Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Das Jahr(zehnt) der FPÖ

Das Jahr(zehnt) der FPÖ

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Alle Kommentatoren riskieren derzeit Prognosen. Ich auch: 2010 wird das Jahr der FPÖ sein und möglicherweise ein „nationales“ Jahrzehnt einleiten. Aktueller Anlass zu diesem Höhenflug wird eine unvermeidliche Entwicklung sein, an der die Regierungsparteien ausnahmsweise keinerlei Schuld tragen: Die Arbeitslosigkeit wird weit stärker als vermutet zunehmen. Erstens, weil alle Staaten keine weiteren Mittel mehr haben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Zweitens, weil sie in ihrem vernünftigen Bemühen, ihre gewaltigen Defizite abzubauen, nicht um Steuererhöhungen herumkommen werden. Drittens. weil der Dollar trotz des Abgehens der Fed von ­einer Politik des extrem billigen Geldes gegenüber dem Euro weiter abwerten wird, was der EU zweifach auf den Kopf fallen muss: einmal, indem ihre Produkte in den USA noch teurer und entsprechend schwer absetzbar werden, und ein zweites Mal, indem sie auf allen anderen Weltmärkten mit extrem preisgünstigen US-Produkten konkurrieren müssen.

Viertens schließlich werden alle jene Absatzkrisen anhalten, die mit der aktuellen Finanzkrise gar nicht zusammenhängen: Die Kfz-Produktionskapazitäten sind nach wie vor zu groß, und die für eine Vielzahl anderer Konsumartikel sind es auch. Die Krise ist dank Keynes nicht zur Depression ­geworden – dass sie vorüber ist, halte ich für eine Illusion. Da die Rationalisierung aller Wirtschaftsbereiche weiter anhalten wird, wird die Arbeitslosigkeit alle gegenwärtigen Erwartungen übertreffen, und das wird ausschließlich der FPÖ zugutekommen. Sie hat zwar noch weniger als irgendwer sonst ein Rezept gegen diese Entwicklung, aber Strache wird sie nach dem erfolgreichen Rezept Jörg Haiders instrumentalisieren: „140.000 Arbeitslose – 180.000 Gastarbeiter.“ Nur dass jetzt eine halbe Million Arbeitslose „Ausländern und Zuwanderern“ gegenüberstehen werden.

Dass das „Ausländerproblem“ vor allem SPÖ und Grünen noch mehr als bisher auf den Kopf fallen wird, wird aber nicht zuletzt daran liegen, dass es, im Gegensatz zu jahrelanger Schönfärberei, wirklich eines ist: Österreich hat zu viel ­Zuwanderung schlecht ausgebildeter Arbeitskräfte zugelassen. Das verändert die wirtschaftliche Bilanz: Während ein Staat bei der Zuwanderung gut ausgebildeter Personen Ausbildungskosten spart, muss er sie bei der Zuwanderung schlecht ausgebildeter Personen aufwenden. Es kostet Geld, in Klassen mit hohem Migrantenanteil mittels Stütz- und Förderlehrern einen halbwegs adäquaten Unterricht zu gewährleisten. Es kostet Wirtschaftskraft, schwache PISA-Ergebnisse einzufahren, denn so sehr sie mit Österreichs sich maßlos überschätzendem Schulsystem zusammenhängen, zählt es doch zu ­ihren Hauptursachen, dass so viele Schüler nur mangelhaft Deutsch können, weil die Eltern unverändert Serbokroatisch oder Türkisch miteinander sprechen. Die Schwächen unseres Bildungssystems sorgen dafür, dass sich dieses Problem in der zweiten Generation und über alle Bildungswege hinweg fortsetzt: Die Zuwanderung bürdet dem Land zusätzliche Ausbildungskosten auf.

Das machte nichts, wenn sie durch die zusätzliche Wirtschaftsleistung der Zuwanderer hereingebracht würden. Das aber ist nicht mehr der Fall. Denn aufgrund des Familiennachzugs hat sich das Verhältnis von zugewanderten Arbeitskräften zu nicht arbeitenden ­Familienangehörigen dramatisch verändert: Strache behauptet zu Recht, dass von 50.000 Zuwanderern nur 5000 in den Arbeitsprozess eingegliedert sind. Alle andern profitieren von Österreichs Sozialgesetz­gebung und Umverteilung. Wenn es Frauen und Mädchen aus moslemischen Ländern sind, dauert es eine weitere Generation, bis sie dem Arbeitsmarkt zugutekommen, und auch dann betreten sie ihn selten als Ingenieurinnen oder Informatikerinnen.

Die Behauptung, dass nur die Zuwanderung sicherstellt, dass die nächste Generation noch Pensionen erhält, ist aus ­allen diesen Gründen nicht mehr richtig: Eine ideologiefreie Berechnung ergäbe, dass sie uns seit Jahren etwas mehr kostet, als sie einbringt. Ich bin zwar der Meinung, dass ein reiches Land wie Österreich diese Kosten aus humanitären Gründen tragen sollte – aber ich fürchte, dass diese Einstellung nicht mehrheits­fähig ist. Im Gegensatz zu Leuten, die Zuwanderung vor allem verbal vertreten und von „Multikultur“ schwärmen, habe ich zeitlebens Flüchtlinge und Zuwanderer in meine Wohnung aufgenommen und mich bemüht, ihnen zu helfen, beruflich hier Fuß zu fassen – aber ich bin gegen Fehlinformation: Man soll nicht behaupten, dass die Zuwanderung wirtschaftlich notwendig und sozial unproblematisch ist, wenn sie in Wirklichkeit in der Form, in der sie geübt wird, Geld kostet und soziale Probleme provoziert.

Wirtschaftlich erfolgreiche Zuwanderungspolitik hätte folgendermaßen aussehen müssen: Angeworben und eingebürgert werden vorzugsweise Personen mit hoher Qualifikation. Die Herkunft aus einer Gesellschaft, in der Frauen üblicherweise nicht berufstätig sind, wird als Zuwanderungshindernis gewertet. Wie in Spanien oder Frankreich beginnt die Schulausbildung generell ab dem dritten Lebensjahr, sodass sichergestellt ist, dass die Kinder von Zuwanderern ausreichend Deutsch können. Wenn die Zuwanderer aus gut ausgebildeten Schichten stammen, braucht es auch keinen Zwang, damit sie ihre Kinder in diese Vorschulen schicken. Das alles wurde versäumt und wird H. C. Strache Erdrutsch­erfolge bescheren.

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