Martin Staudinger: Rückkehranreize

Martin Staudinger: Rückkehranreize

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Vermutlich ist es Hamid Karzai eher gleichgültig, was Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und Karin Kneissl von ihm halten. Aber man kann davon ausgehen, dass der ehemalige afghanische Staatspräsident einige Fans im Wiener Regierungsviertel hat – spätestens, seit er vergangene Woche seine Landsleute unter den Asylwerbern zur Heimreise aufrief. „Es gibt viele Gegenden, die sicher sind. Und diejenigen, die zurückkehren wollen, sind herzlich eingeladen, das zu tun“, erklärte Karzai im Interview mit profil. Immerhin gehe es darum, dass „Afghanistan wieder uns gehört und wir es selbst aufbauen“.

Das sind Sätze, von denen sich die Hardliner der österreichischen Flüchtlingspolitik bestätigt fühlen durften. Sie pochen neuerdings ganz vehement darauf, dass Asyl gemäß der in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschriebenen Grundidee lediglich ein „Recht auf Zeit“ ist – und somit untrennbar mit dem Vorhandensein von Verfolgung, Repression und Gefahr für Leib und Leben verbunden. Gibt es keine Bedrohung oder endet sie, erlischt auch der Schutz, was dieser Lesart zufolge die mehr oder minder unbedingte Verpflichtung nach sich zieht, das Gastland zeitnah zu verlassen.

Denn: Solange Menschen versorgt werden müssen, die keine Zuflucht benötigen, fehlen dem „Staat im Fall einer neuen Katastrophe irgendwo in der Welt die Kapazitäten, tatsächlich Asylberechtigte aufzunehmen“. So argumentierte Christian Ortner diese Position vergangene Woche in der „Wiener Zeitung“.

Das ist zwar sehr rigide, aber absolut rational gedacht. Weniger nachvollziehbar erscheint allerdings die Schlussfolgerung, die Ortner und andere, etwa FPÖ-Minister Norbert Hofer, daraus ziehen: Da der Aufenthalt von Flüchtlingen grundsätzlich ein Ablaufdatum habe, sei es sinnlos, Zeit und Geld für ihre Integration zu verschwenden.

Entwicklungshilfe mittels illegaler Migranten? Das ist keine Gefühlsduselei.

Es gibt ganz im Gegenteil durchaus vernünftige Gründe, genau das Gegenteil zu tun und gezielt in sie zu investieren – und zwar nicht nur in anerkannte Kriegsvertriebene, bei denen erfahrungsgemäß ohnehin kaum absehbar ist, wie lange ihre Schutzbedürftigkeit aufrecht bleibt (und von denen, man höre und staune, gar nicht wenige im Lauf der Zeit so gut Fuß fassen, dass es unsinnig wäre, sie loswerden zu wollen), sondern gerade auch in Asylwerber, bei denen absehbar ist, dass sie gar keinen Flüchtlingsstatus erhalten werden – sprich: Wirtschaftsmigranten.

Und das soll rational nachvollziehbar sein? Durchaus. Denn es geht dabei nicht um Gefühlsduselei, sondern – Hardliner aufgepasst! – um zielgerichtete Entwicklungshilfe in Verbindung mit konkreten Anreizen, in die Heimat zurückzukehren und dort zu bleiben. Der Grund, aus dem Wirtschaftsmigranten nach Europa kommen (oder von ihren Familien unter großem finanziellen Aufwand geschickt werden), ist in den meisten Fällen der gleiche: Sie sollen Geld verdienen und damit ihre Angehörigen unterstützen. Wer dabei scheitert, steht nicht nur als Verlierer da, sondern oft auch als der Verantwortliche für einen Haufen Schulden. Entsprechend groß ist der Antrieb, sich einer allfälligen Abschiebung zu entziehen oder, wenn das nicht klappt, umgehend einen weiteren Einwanderungsversuch zu starten.

Was, wenn man abgewiesenen Asylwerbern ein Alternativangebot unterbreitete? Etwa die Möglichkeit, eine zeitlich begrenzte Ausbildung zu absolvieren, die sie in die Lage versetzt, sich zu Hause eine Existenz zu schaffen – verbunden mit der Verpflichtung, anschließend das Gastland zu verlassen, und einem temporären Aufenthaltsverbot in der EU.

Das wirft natürlich die Frage auf, wie sicherzustellen ist, dass diese Abmachung hält. Die bereits gängige Erfassung biometrischer Daten macht eine Rückkehr ins europäische Asylsystem zumindest schwierig. Zusätzlich denkbar wäre aber auch eine Art Lehrlingsentschädigung, die während der Kursdauer angespart und erst nach erfolgter Heimreise ausbezahlt wird.

Klar ist, dass das Geld kostet, aber mutmaßlich auch nicht mehr, als durch Schubhaftbürokratie und Abschiebungslogistik ohnehin zusammenkommen würde. Nebenbei könnte sich die Regierung die Kosten auf das Budget für Entwicklungszusammenarbeit anrechnen lassen, für das Österreich ohnehin nicht berühmt ist.

Ebenfalls klar ist, dass sich bei Weitem nicht jeder abgelehnte Asylwerber auf den Deal einlassen wird. Aber diejenigen, die es tun, dürften eine gewisse Motivation mitbringen. Immerhin würden sie neben Know-how und einem Startkapital auch die Chance bekommen, ihren Familien nicht als Versager gegenüberzutreten – und mit ihren neu erworbenen Fähigkeiten beizutragen, das zu tun, was Hamid Karzai in profil gefordert hat: ihr Land aufzubauen.

Seit Jahren kommt keine politische Sonntagsrede ohne die Forderung aus, die Herkunftsländer der Asylwerber zu stabilisieren, um die illegale Migration und alle damit verbundenen Probleme hintanzuhalten. Es lohnt sich, zumindest darüber nachzudenken, ob nicht ausgerechnet jene, die als illegale Migranten gekommen sind, zu einem Teil der Lösung gemacht werden könnten.