Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Eine vierte Kraft für Österreich

Eine vierte Kraft für Österreich

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„Wäre jetzt nicht Zeit für eine neue Partei?“, fragt Hans Rauscher im „Standard“ und antwortet mit einer Market-Umfrage: „72 Prozent der Österreicher können es sich vorstellen.“
Ich bin einer davon. Wäre ich nicht über 70, sondern unter 40, hätte ich mich längst an ihrer Gründung beteiligt.
Die Gründe sind mit Händen zu greifen: Die fortgesetzten Koalitionen aus ÖVP und SPÖ, die unser Wahlrecht zur Normalvariante macht, sind bestenfalls geeignet, das Land passabel zu verwalten, kaum aber, ernsthaft zu reformieren. Die einzige realistische Alternative – eine Koalition mit Straches FPÖ – ist eine Horrorvision.
Die Grünen dümpeln dahin, das Liberale Forum ist tot.
Nicht anders als mein jüngster, 20-jähriger Sohn habe ich bei jeder Wahl nur die Qual, mich für das relativ kleinere Übel zu entscheiden. (Und das ist für mich im Allgemeinen die relativ größere Entfernung zur FPÖ.)
Wie aber soll ich mich für eine Partei begeistern, die mir die Herren Faymann und Cap als „Spitzen“ und abgestandenen Sozialismus als Programm präsentiert – und wie soll ich umgekehrt Sympathien für eine Partei aufbringen, in der Maria Fekter für „Integration“ zuständig ist und die Einkommen- Vermögensteuern vorzieht?
Wie vor allem sollen sich junge Menschen für diese ­Parteien begeistern?

Wenn ich glaube, dass eine neue Partei eine Partei der Jungen sein müsste, dann hat das zwei Gründe: dass man sie vor Strache bewahren muss und dass sie die Leidtragenden der überalterten Parteien sind.
- Es sind die Jungen, die die gewaltigen, nicht erst seit der aktuellen Krise angehäuften Staatsschulden abtragen müssen.
- Es sind die Jungen, deren Pensionen nicht mehr gesichert sein werden, weil Pensionisten wie ich von Politikern vertreten werden, die meinen, mir müsste in Zeiten wie diesen mehr als die Inflationsrate abgegolten werden.
- Es sind die Jungen, die darunter leiden werden, dass unser Bildungssystem verdorrt, sodass sich ihre Chance, der globalen Konkurrenz der Zukunft standzuhalten, entsprechend vermindert.
Die Reformen, deren sich die neue Partei vorrangig annehmen müsste, sind ebenso offensichtlich:
Sie müsste die ersatzlose Beseitigung der neun Landesregierungen anstreben. Die Österreicher, die sich über den „Wasserkopf“ in Brüssel beschweren, beschäftigen auf ­einem Bundesgebiet von der Größe Bayerns neun vergleichbar große Beamtenapparate und bezahlen diese höher als der Bund, damit sie neun verschiedene Krankenanstaltenpläne, Wohnbauförderungsgesetze oder Bauordnungen exekutieren. Mit dem Erfolg, dass Krankenhäuser statt nach Einzugsgebieten nach Landesgrenzen Rücken an Rücken errichtet wurden oder dass es für eine steirische Installationsfirma unrentabel ist, einen Auftrag in Wien anzunehmen, weil sie sich dort mit anderen Sicherheitsbestimmungen her­umschlagen muss.
- Nur eine neue Partei kann eine ­solche Abermilliarden sparende Reform auf ihre Fahne schreiben, denn in SPÖ und ÖVP brächten die „Landesfürsten“ den jeweiligen Parteiobmann binnen Tagen um.
- Nur eine neue Partei kann ein wirklich neues Steuersystem anstreben: Die ersatzlose Streichung fast aller Ausnahmebestimmungen. Die ersatzlose Streichung fast aller Förderungen. Die massive Verminderung der Einkommensteuern in Richtung eines Flat-Tax-Modells bei gleichzeitiger Anhebung der Vermögensteuern (ohne dass dadurch die insgesamte Verminderung der Steuerlast aufgehoben werden dürfte).
Stattdessen hält die SPÖ an ihrer Forderung nach „Steuerprogression“ fest, obwohl es die Betriebe sind, die diese 50 und mehr Prozent Steuer ihrer Spitzenkräfte tragen müssen. Und die Wirtschaftspartei ÖVP verteufelt allen Ernstes die Besteuerung ruhenden Vermögens, die in der Schweiz oder den USA eine Selbstverständlichkeit ist. (Das große Wort in Fragen wie diesen führen die Milliardäre Hans Dichand oder Hannes Androsch, die – dreimal dürfen Sie raten – keine Vermögensteuern mögen.)
Nur eine neue Partei kann ein wirklich neues Bildungssystem entwickeln, das keine Rücksicht auf Fritz Neugebauer nimmt. Ich habe es schon einmal geschrieben, aber ich wiederhole es mit Lust: Das sozialdemokratische Schweden hat ein von der Mitte-rechts-Regierung eingeführtes Schul­modell beibehalten, in dem private Schulen auf einem offenen Schulmarkt miteinander konkurrieren, indem die Regierung jeder Schule so viel Geld überweist, wie sie erfolgreich Schüler unterrichtet.
Ähnliches ist für Universitäten denkbar.

Im Wesentlichen sind das Forderungen, die in anderen Ländern von liberalen Parteien angestellt und auch ansatzweise durchgesetzt werden, indem sie bei Regierungsbildungen zum Zünglein an der Waage werden.
Leider ist der Name „Liberale Partei“ in Österreich mit dem Scheitern des Liberalen Forums belastet und wird (nicht immer zu Recht) lediglich mit Randthemen wie der Homo-Ehe oder der Ablehnung von Kreuzen in Schulklassen assoziiert. Zwar glaube ich, dass eine neue, liberale Partei schwerlich gegen die Homo-Ehe oder die Trennung von Kirche und Staat sein könnte, aber ihr Schwerpunkt müsste doch eindeutig ihre wirtschaftliche Kompetenz sein. Solange mir nichts Besseres einfällt, gäbe ich ihr den Namen Radikale Reformpartei Österreichs (RRPÖ) – aber ich bin leider nicht mehr die Zielgruppe.

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