Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Das ewige Pensions-Dilemma

Das ewige Pensions-Dilemma

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Ein Teil der „Einsparungen“, zu denen die Regierung gezwungen ist, wird offenbar darin bestehen, nur die niedrigen Pensionen um die Inflationsrate anzuheben und sich bei den höheren mit einer Einmalzahlung zu begnügen, wobei jedoch überall ein fester Prozentsatz für vermehrte Pflege abgezogen werden könnte.

Ich gehöre mit meinen 1900 Euro netto vermutlich zu den Beziehern einer „höheren“ Pension, obwohl sie ­„schmal“ neben der eines AHS-Professors und lächerlich neben der eines Ministerialrats ist und natürlich auch weit unter dem Betrag liegt, den ich im Verlauf von 45 Berufsjahren einbezahlt habe.

Wenn man in der Pension einen nach dem Versicherungsprinzip redlich erworbenen Anspruch sieht, müsste ich mich also ärgern – aber ich vermeide das, indem ich mir vorstelle, wie sehr sich erst meine Kinder ärgern müssen, dass letztlich sie es sind, die mit ihren Beiträgen für zahllose offenkundig unterfinanzierte Pensionen aufkommen müssen. Was ich nämlich weit und breit nicht sehen kann, ist, worin das „Sparen“ des Staats bei dieser Regelung besteht. Das wäre allenfalls gegeben, wenn er seine Beamten nicht mehr als „Hackler“ frühpensionierte – aber die dürfen im Gegensatz zu mir auf den „Vertrauensgrundsatz“ bauen.

In einem geordneten Pensionswesen gibt es nichts zu ­sparen: Was via Beitrag oder Steuer hereinkommt, muss an die Pensionisten ausbezahlt werden – der Verwaltungsaufwand ist minimal. (Ganz anders als bei Krankenkassen, wo man die gleiche medizinische Betreuung vielleicht billiger organisieren kann.)

Das Problem besteht nicht darin, dass etwas vergeudet würde, sondern darin, dass unser aller Lebenserwartung steigt und dass Politiker bestimmte Wählergruppen mit zu hohen Pensionszusagen an sich gebunden haben. Umso seltsamer ist es, dass Pensionsreformen – seinerzeit bei uns, derzeit in Frankreich, Spanien und Griechenland – selbst bei den Begünstigten von solchen Zornesausbrüchen begleitet sind: Es ist nun einmal schwer möglich, mehr an die Pensionisten auszuzahlen, als zu diesem Zweck hereinkommt. Werden die Menschen älter oder gar die Arbeitnehmer weniger, so gibt es nur zwei Möglichkeiten: Beiträge und Steuern erhöhen – oder Pensionen senken. Da das „Erhöhen“ fast immer abgelehnt wird, müssen die Pensionen gesenkt werden.

Frankreichs Regierung senkt sie, indem sie das Pensionsalter erhöht, und das Volk geht dagegen (statt gegen wirkliche Regierungsversäumnisse) auf die Straße.

Griechenland senkt sie unter anderem, indem der Finanz­minister eine Formel im Pensionssystem verankert, die festlegt, um wie viel entweder die Beiträge erhöht oder die Leistungen gesenkt werden müssen, wenn die Lebenserwartung um ein Jahr steigt. Er war schon einmal Finanzminister – in einer abgewählten sozialdemokratischen Regierung – und hat diese Formel schon damals vorgeschlagen, weil andernfalls das Pensionssystem kippen würde.

Darauf hat die Gewerkschaft prompt zum Streik gegen die Formel aufgerufen, das Pensionssystem ist prompt gekippt und muss jetzt doppelt schmerzhaft repariert werden – wogegen die Gewerkschaft neuerlich zum Streik aufruft. Rechnen ist offenbar furchtbar schwierig.

Auch bei uns: Vor ein paar Monaten gab es Versuche, eine vergleichbare Formel im österreichischen Pensionssystem zu verankern. Das wurde mit dem Argument abgelehnt, dass man „die Sorgen der Pensionisten nicht in Formeln pressen kann“.

So einfach das Problem ist, so schwierig ist es, Kritik am aktuellen System zu üben. So verleitet der „Generationenvertrag“ die Politik offenkundig zu populären Zusagen zulasten der nächsten Generation: Ihr wird ja nicht nur die Last meiner erhöhten Lebenserwartung, die Last hoher Beamtenpensionen und früh pensionierter Eisenbahner, sondern auch die Last der Pension für Bauern, Witwen und selbst für geschiedene Ehepartner aufgebürdet, die alle irgendwann ins Pensionssystem aufgenommen wurden, obwohl sie weniger eingezahlt haben, als sie herausbekommen. Zwar wird ein Teil dieses Mehraufwands durch die immer größeren Zuschüsse aus dem Budget aufgefangen, aber indirekt lastet selbst er auf der nächsten Generation. Restlos dramatisch wird ihre Lage dadurch, dass den vielen Pensionisten womöglich immer weniger Beschäftigte­ ­gegenüberstehen.

Der verstorbene Sozialminister Alfred Dallinger hat deshalb schon vor dreißig Jahren angeregt, den Pensionsbeitrag weniger am einzelnen Beschäftigten und stärker an allgemeinen Wirtschaftsdaten zu orientieren, die Pension also weitgehend aus Steuern zu finanzieren. Dafür wurde er von der „Kronen Zeitung“ prompt als „Wahnsinniger“ gescholten, der keine Ahnung von Wirtschaft hat.

Ich gehöre auch in diese Kategorie und wurde deshalb – auch schon vor dreißig Jahren – von der Präsidentin der Arbeiterkammer, Lore Hostasch, als „Miesmacher“ gescholten, weil ich behauptete, unser System müsse angesichts immer höherer Lebenserwartung zwangsläufig in Probleme geraten und man sollte das schwedische System einer steuerfinanzierten „Volkspension“ diskutieren: Sie ist für jedermann gleich hoch (oder richtiger: gleich niedrig). Wer mehr haben will, kauft eine Zusatzpension oder legt sein Geld nach eigenem Gutdünken an.

Ich halte dieses System für fairer und gesünder und hätte gehofft, dass die aktuellen Probleme wenigstens jetzt eine solche Diskussion auslösen.

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