Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Die Entfernung von PISA

Die Entfernung von PISA

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Wir haben also glücklich die flächendeckende „Neue Mittelschule“ anstelle der Hauptschule, nachdem die ÖVP ihren Widerstand aufgegeben hat, weil ihr die „alte Mittelschule“ immerhin erhalten geblieben ist. Der Übergang hätte sich auch ohne ihre Zustimmung ergeben, weil „Neue Mittelschule“ besser als „Hauptschule“ klingt und vor allem mit mehr Geld verbunden ist – das hätte sich auf Dauer keine noch so schwarze Hauptschule entgehen lassen.

Ich sehe darin auch einen raren Fortschritt: „Neue Mittelschüler“ werden sich weniger zweitklassig fühlen (obwohl auch viele der bisherigen Hauptschulen erstklassig waren), und der Umstieg in die AHS wird leichter sein. Vielleicht fühlen sich auch Hauptschullehrer als „neue Mittelschullehrer“ nicht mehr so viel schlechter als AHS-Professoren – wirklich schlechter waren sie nie. Dank der größeren Mittel werden sie ihre Klassen jetzt ­öfter zu zweit unterrichten, ­obwohl hier vorerst eine der großen Schwachstellen der Reform aufblitzt: Es gibt – beispielsweise – viel zu wenig MathematiklehrerInnen, um ­tatsächlich überall zwei pro Unterrichtsstunde anzubieten. Stattdessen springen etwa Musiklehrer ein, was die Mathe-Kenntnisse nicht allzu sehr verbessern wird.

Aber das sind Anfangsschwierigkeiten, die sich geben werden. Schließlich verzeichnet Österreich schon bisher (kaufkraftbereinigt) die sechsthöchsten Ausgaben pro Schüler in der ganzen Welt, und im Wege der „Neuen Mittelschule“ werden wir diesen Rang festigen: Im nochmals vergrößerten Budget sind die zwei Mathe-, Deutsch- oder Englischlehrer hoffentlich drin.

Ob uns das schon zu künftigen PISA-Favoriten macht, wage ich zu bezweifeln. Finnland schneidet ja nicht deshalb so viel besser ab, weil seine Schulen der Gesamtschule so viel ähnlicher sind, sondern weil beispielsweise nur 14 Schüler auf einen Lehrer kommen, weil diese Lehrer eine besonders intensive Ausbildung genießen oder weil die Schulen autonom über die Form des Unterrichts entscheiden und der natürlich nicht schon mittags endet.

All dies scheint mir ungleich bedeutsamer als die Umbenennung der Haupt- in Neue Mittelschulen. (Und ich hätte es auch zuerst in Angriff genommen.)
Claudia Schmied verspricht freilich weitere Fortschritte in die finnische Richtung: mehr Schulautonomie, mehr Ganztagsschulen, mehr pädagogische Schulung. Dennoch wage ich zu sagen: Der Weg nach PISA ist noch weit. Wäre ich ein Politiker der Opposition, so forderte ich von Schmied messbare Etappenerfolge: Sie soll bekannt geben, ab welchem Jahr sich der derzeitige Mehraufwand von rund dreihundert Millionen Euro in signifikant besseren PISA-Ergebnissen niederschlagen wird.

Vielleicht ist sie doch auch bereit, zusätzlich zu ihrer sozialistisch-dirigistischen Strategie auch eine liberale Annäherung an ihr Ziel zu ermöglichen: Ich mache mich einmal mehr für das schwedische Modell eines offenen Schulmarkts stark. Den Weg dorthin habe ich hier mehrfach skizziert: Es wird erleichtert, private Schulen zu betreiben. Es ist diesen Schulen überlassen, wann und nach welcher ­Methode sie unterrichten. Zentrale Prüfungen stellen ­jedoch sicher, dass jedenfalls die an öffentlichen Schulen verlangten Kenntnisse erreicht werden.

Dafür erhalten private Schulen – wie derzeit schon private Kindergärten – pro Schüler auch den gleichen Betrag, den öffentliche Schulen pro Schüler kosten. Am besten in Form eines Schulschecks, den die Eltern bei der Schule ihrer Wahl – egal, ob öffentlich oder privat – einlösen können. Danach freute ich mich am entstehenden Wettbewerb, der, wie bei anderen Waren und Leistungen, dazu führen sollte, dass die besten Schulmodelle den größten Zuspruch erhalten. Denn anders als Frau Schmied glaube ich nicht, dass irgendjemand von vornherein weiß, was – unter noch dazu ständig sich verändernden Bedingungen – die besten Modelle sind. Gegenüber dem geschlossenen, aktuellen Schulsystem sehe ich folgende Vorteile: Es würde zusätzliches privates Kapital geweckt.

Es fiele weit leichter, ein neues Lehrerdienstrecht auszuhandeln, denn die LehrerInnen hätten die Wahl, ob und zu welchen Bedingungen sie bei einer öffentlichen oder privaten Schule anheuern.

Der Direktor einer privaten Schule wäre in der Lage, sich von LehrerInnen zu trennen, die den Ansprüchen der Eltern nicht genügen – das zwänge auch die öffentlichen Schulen zu sorgsamer Personalpolitik.

Und dieser Direktor würde nicht, wie das bei öffentlichen Schulen nach wie vor die Regel ist, politisch, sondern nach normalen Befähigungskriterien bestellt – das drängte politische Bestellungen auch bei öffentlichen Schulen zurück.

Alles, was ich hier empfehle, kostete den Staat pro Schüler nicht mehr, sondern eher weniger Geld. Solange es dennoch weder von der SPÖ noch der ÖVP versucht wird, behaupte ich: Sie haben schlicht und einfach Angst, dass sich der private Schulsektor als billiger und dennoch erfolgreicher als der öffentliche herausstellen könnte – und dass er ihnen weniger Gelegenheit zu Macht und Einfluss bietet.

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