Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Doch Angst vor den Persern

Doch Angst vor den Persern

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Obwohl mir Georg Hoffmann-Ostenhof und Gunther Müller unter dem Titel „Keine Angst vor den Persern“ vor zwei Wochen gleich zehn gute Gründe genannt haben, „warum sich die Welt nicht von Teheran bedroht fühlen muss – ganz egal, wer am Ende das Rennen macht“, flößt mir die Wiederwahl Mahmud Ahmadinejads sehr wohl Angst ein: Es wäre furchtbar, wenn ein Mann dieses Zuschnitts tatsächlich 63 Prozent der Stimmen erhalten hätte – und es ist nicht minder furchtbar, dass er sie offenkundig nicht erhalten, sondern „organisiert“ hat. Denn das spricht dafür, dass „Grund Nr. 8“ des Beruhigungskatalogs nicht ­zutrifft: „Die iranische Theokratie ist ein unterdrückerisches Regime, aber keine Diktatur.“
Ich fürchte, sie ist dabei, sich sehr wohl als solche zu ­entpuppen.

Oder zumindest ist Mahmud Ahmadinejad dabei, sie zu errichten, und hat im entscheidenden Bereich – bei den Behörden des Innenressorts – einen Durchbruch erzielt: Die Auszählung der Stimmen erbringt das von ihm gewünschte Resultat – und die Polizei knüppelt Demonstranten nieder.

Noch muss ich zwar für möglich halten, dass die Überprüfung der Auszählung durch den Wächterrat mich eines Besseren belehrt, aber ich bin skeptisch: Obwohl der Klerus in Bezug auf seine Person gespalten ist, stehen die radikalsten Mullahs so hinter Ahmadinejad, wie die radikalsten Bischöfe hinter General Franco gestanden sind – sie wollen denselben Staat wie er. Neuwahlen hat der Rat schon ausgeschlossen. Und es ist auch bereits eine theologische Rechtfertigung für die Fälschung von Wahlergebnissen in Umlauf.

Ich bleibe bei meiner politisch unkorrekten Ansicht, dass sich der Islam – wie freilich fast alle Religionen – besonders leicht dazu missbrauchen lässt, ein autoritäres Regime zu stützen, und dass es grundsätzlich einer erfolgreichen ­Säkularisierung bedarf, diese verhängnisvolle Symbiose aufzubrechen. Dort, wo es sie – wie durch Kemal Atatürk in der Türkei – gegeben hat, ist ein entsprechend geschwächter ­Islam in der Folge halbwegs mit Demokratie vereinbar, dort, wo es sie nicht ausreichend gegeben hat, wird er noch auf längere Zeit eine entscheidende Stütze autoritärer Regime sein. (Er unterscheidet sich diesbezüglich nur in jüngster Zeit vom Christentum, das ja auch noch bis vor Kurzem durchwegs eine Stütze autoritärer Regime gewesen ist. Wer immer sich im Alleinbesitz der Wahrheit glaubt, neigt dazu, es für segensreich zu halten, wenn die Regierung diese Wahrheit durchsetzt.)

Auch Obamas grandiose Rede zum Islam kann diese meine Sorge nicht beseitigen: Man soll sich keiner Täuschung bezüglich des Charakters geschlossener Denksysteme hingeben.
Dass ich vor Ahmadinejads Iran Angst habe, liegt daran, dass ich auch „Grund Nr. 1“ des Beruhigungskatalogs nicht glaube: „Der Iran will gar nicht die Atombombe.“

Als stärkstes Argument verweisen Hoffmann-Ostenhof und Müller auf einen Bericht des US-Geheimdiensts vom Dezember 2007, in dem er feststellt, dass der Iran das entsprechende Programm „mit großer Sicherheit zumindest seit 2003 gestoppt hat“.

Ich halte das für einen ebensolchen Fehlbericht wie die seinerzeit vom selben Geheimdienst publizierte Überzeugung, dass der Irak Atomwaffen besitze.
Die USA, so ­behaupte ich, wollten 2007 klarmachen, dass sie keine Invasion des Iran planen, und der Geheimdienst hat dafür die pas­senden Unterlagen geliefert, so wie er ­zuvor die passenden Unterlagen für den Einmarsch im Irak ge­liefert hat.
Die CIA kann kaum je davon abstrahieren, was ihr Präsident von ihr will – und der abtretende George W. Bush wollte keinen Krieg mehr, und Obama, von dem man ahnte, das er ihn ablösen würde, wollte das „Gespräch“ mit Teheran. Also meldete die CIA den Stopp des Atomprogramms.
Das „Gespräch“ scheint mir dringender denn je. Allerdings vor allem deshalb, weil ich überzeugt bin, dass der Iran schon demnächst die A-Bombe besitzt.

Hoffmann-Ostenhof und Müller halten selbst das für halb so gefährlich, weil der Iran „nicht unberechenbar“ sei. Für „den Iran“ mag das stimmen, aber stimmt es auch für Ahmadinejad?

Ich habe ein Problem, mich auf die Vernunft eines Mannes zu verlassen, der den Holocaust leugnet und öffentlich die Vernichtung Israels fordert. Atomraketen im Rücken machen auch konventionell ­stärker.
Trotzdem baue natürlich auch ich auf die „Logik der gegenseitigen atomaren Abschreckung“: Es ist unwahrscheinlich, dass selbst ein Ahmadinejad den Einsatz von Atom­raketen – gegen wen immer – erwägt, solange er weiß, dass die USA sein Land dann mit einem atomaren Gegenschlag dem Erdboden gleichmachten.

Aber genau diese atomare Garantie der Unversehrtheit seiner Verbündeten will Obama aufgeben, um seinem Traum einer A-Waffen-freien Welt näherzukommen.

In der Praxis wird er damit das Gegenteil erreichen: Südkorea wird Atomsprengköpfe entwickeln, sobald es sich nicht mehr durch einen US-Atomschlag gegen Atomraketen Nordkoreas gesichert weiß; und Israel wird atomar aufrüsten.

Ich fürchte, es wird im Umgang mit der Führung des Iran doch nicht nur des Gesprächs, sondern des Handelns bedürfen: Wenn vor allem Deutschland endlich aufhörte, ihm Ersatzteile für seine Petro-Industrie zu liefern, bräche Ahmadinejads Wirtschaft und Atomprogramm innerhalb weniger Wochen zusammen.

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