Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Eine Regierung von Versagern?

Eine Regierung von Versagern?

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In einer TV-Diskussion, die eigentlich H. C. Straches abs­trusem Vergleich der FPÖ mit „Juden“ gewidmet war, erklärte der Politologe Anton Pelinka unter zustimmendem Nicken von Andreas Mölzer, die Hauptschuld am ständigen Aufstieg der Freiheitlichen trügen die Regierungsparteien durch ihr Unvermögen.

Dem entspricht eine Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts EcoQuest, wonach 71 Prozent der Österreicher der Überzeugung sind, dass Politiker bei der Lösung wesentlicher Probleme „oft oder dauernd versagen“.
Dem widersprechen so gut wie alle Wirtschaftsdaten: Österreich hat die niedrigste Arbeitslosigkeit der Welt. (Die Tricks, mittels derer wir die Quote drücken, werden fast überall angewendet, sodass Vergleichbarkeit gegeben ist.) Innerhalb der EU ist unser Wirtschaftswachstum eines der höchsten, die Staatsschuld eine der niedrigsten (niedriger als etwa die deutsche). Nur die Inflationsrate liegt etwas über dem Durchschnitt, aber selbst das ist eher Ausdruck wirtschaftlichen Wohlergehens: Die Österreicher konsumieren unvermindert, und das kommt den Anbietern bei der Preisgestaltung entgegen. Selbst das etwas zu große Engagement der Banken in den Ländern des ehemaligen Ostblocks ist mittlerweile in den Bilanzen von Erste Bank und Raiffeisen vorsorglich berücksichtigt.
Es gibt zwar Staaten, die noch besser dastehen – natürlich die Schweiz, aber etwa auch Schweden oder Holland –, aber die waren immer schon reicher.

Man kann dem entgegenhalten, dass Österreich im Gegensatz zu ihnen, aber auch zu Deutschland, Dänemark und Finnland sein Triple-A verloren hat. Ich habe vor zwei Wochen ausführlich erläutert, warum ich nicht bereit bin, das Urteil der Ratingagenturen auf die Goldwaage zu legen, und halte mich hier zwangsläufig kurz: Bei der Bewertung komplexer US-Wertpapiere hat Standard & Poor’s sich um 300 Prozent geirrt. Die Bewertung der politischen Lösungskompetenz von Volkswirtschaften ist eine mindestens so komplexe Frage – es ist absurd, den Agenturen diesbezüglich bis aufs Komma zu vertrauen.

Das von Österreichs Regierung nun vorgelegte Sparpaket erfüllt die meisten geforderten Bedingungen, wird aber ein wesentliches strukturelles Problem wieder nicht lösen: die Verteuerung aller Staatsaus­gaben durch einen übertriebenen Föderalismus – aber mit dem (über-)leben wir seit Jahrzehnten. Und natürlich wird es auch ein zentrales Problem aller aktuellen Volkswirtschaften nicht lösen: dass die Schere der Einkommensverteilung zwischen „oben“ und „unten“ ständig größer statt kleiner wird und damit mehr Kapital für Spekulation als für Konsum bereitsteht – aber dieses Problem lösen andere Staaten noch weniger. Im internationalen Vergleich zählt Österreich nach wie vor zu den Ländern mit relativ geringer „Ungleichverteilung“: Mit 26 liegt unser Gini-Koeffizient, mit dem man dergleichen misst, trotz des Zuzugs diverser deutscher Milliardäre deutlich unter dem Deutschlands von 28,3.
Nicht dass die Regierung für alle diese guten Daten hauptverantwortlich wäre – aber sie lassen sich schwer mit einer völlig unfähigen Regierung vereinen.

Woher kommt es dann, dass die Bevölkerung, die zu Zeiten Bruno Kreiskys nur zu 33 Prozent der Meinung war, dass die Regierenden unfähig wären, sie jetzt zu 71 Prozent für unfähig hält? Obwohl gerade die letzten Kreisky-Jahre von gröberen wirtschaftlichen Fehlern begleitet ­waren, die dazu zwangen, beide Großbanken und die damals ­riesige verstaatlichte Industrie mit Steuermilliarden zu ­retten?

Ich sehe drei zentrale Ursachen:

1. Kreisky regierte alleine. Den wirtschaftlichen Entscheidungen seines Kabinetts ging kein hörbares Hickhack ­voraus, während selbst sehr vernünftige wirtschaftliche Entscheidungen der derzeitigen SP-VP-Koalition immer von gewaltigem – und nur selten sachlich gerechtfertigtem – Hickhack begleitet sind. Denn beide Parteien müssen sich gegeneinander „profilieren“, und sie tun das, indem sie die Vorschläge ihres Partners verbal maximal abwerten. Diese Abwertung addiert sich zur selbstverständlichen Abwertung jedes Regierungsvorhabens durch die FPÖ.

2. Nur wenige Minister verstehen es, ihre Aktivitäten publikumswirksam zu vertreten und fachliche Kompetenz auszustrahlen. Das gilt insbesondere für die Finanzminister: Weder Wilhelm Molterer noch Josef Pröll, noch gar Maria Fekter vermitteln Finanzkompetenz, obwohl etwa Pröll sich in der heiklen Frage des Ostengagements der Banken durchaus geschickt verhalten hat. Ausgerechnet Karl-Heinz Grasser wirkte nach außen ungleich kompetenter. Und Hannes Androsch kann bis heute den Eindruck purer Sachlichkeit erwecken, selbst wenn er, wie bei der Vermögensteuer, massiv Partei ist.

3. Die Berichterstattung – meine eingeschlossen – zeigt deutlich mehr Interesse am Hickhack und am persönlichen Stil als am sachlichen Ergebnis.

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