Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Die 500-Euro-Idee

Die 500-Euro-Idee

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Seit vergangener Woche ahnen die Spanier, dass die Deutschen sie endgültig vernichten wollen: Angela Merkels Spardiktat hat ihnen die Luft zum Atmen geraubt – und jetzt hat Bayern München den FC Barcelona gedemütigt und Borussia Dortmund die „Königlichen“ von Real Madrid mit 4:1 deklassiert. Das sollte man in seiner sozialen Relevanz nicht unterschätzen.

„Immerhin hat Spanien das beste Klima und den besten Fußball“ ist der Satz, mit dem selbst spanische Arbeitslose sich über die Rezession hinweggetrösten. Dass ihm jetzt die Hälfte seines trostreichen Inhalts abhanden kommen könnte, gefährdet ihr Selbstwertgefühl. Die Spanier sind, trotz (oder wegen) ihrer nationalen Zerrissenheit, einig in ihrem Stolz; und zu diesem Stolz gehört, sich von der Krise nicht unterkriegen zu lassen. Wenn dieser einigende Stolz – für den Spaniens Fußball-Erfolge so wichtig sind wie Ski-Erfolge für uns – einen Knacks erfährt, vertieft das die sozialen Spannungen weiter: Zum Verlust des Brotes kommt der Verlust der Spiele.

Angela Merkel sollte am Vorabend der Rückspiele in der Kathedrale von Madrid zur heiligen Maria von Almudena beten und sie um das Wunder eines 3:0 Sieges der „Königlichen“ über Borussia bitten, wenn sie die Spanier mit ihrem Schicksal versöhnen möchte.

In der Woche vor „München“ und „Dortmund“ musste der Fußball die Aufmerksamkeit der Spanier mit einem Strafprozess teilen: Die Stadt Malaga erlebte neben der Niederlage des FC Malaga gegen die Borussen, die man sich hier nur durch einen bestochenen Schiedsrichter erklären kann, die Urteile im größten Bestechungprozess der spanischen Geschichte: Das Verfahren „Malaya“ rollte in anderthalb Prozessjahren auf, wie einander 95 Angeklagte, darunter die gesamte Stadtregierung von Marbella, bei Umwidmungen und der Vergabe von Baubewilligungen Euromillionen zuschanzten.

Den Grundstein zu dieser kommunalen Geldschöpfung legte der legendäre Bürgermeister Jesús Gil, der einem Prozess schon 2003 durch einen Herzinfarkt entging, nachdem er ihm zuvor zehn Jahre durch die Bestechung von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern entgangen war: Als Beamte der Bundespolizei, die wegen der Befangenheit aller lokalen Behörden beigezogen worden waren, erstmals energisch gegen ihn Erhebungen durchführten, sprang einer der Richter aus dem Fenster seiner Wohnung, weil sie dort auf zweitausend aus Gil-Verfahren beseitigte Aktenstücke gestoßen waren. Gil hatte den arbeitslosen Abenteurer Juan Antonio Roca zum Baubevollmächtigen von Marbella aufgebaut und der nahm ab 1992 für jede Baubewilligung oder Umwidmung zwischen zehn und 20 Prozent des zu erwartenden Gewinns. Man schätzt sein Vermögen auf 2,4 Milliarden Euro, von denen er freilich jeweils etliche Millionen an Gil und die nachfolgenden Bürgermeister abgeben musste: an den Ex-Kellner Julián Munoz, der Gil ablöste und an die Ex-Klatscherin einer Gitano-Band, Marisol Yagüe, die Munoz ablöste; dazu an städtische Funktionäre, angefangen beim Kulturreferenten, über Beamte diverser Behörden bis hin zum Polizeipräsidenten.

Jetzt teilt Juan „La Manu“ (die Hand) Roca mit dieser Crème de la Crème Marbellas 497 Jahre Kerker.

Bei den Hauptbeteiligten fand man bei ihrer Verhaftung neben Kontoauszügen von Briefkastenfirmen diverser Steueroasen meterhohe Müllsäcke mit 500 Euro-Scheinen, die man in Spanien „Bin Ladins“ nannte und jetzt „Invisibles“ nennt: Man weiß, das es sie gibt, obwohl man sie im normalen Geschäftsleben niemals zu Gesicht bekommt.
Dabei waren in Spanien mit seinen elf Prozent des BIP der Eurozone 25 Prozent aller je ausgegebenen Fünfhunderter-Scheine in Umlauf. Sie sind nun einmal sehr viel handlicher in ein Kuvert zu stecken, zu übergeben, zu übernehmen oder auch unterm Bett zu stapeln, wie „Manu“ das mit seinen jeweils letzten wöchentlichen Provisionen tat.

Jetzt veranlasste die prozessuale Feststellung solcher Schwarzgeld-Stapel Spaniens bisher farblosen Sozialisten-Chef Alfredo Rubalcaba zu einem überraschend fantasievollen Vorstoß, den auch viele Nationalökonomen für vernünftig halten: Er wünscht sich von der EZB, dass sie die 500-Euro-Banknote abschafft, wobei jeder Besitzer natürlich mindestens einen Monat Zeit für den Umtausch in kleinere Banknoten hätte. Nur bei Beträgen über 10.000 Euro sollte er deren legale Herkunft belegen. Der zweifelsfreie Erfolg dieser 500-Euro Idee gäbe den Spaniern etwas Vertrauen in die irdische Gerechtigkeit zurück.

Doch Mario Draghi konnte sich nicht dafür erwärmen, obwohl Kenner unter der kargen Erde Spaniens eines der größten Schwarzgeldvorkommen Europas erwarten und die EZB sich so manchen Stützungskauf von Staatsanleihen ersparte, wenn man es anzapfte.

Denn möglicherwiese wäre Draghis Italien für ähnliche Bohrversuche ähnlich geeignet. Aber der EZB-Chef denkt in größeren wirtschaftlichen Zusammenhängen. Die großen Noten, so meinte er, seien für die Lagerung großer ­legaler Vermögen unentbehrlich.

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