Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Heiße Arktis

Heiße Arktis

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Ob sich der Megadeal, den die OMV vergangene Woche mit dem norwegischen Ölkonzern Statoil unterzeichnet hat, so bald rechnet, muss erst abgewartet werden. Sicher ist jedoch, dass es bei den zwei Milliarden Euro schweren Beteiligungen an Erdöl- und Erdgasfeldern in der Nordsee um eine strategische Entscheidung des heimischen Energieunternehmens geht.

Go North: Das ist die Devise, der die OMV folgt. Und nicht nur sie. Im Visier ist nicht die Nordsee allein, in der unlängst wieder neue Reserven entdeckt wurden. Es dreht sich letztlich um einen noch höheren Norden: um die Arktis.

Das norwegische Parlament hat im Frühjahr grünes Licht gegeben: Es darf nun auch weit jenseits des Polarkreises exploriert, gebohrt und gefördert werden. Das Geschäft der OMV mit den Norwegern umfasst auch eine Kooperation in Forschung und Entwicklung.

Es sind freilich nicht nur Skandinavier, die darauf spitzen, die Schätze im ewigen Eis zu heben. Auch die Russen, die Amerikaner und Kanadier werfen immer begehrlichere Blicke in Richtung Pol, die Multis errichten in der Region bereits ihre Ölplattformen. Und überaus interessierte chinesische Manager und Minister geben einander in jüngster Zeit auf Grönland und Island die Türklinke in die Hand.

Dass die Arktis jäh so großes wirtschaftliches Interesse weckt, liegt daran, dass das Eis eben nicht ewig ist, sondern wegschmilzt – und das viel schneller als erwartet.

Wir leiden mit dem traurig auf der Scholle im Meer treibenden Eisbär. Wir lassen uns beeindrucken von den Bildern der majestätisch wegbrechenden Eisberge. Und die Horrormeldungen über die Zukunft untergehender Inseln und vorrückender Wüsten im Süden paaren sich mit den sorgenvollen Berichten über das Chaos im arktischen Ökosystem, das droht, wenn die Temperaturen im Norden weiter so dramatisch steigen. Bei all dem wird jedoch unterschlagen, dass an der Erderwärmung nicht alles von Übel ist.

Der Rohstoffreichtum der Arktis ist schon länger bekannt. Nach seriösen Schätzungen birgt sie rund ein Viertel der noch nicht entdeckten Erdöl- und Gasreserven. Nicht nur das. Im Boden unter dem Eis stecken gigantische Mengen von Metallen wie Eisen, Zink, Platin und viele andere. Vor allem sind dort sogenannte „Seltene Erden“ zu finden – für die moderne Industrie wichtige Elemente, auf die bisher China faktisch ein Monopol besitzt. Das weiß man bereits.

Mit der Erderwärmung ist aber eine neue Situation eingetreten: Der fortschreitende Rückzug der Eisdecke und die länger werdenden Sommer machen bisher unzugängliche Ressourcen zugänglich. Zudem winken neue Fischgründe und riesige Territorien werden forstwirtschaftlich nutzbar.
Das ist noch nicht alles: Das Tauwetter in der Arktis macht das Eismeer zunehmend schiffbar. Mitte des Jahrhunderts könnte man zu Wasser die Direttissima über den Nordpol nehmen, wird sogar prognostiziert. Tausende Kilometer würde sich der maritime Transport von Gütern zwischen dem Pazifischen und Atlantischen Ozean ersparen. So wie der Weg über den Pol für die weltweite Luftfahrt jetzt bereits zentral ist, so wichtig würden demnächst auch die arktischen Seewege werden.

Scott Borgerson, Gründer der Nichtregierungsorganisation Arctic Circle, gerät ins Schwärmen: Die Arktis, die bisher in ihrer kalten Wildheit und wüsten Dunkelheit wirtschaftlich als absoluter Nebenschauplatz galt, entwickle sich nun zu einem „mit dem Mittelmeer vergleichbaren Epizentrum für Industrie und Handel“, schreibt er in der renommierten US-Zeitschrift „Foreign Affairs“. Und weiter: „Eines Tages könnten Anchorage und Reykjavik die nördlichen Äquivalente von Singapur und Dubai werden.“

Kein Wunder, dass Naturschützer und Klimaaktivisten derartigen Perspektiven mit Schaudern entgegensehen. Viele fürchten nicht zu Unrecht, dass die – just durch die Erd-erwärmung möglich gemachte – Erschließung neuer Öl- und Gasreserven den Anreiz reduziert, in alternative Energie zu investieren. Das wiederum würde die Erderwärmung weiter beschleunigen. Vor allem erscheint der gewaltige Eingriff des Menschen in die bisher unberührte Natur des hohen Nordens von vornherein als Todsünde schlechthin.

Ein wenig beruhigen kann man die Umweltbewegten doch: Der Großteil der Akteure des kommenden polaren Wirtschaftswunders sind nicht wildgewordene Räuberkapitalisten, sondern höchst zivilisierte Staaten wie Dänemark, Norwegen, Kanada – und die USA, wo man mit steigendem ökologischem Bewusstsein der Bevölkerung rechnen muss. Russland wiederum ist durch ein dichtes Netz von Verträgen mit den anderen Nord-Staaten verbunden. Die Voraussetzungen sind jedenfalls gegeben, dass die ökonomische Entwicklung der Arktis nachhaltig vor sich geht, dass auf die ökologischen Gegebenheiten der Region Rücksicht genommen wird.
Die Norderweiterung der OMV ist auch vor dem Hintergrund dieses kommenden arktischen Booms zu sehen. So hat die Weichenstellung des Konzerns für Österreich insgesamt geopolitische Bedeutung. Ähnlich wie die nach der Wende 1989 getroffene Entscheidung der heimischen Banken und Versicherungen, massiv nach Osten aufzubrechen.

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