auf zwei Jahre, eine Stunde pro Woche mehr arbeiten.
Wie es sich mit dem Ehrentitel „Wirtschaftspartei“ verträgt, wenn unter von ihr gestellten Finanzministern auf Pump in der Karibik gezockt wird, wäre ebenfalls noch zu klären.

Die FPÖ wiederum trägt unverdrossen die Banderolen aus dem letzten Wahlkampf. „Abendland in Christenhand“ hieß es da; und „Pummerin statt Muezzin“. Sobald sich die Weihrauchschwaden verzogen haben, kommt allerdings eine Partei zum Vorschein, die lustvoll gegen alle Gebote der Christenheit verstößt (das sechste nehmen wir aus Gründen des guten Geschmacks aus).

Womit wir beim BZÖ wären. Mit dem Schlachtruf „Wien darf nicht Chicago werden!“ hatten sich die heutigen BZÖ-Akteure einst als die Bewahrer von Recht und Ordnung etikettiert, die nach 9/11 sogar allen Österreichern sicherheitshalber die Fingerabdrücke abnehmen wollten. Dafür haben sie allerdings keine Hand mehr frei, seit sie in diverse Verfahren zu den Komplexen Körperverletzung, falsche Zeugenaussage und nicht geleistete Unterhaltszahlungen verwickelt sind. Zuletzt wurde gegen einen BZÖ-Abgeordneten sogar eine Anzeige wegen Anstiftung zu schwerer Körperverletzung und Mord eingebracht. Auch nicht das, was man sich unter einem Vertreter einer „Sicherheitspartei“ vorstellt.
Mogelpackungen also, soweit das Auge reicht. Einige stinken mehr, andere weniger, und es ist kein Wunder, dass so mancher Wähler diese Art von Politik für Käse hält. Echten Käse, wohlgemerkt.

[email protected]