Michaela Ernst: Wolf im (Kunst-)Pelz

Michaela Ernst: Wolf im (Kunst-)Pelz

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Einer der elegantesten Selbstlügen dieses Winters heißt: Pelz. Angesagt wie schon lange nicht mehr, findet man ihn als Kragen (Alexander McQueen), Stola (Dolce & Gabbana), Schlapfeneinsatz (Gucci), Tasche (Marc Jacobs), Schlüsselanhänger (Sonia Rykiel) und natürlich als Mantel - oft in knallige Töne eingefärbt, um nicht so bös daherzukommen. Manchmal nennt er sich "Hightech Fur", um von der Sache abzulenken. Denn mit Pelzen verhält es sich ein bisschen wie mit Bio: Oft ist alles ganz anders, als man denkt.

Selbstlüge ist die Unfähigkeit, das eigene Bewusstsein richtig zu bewohnen

Es gibt Kunstpelz, der in Wahrheit aufwendig als Mischung aus Modacrylfasern mit Alpaca oder Mohair hergestellt wird. Und solchen, der nie eine Naturfaser gesehen hat, sich aber dank modernster, wenig umweltfreundlicher Technologie ebenso weich anfühlt wie echter. Dann haben wir Kaninchen und Lamm, die oft selbst unter Pelzkritikern gerade noch durchgehen - weil ja jeder gern sein Coniglio alla cacciatora verdrückt oder eine mit Knoblauch gespickte Lammstelze. Dabei fristen gerade Pelz-Kaninchen ein besonders grauenvolles Dasein, wie die Organisation Animal Equity im Vorjahr enthüllte. Bleibt der "gute" Echtpelz, der geerbte.

Mit kreativen Ideen und einem Kürschner seines Vertrauens pimpt man ihn auf Hochglanz und verkündet stolz, dass immerhin kein neues Tier hingerichtet wurde. "Selbstlüge ist die Unfähigkeit, das eigene Bewusstsein richtig zu bewohnen, weil man zu sehr damit beschäftigt ist, eine Rolle zu spielen", sagt die Soziologin Eva Illouz. Da ist Pelz natürlich ein wundervoller Partner - weil wir das alle irgendwann müssen, wollen oder tun.