Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Das Hypo-Hyper-Debakel

Das Hypo-Hyper-Debakel

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In ungewohnter Eintracht feiern „Presse“ und „Österreich“ seit Tagen den Niedergang der Freiheitlichen. Ich kann den so wenig sehen wie Christian Rainer: Selbst noch im Angesicht des Hypo-Alpe-Adria-Debakels, für das Kärnten dank Jörg Haider mit 17 Milliarden Euro haftet, hat die FPK zwar mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren – sie wird sie aber zurückgewinnen, sobald sie wieder FPÖ heißt.

Xenophobie und vor allem Schwachsinn sind ein Teil „nationaler“ Identität und nicht dauerhaft auszurotten.
Nur die Hypo-Pleite dauert fort: „Die Bank erhält seit 2008 staatliche Unterstützung, und Österreich ist bisher nicht in der Lage, einen sinnvollen Restrukturierungsplan vorzulegen“, wurde vergangene Woche EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia in der „ZiB“ zitiert, und auch die Konsequenzen wurden den Zusehern nicht vorenthalten: Ohne solchen Plan muss die Bank „abgewickelt“ – unter hohem Verlust zugesperrt – werden, weil endlose Subvention durch den Staat unzulässig ist.

1,5 Milliarden Steuergeld sind bekanntlich bereits in die Hypo geflossen, und weitere 700.000 Euro hat Maria Fekter bereitgestellt. Aber das Zusperren ist dennoch erst dann – vielleicht – abgewendet, wenn es ­gelingt, die Österreich-Tochter der Hypo sehr bald und unerwartet gut zu verkaufen, nachdem ihre Ost-Töchter sich als unverkäuflich erwiesen haben.
Und selbst dann hängt über der Bank immer noch das Damoklesschwert eines Prozesses mit der Kurzzeit-Mutter BayernLB, die zwei Milliarden einfordert, die in ihren ­Augen einen Kredit und keine Einlage darstellen. Vergleichsverhandlungen haben die Bayern platzen lassen, was dafür spricht, dass sie ihre Rechtsposition für eher stark halten.
Das Tor zum Hyper-Debakel ist offen.

Ich kann mir leider nichts darum kaufen, dass ich die Neigung, jede kriselnde Bank zu „retten“, hier immer wieder kritisiert habe – sie kostet mich trotzdem so viel wie uns alle. Josef Prölls diesbezügliche Entscheidung war so verfehlt, wie es verdienstvoll war, dass er sich in Brüssel für EU- und IWF-Kredite an alle jene Ost-Länder eingesetzt hat, in denen Erste und Raiffeisen Bank International gefährlich große Engagements eingegangen sind. Denn diese beiden Banken sind „systemrelevant“ – Hypo Alpe-Adria, Kommunalkredit und Volksbanken-AG waren es nie.

Man mag darüber diskutieren, dass es ein Problem für den „Finanzstandort Österreich“ gewesen wäre, sie alle drei „abzuwickeln“ – aber alle drei zu retten war ein Verstoß gegen ein Grundprinzip des Marktes: Schwache Unternehmen müssen zugrunde gehen, damit die stärkeren Platz bekommen. Leider hat die EU diesen Verstoß seinerzeit gefördert: Sie hat Pröll 2008 in Richtung Hypo-„Rettung“ bekniet. Gleich zugesperrt wurden größere Banken EU-weit nur in Irland, während in den USA über 300 Geldinstitute pleitegehen durften.

Die Rettung systemrelevanter Banken hat die US-Regierung außerdem immer an Beteiligung und Mitsprache gebunden und massive interne Reformen durchgesetzt, sodass diese Institute jetzt mit hohen Gewinnen, hohen Eigenkapitalquoten und hoher Stress-Resistenz glänzen. Österreichs Regierung hat sich dagegen außer in Kärnten „herausgehalten“. Vielleicht war das angesichts der Qualität staatlichen Finanzmanagements besser – aber mit Sicherheit wäre es noch viel besser gewesen, die „Rettung“ von Hypo Alpe-Adria, ÖVAG und Kommunalkredit zu unterlassen. Raiffeisen und Erste hätten Geschäfte und Kunden dieser Institute hinzugewinnen und ihre Position damit stärken können.

Das wäre denkbar nützlich gewesen. Denn soeben hat Moody‘s das Top-Rating von Erste und Bank Austria wegen des hohen Ost-Engagements neuerlich mit negativem Ausblick versehen, obwohl sie es bereits zurückgefahren haben. Und während die Agenturen bei der relativ neuen Bewertung von Derivaten arg danebenlagen, haben sie beim Jahrzehnte geübten Rating von Unternehmen selten grob geirrt. Zudem ist die Problematik des Ost-Engagements selbst Laien sofort einsichtig: Die europaweite Rezession gefährdet natürlich auch das bis dahin robuste Ost-Wachstum, und das erhöht zwangsläufig das schon zuvor beträchtliche Risiko von Kreditausfällen dort agierender österreichischer Banken. Laut Moody‘s ist der Prozentsatz „fauler“ Kredite bei ihnen höher als bei spanischen Banken. Ich erkläre mir das zwar eher damit, dass Moody‘s das spanische Risiko unterschätzt, aber das verringert das Risiko der ­österreichischen Banken in keiner Weise. Dass es in verschiedenen Ländern sehr verschieden groß ist, tut nichts zur Sache, weil Erste wie RBI gleichermaßen in stärkeren wie schwachen Ost-Ländern engagiert sind. (In Ungarn kommt Viktor Orban als Spezialproblem hinzu.)

Entscheidend wird sein, ob die Wirtschaft dieser schwachen Länder vor dem Absturz bewahrt werden kann, und das könnte einmal mehr finanzielle Hilfe vonseiten des IWF und der EU erfordern. Vielleicht werden die Österreicher etwas mehr Verständnis für die Hilfsaktionen zugunsten Spaniens oder Portugals aufbringen, wenn sie erkennen, wie sehr auch sie auf dem Umweg über ihre Banken auf europaweite Solidarität angewiesen sind.

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