Gastkommentar

Messenger-Überwachung: Zahmes Schaf im Wolfskostüm

Die frisch angelobte Regierung arbeitet am längst überfälligen Gesetz zur Messenger-Überwachung. Doch ersten Informationen zufolge geht es nicht weit genug. Ein Kommentar vom Kriminalbeamten Herbert Windwarder.

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„Österreich wird bedroht“. Der Titel  stammt vom Chefredakteur des „Falter“, Florian Klenk. Er hat diesen Satz in einem Artikel über Spionage in Österreich verwendet. In dieser bemerkenswerten Causa wurden unter anderem die profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer, der ÖVP-Spitzenkandidat für die Wien-Wahl, Karl Mahrer, und der Direktor der DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst), Omar Haijawi-Pirchner, observiert. Der auch in Wien aufhältige bulgarische Journalist Christo G. wurde ebenfalls überwacht, er sollte offenbar umgebracht werden. Warum: „Putin hasst ihn“, schrieb Jan Marsalek, Ex-Wirecard-Manager und Russland-Spion, an einen Agenten. Hinter der Aktion steht also niemand Geringerer als der russische Geheimdienst FSB.

Anna Thalhammer schrieb: „Noch nie hat es in Wien, der Hauptstadt der Spione, eine Verurteilung wegen Spionage gegeben.“ Und: „Will man sich nicht selbst schützen? Warum geht man nicht härter vor? Was soll das?“

Florian Klenk berichtet in seinem Artikel „Verfolgt von Putins Jägern“ über den Prozess in London, der drei Mittätern der bulgarischen Hilfskräfte des FSB gemacht wurde. Er schreibt über „… dicke Plastikordner, darin sind die Telegram-Chats abgedruckt“. Und Klenk schreibt auch über die Ermittlungen der DSN in Wien, eine gewisse Tsevanka D. hatte ihre Observationen zum Glück in einem Notizbuch festgehalten.

In diesen beiden Sätzen findet sich das gesamte Dilemma der österreichischen Ermittler wieder. Notizbuch können wir, Telegram oder Ähnliches leider nicht. Wie effektiv die Arbeit der heimischen Schlapphüte dadurch ist, kann sich jedermann ausrechnen. Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder das Glück, Informationen von befreundeten Diensten zu bekommen und damit auf Gefährdungen reagieren zu können. Aber kann es für einen Staat genügen, von fremden Informationen abhängig zu sein? Nun hört man, dass die Regierung beim Thema Messenger-Überwachung bald einen Entwurf präsentieren will. Problem gelöst? Leider nicht, es droht eine österreichische Lösung. Sie wissen schon: Waschen, aber dabei nicht nass machen.

Innenminister Karner spricht von einer Ultima-Ratio-Lösung, das Gesetz soll nur für Terroristen und Extremisten gelten, man erwartet ungefähr 35 Verfahren pro Jahr. Nur, es hat im Jahr 2024 österreichweit 540 Verfahren wegen terroristischer Straftaten gegeben. Und die Staatsanwaltschaft Wien hat unlängst bilanziert, dass die in Wien geführten Terrorismusverfahren sich binnen zwei Jahren um knapp 70 Prozent erhöht haben. Da sind die 35 geplanten Einsätze keine echte Unterstützung.

Eine sachliche Diskussion ist leider kaum möglich, es wird mit vielen falschen Ängsten gearbeitet: Nein, es interessiert sich niemand bei der Polizei für den Browserverlauf von Hansi Huber aus Floridsdorf! 

Herbert Windwarder

Aber noch schlimmer: Man hat die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität komplett „vergessen“. Die SOKO Achilles zeigt, übrigens auch mit Beweismitteldaten vom FBI, seit Jahren, wie aktiv die Organisierte Kriminalität hierzulande agiert. Übergaben von Kokainziegeln im zweistelligen Kilobereich sind an der Tagesordnung, es werden Millionen erwirtschaftet und Mordaufträge gegeben. Um dieses riesige Geschäftsfeld effektiv zu bekämpfen, muss eine Messenger-Überwachung – unter den gleichen rechtlichen Voraussetzungen – wie bisher die Telefonüberwachung möglich sein. Denn statt über Telefon und SMS kommunizieren Kriminelle nun vermehrt online.

Aber man kann die Regierungsverhandler verstehen. Wer will schon das Bummerl bekommen, den „Überwachungsstaat“ einführen zu wollen? Eine sachliche Diskussion ist leider kaum möglich, es wird mit vielen falschen Ängsten gearbeitet: Nein, es interessiert sich niemand bei der Polizei für den Browserverlauf von Hansi Huber aus Floridsdorf! Man wird auch sehen, ob sich die Medien hier wieder an der Panikmache über den Bundestrojaner beteiligen. „Wer die Freiheit für die Sicherheit opfert, wird am Ende beides verlieren“, höre ich jetzt schon von den üblichen Verdächtigen. Nun, bleiben wir gleich bei Großbritannien, wo die Ermittler wirklich alle Möglichkeiten zur Überwachung haben. Sind die Menschen dort sehr unfrei?

Zur Person

Herbert Windwarder ist Generalsekretär der Vereinigung österreichischer Kriminalisten.