Die Mietrechtspläne der SPÖ entsprechen der Tradition: Sie sind so ungerecht, wie sie kontraproduktiv sind

Peter Michael Lingens: Das neue Miet-Unrecht

Das neue Miet-Unrecht

Drucken

Schriftgröße

Ruth Becher, Bauten-Sprecherin der SPÖ, schlägt also ein neues „Universal-Mietrecht“ vor: 5,50 Euro pro Qua­dratmeter für alle Wohnungen, die älter als 20 Jahre sind; maximal zehn Prozent Lage-Aufschlag; aber 40 Prozent Abschlag bei Befristung unter fünf Jahre und Abschläge, wenn Lift oder Wärmedämmung fehlen.

Dazu ein repräsentativer Kommentar aus der Leserschaft des rosaroten „Standard“: „Wenn diese Leute etwas angreifen, muss man es mit der Angst zu tun kriegen.“

Auch ich will Emotionen nicht leugnen. Vor 55 Jahren habe ich mich aus der „Arbeiter-Zeitung“ (damals „Zentralorgan der SP֓) verabschiedet, nachdem mir Folgendes widerfahren ist: „AZ“-Chefredakteur Oscar Pollak war als Freund der Familie öfter bei uns zu Gast;1) dabei diskutierten wir auch den Umstand, dass die Hälfte unseres Nebenhauses mit 40 Wohnungen nur 5000 Schilling (364 Euro) wert war, weil „Friedenszins“ plus „Mieterschutz“ ausschlossen, es instand zu halten, während es als Bombenruine das x-fache Wert gewesen wäre, weil das erlaubt hätte, „Eigentumswohnungen“ an seiner Stelle zu errichten.2)

Ob er ein solches Mietrecht für wirtschaftlich sinnvoll und gerecht hielte, wollte meine Mutter von Pollak wissen. „Nein“, gab er unumwunden zur Antwort – denn er war kein Trottel. 14 Tage später schrieb er einen wütenden Leitartikel gegen die Profitgier der „Hausherrn“.

In einer Zeitung, die so geführt wurde und deren Redakteure fast alle (wie ihre meisten bürgerlichen Kollegen) in Gemeindewohnungen saßen, wollte ich nicht mehr arbeiten.

Meine Wut darüber, dass mir Recherchen zur Korruption im sozialen Wiener Wohnbau in der Folge auch im „Kurier“ abgedreht wurden, war eine entscheidende Triebfeder für deren Aufdeckung im neu gegründeten profil.
Dabei habe ich den Friedenszins als zeitbedingte Notmaßnahme durchaus für eine soziale Errungenschaft gehalten: Diese Mietobergrenze von einem Schilling pro Quadratmeter war aufgrund der außergewöhnlichen Wohnungsnot der Jahrhundertwende beschlossen worden und stellte sicher, dass jemand, der damals durchschnittlich 300 Schilling im Monat verdiente, nicht mehr als ein Drittel seines Gehalts für eine Wohnung ausgeben musste. Nur dass die SPÖ diesen Friedenszins beibehielt, als der Durchschnittsverdienst mehrere Tausende Schilling erreichte und sich bis heute nicht von ihm getrennt hat.

Solange dieses Mietrecht für alle Wiener Altbauwohnungen galt, war kein Altbau auch nur instand zu halten: Durch Jahrzehnte war Wien eine graue Stadt, an deren Bausub­stanz durch bröckelnde Fassaden und faulende Dippelbäume Milliardenschäden entstanden, die zu beheben Mieter bis heute Geld kostet.

So viel zum SP-Wohnwirtschaftsverständnis der Vergangenheit, das zwangsläufig auch die De-facto-Akzeptanz illegaler Ablösen einschloss: Weil „Hausherren“ ihre Häuser zu gesetzlichen Bedingungen nicht erhalten konnten, forderten sie bei Neuvermietungen unter der Hand Vorauszahlungen, die sich Kaufpreisen näherten.

All das will die SPÖ offenbar wiederbeleben. Voran die „soziale Gerechtigkeit“, die sie als Trademark beansprucht: Wer in Wien soeben eine zentrale 60-Quadratmeter-Neubauwohnung um 200.000 Euro gekauft hat, kann dieses Kapital zumindest durch 20 Jahre adäquat verzinsen. Wer zum gleichen Preis eine sanierte Altbauwohnung gekauft hat, kann diesen tödlichen Fehler in ihrem Keller beweinen. Und wer seine Wohnung noch etwas teurer in einem Barockhaus ohne Lift erworben hat und diese nun auf zwei Jahre vermieten will, weil er einen Job in Köln annehmen möchte, hängt sich am besten auf.

Im gleichen Ausmaß, in dem das rote Mietrecht eine adäquate Verzinsung verhinderte, behinderte es die Investitionen in den Neubau von Wohnungen. Dass man Wohnprobleme nur durch Wohnbau nachhaltig löst, übersteigt rot-grünes Wirtschaftsverständnis.

Weil ich mich eigentlich nicht für extrem unsozial halte,3) will ich versuchen, eine kaufmännisch sinnvolle und dennoch soziale Wohnpolitik zu skizzieren: Grundsteuern werden vom Verkehrswert und in einer Höhe erhoben, die es – wie in den USA – unwirtschaftlich macht, Grundstücke unverbaut oder Wohnungen unvermietet zu lassen.

Erbschafts- und Schenkungssteuern werden ebenfalls auf internationales Niveau angehoben, sodass jemand, dem ohne jede Leistung eine Immobilie zufällt, einen adäquaten Beitrag zum Gemeinwohl leistet.

Die Mittel aus den angeführten Steuern werden bis auf Weiteres für die Förderung sozialen Wohnens zweckgebunden. Der Staat finanziert daraus, sozial gestaffelt, begünstigte Kredite für Wohnungskäufe und Mietbeihilfen.
Ansonsten werden die Mieten dem Markt überlassen.

Mietverträge, die dem Vermieter einen Jahresertrag von über vier Prozent des Verkehrswertes des Mietobjektes sichern, können jedoch ex lege als sittenwidrig angefochten werden.

1) In der Illegalität war die „AZ“ gelegentlich in unserer Wohnung redigiert
worden.
2) Wir mussten die Haushälfte für 364 Euro an einen Baumeister verkaufen, der dank seiner Profession in der Lage war, den faulenden Dachstuhl zu sanieren.
3) Bis zum 60. Lebensjahr habe ich meine Wohnung immer mit Flüchtlingen
geteilt.

[email protected]