Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Das System Skylink

Das System Skylink

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Manche politischen Entscheidungen sind noch etwas grotesker als gewohnt: zum Beispiel, dass Herbert Kaufmann und Kollegen weiterhin an der Spitze der Flughafen Wien AG bleiben können, obwohl ein größeres wirtschaftliches Debakel als die Verdoppelung der sowieso hoch angesetzten Skylink-Baukosten kaum vorstellbar ist. (Zugegeben: Beim Wiener Allgemeinen Krankenhaus wurde Ähnliches geleistet.)

Dem „Standard“ entnehme ich als Erklärung, dass Bürgermeister Michael Häupl den Genossen Kaufmann nicht abberufen wollte, weil er das Thema Skylink vor den Wiener Wahlen nicht durch eine hohe Abfertigungszahlung aktualisieren wollte.

Wenn das stimmen sollte, muss der Wähler folgenden Schluss ziehen: Ein politisch bestellter Vorstand kann gar nicht so viel Geld verschustern, dass das für ihn mit der Ablöse verbunden ist. Beziehungsweise: Im schlimmsten Fall erhält er eine Abfertigung, die so hoch ist, dass der Bürgermeister sich dafür genieren muss.

Ich frage mich manchmal, was noch passieren muss, bis sich der Staat endlich aus der Luftfahrt zurückzieht. Zuerst mussten sämtliche politischen Parteien die AUA „österreichisch“ erhalten, obwohl seit zwanzig Jahren klar war, dass sie angesichts der Liberalisierung des Flugverkehrs nur an der Seite eines größeren – und damit zwangläufig ausländischen – Partners überleben kann. Dann musste die bereits strauchelnde AUA durch Jahre „saniert“ werden, obwohl klar war, dass das im Alleingang nicht möglich ist. Dann kam glücklich die Entscheidung zum Verkauf, aber die SPÖ setzte sich mit ihrer Forderung durch, eine österreichische Sperrminorität zu erhalten, womit endgültig kein Preis mehr zu erzielen war. Erfolg dieser Abfolge politischer Geniestreiche: Die Steuerzahler mussten 500 Millionen zuschießen, damit die AUA gerade noch von der Lufthansa übernommen wurde.

Was hat das mit dem Flughafen zu tun? Nun: Die ganze Zeit über argumentierte die Politik, dass die AUA österreichisch bleiben müsse, um die ausreichende Auslastung des Wiener Flughafens zu garantieren und damit sicherzustellen, dass er im europäischen Flugnetz eine angemessene Rolle spielt.

So hat eine schlecht wirtschaftende, aufgeblasene Organisation jeweils zur Rechtfertigung der anderen schlecht wirtschaftenden, aufgeblasenen Organisation gedient. Charakteristischerweise besteht die erste Forderung der privatisierten AUA an den Flughafen Wien darin, die Flughafengebühren endlich auf das Niveau vergleichbarer Flughäfen zu senken. Kernaktionäre der Flughafen Wien AG sind bekanntlich die Länder Wien und Niederösterreich, die dort mit syndizierten 40 Prozent der Aktien das Sagen haben. Schon vor gut dreißig Jahren amüsierte sich profil, dass abgetakelte ­Politiker als Zubuße zu ihrer Pension mit Spitzenjobs der Flughafenbetriebsgesellschaft betraut wurden. Etwas gebessert mag sich das in der Zwischenzeit haben – man verlangt wahrscheinlich einen akademischen Grad –, grundsätzlich gebessert hat es sich sicher nicht: Bevor er „Vorstandssprecher“ der Flughafen AG wurde, war Herbert Kaufmann ­SP-Nationalrat. Dafür hat Niederösterreichs ÖVP den Vorsitzenden des Aufsichtsrats gestellt, der Kaufmann kürzlich um fünf Jahre verlängert und ihm jetzt das volle Vertrauen ausgesprochen hat. In eine Führungsposition im Flughafen Wien zu gelangen verlangte immer zuerst Partei-Verankerung und dann erst Qualifikation.

In Wirklichkeit hat nicht nur die AUA seit Jahrzehnten ernsthaft privatisiert gehört, sondern auch die Flughafen AG beziehungsweise die Flughafenbetriebsgesellschaft. Die wirtschaftliche Liberalisierung Europas wird das in allen Ländern zunehmend ermöglichen und damit letztlich auch herbeiführen: Es werden sich private Flughafenbetreiber finden, die Flughäfen billiger und besser ausbauen und managen, als die derzeitigen halbstaatlichen Gesellschaften. Eine eu­ro­paweite gleichzeitige Konkurrenz von Flughäfen und Fluglinien wird darüber entscheiden, wo Knotenpunkte entstehen und welche Flughäfen links liegen bleiben. In dieser Konkurrenz wird Wien-Schwechat umso schlechter abschneiden, je länger Wien und Niederösterreich die Flughafen AG dominieren.

Aber genau diese Dominanz wird – fürchte ich – so lange andauern, wie die Dominanz der Republik bei der AUA angedauert hat: Wiens mächtiger Landeshauptmann und Niederösterreichs mächtiger Landeshauptmann werden weiterhin meinen, dass sie „Standortpolitik“ machen sollen und können, indem sie die „Interessen des Fremdenverkehrs wahrnehmen“ oder „die Interessen des Landes Niederösterreich“ und „die Interessen der Bundeshauptstadt Wien angemessen berücksichtigen“ und was dergleichen Redensarten mehr sind. Und die Bürger werden es bezahlen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin kein Anhänger des totalen Rückzugs des Staates (Landes) aus allem und jedem. So wie im Geldwesen hat er für Gesetze zu sorgen, die Abstürze verhindern, was er (siehe Finanzmarkt) oft genug unterlässt. Wohl aber soll er sich dringend aus der Führung von Unternehmen zurückziehen: Parteinähe ist kein brauchbares Auslesekriterium der Betriebsführung. Ich möchte nicht irgendwann auch für den Verkauf des Flughafens Wien zur Kasse gebeten werden.

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