Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Europas Problem sind die Banken

Europas Problem sind die Banken

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Maria Fekter dementiert die Einrichtung einer 20 Milliarden schweren „Super Bad Bank“ für die faulen Reste von Hypo Alpe-Adria und Kommunalkredit. Sie habe klargemacht, dass deren „Abwicklung“ nicht schon wieder zu Lasten der Steuerzahler gehen dürfe. Vielmehr könnte ein Fonds entstehen, in dem Banken vor der Republik die Mehrheit besäßen und der als Gegenleistung aus der Bankensteuer gespeist würde. (Was natürlich sehr wohl zu Lasten der Steuerzahler ginge, weil sie nicht dem Budget zugutekäme.)

Wie die Lösung letztlich aussieht, wird man erst nach der Wahl erfahren, aber eine vage (wenn auch etwas übertriebene) Vorstellung von den Risiken dürften die durch die Medien schwirrenden 20 Milliarden wohl vermitteln.

In Summe schätzen Ökonomen die wirtschaftlichen Folgen von Finanzkrise und Bankenrettung für Österreich allein bis 2011 wie folgt: kumulierte Wertschöpfungsverluste in einer Höhe von 14 Prozent des BIP; ein staatlicher Aufwand für die Bankensanierung von fünf Prozent des BIP; eine Erhöhung der Staatsschuld um 15 Prozent des BIP. 1)
Damit ist Österreich immer noch klar besser als elf andere von der Krise betroffene Euro-Länder: Die verloren im Schnitt 25 Prozent Wertschöpfung und steigerten ihre Staatsschuld um 20 Prozent. Es lohnt also vermutlich, sich zu fragen, wem wir diese immensen Einbußen (= die aktuelle Wirtschaftskrise) verdanken. Die Antwort in Kurzform: voran Europas Banken.

Ich bin hier schon mehrmals der unhaltbaren These entgegengetreten, dass die aktuelle Krise durch das „Ausufern des Sozialstaates“ beziehungsweise mangelnde Budgetdisziplin verursacht wurde. In Österreich sanken die Ausgaben des Staates von 1995 bis 2007 von 56,5 auf 48,4 Prozent des BIP – in der Eurozone von 53,2 auf 46,1 Prozent. Zwischen 2002 und 2007 intensivierte sich die Konsolidierung. Die Ausborgungen gingen von 3,5 auf Maastricht-konforme 1,8 Prozent des BIP zurück.

Nichts in den Staatshaushalten, der Güterproduktion oder dem Warenverkehr der EU oder der Eurozone deutete bis 2007 auf eine Weltwirtschaftskrise hin.

Ausgangpunkt der Krise waren vielmehr unzweifelhaft „faule“ Wertpapiere aus den USA, wo Banken unter anderem uneinbringliche Forderungen aus Wohnbaukrediten in komplexe „Derivate“ verpackt hatten. In New York saß die Lehman-Bank bekanntlich auf einem besonders großen Paket solcher Papiere und ist daran umgekommen. Warum aber konnten die Probleme des eher kleinen US-Wohnbausektors eine Finanzkrise in Europa auslösen? Weil Europas Geldinstitute den weitaus größten Teil solcher toxischer Wertpapiere erworben hatten! Vom weltweiten Volumen extrem risikoreicher Derivate wurden 16 Prozent von Finanzinstituten des United Kingdom und 45 Prozent von denen des Euro­raumes gesponsert – gegenüber nur 31 Prozent der USA.

Wenn irgendwo Etats ausuferten und Budgetdisziplin und Risikoabwägung mangelten, dann bei Europas Banken.So wuchsen Forderungen und Verbindlichkeiten des Finanzsektors (Banken und Versicherungen) in der Eurozone zwischen 2002 und 2007 um 200 Prozent, in Großbritannien um 230 Prozent – in den USA nur um 55 Prozent. Forderungen ans Ausland – wo man sich zwangsläufig weniger auskannte – erreichten 2007 bei Finanzinstituten der Eurozone ein Viertel, bei Schweizer und britischen Finanzinstituten gemeinsam ein Achtel des Weltnationalproduktes.
Bei den von Schattenbanken verwalteten zig Trillionen zog Europa bis 2007 mit den USA gleich. Diese Mega-Expansion wäre positiv gewesen, wenn sie überlegener Geschäftstüchtigkeit entsprochen hätte. In Einzelfällen mag das auch so gewesen sein. Aber in Summe machten Europas Banker so ziemlich alle Fehler, die man als Anleger machen kann: Sie kauften in aberwitzigem Umfang auf Kredit und gingen enorme kurzfristig fällige Zahlungsverpflichtungen ein.

Während US-Banken ihr Risiko streuten, konzentrierten sie ihr Investment völlig auf die USA, obwohl deren riesiges Leistungsbilanzdefizit längst gewaltige Probleme signalisierte.

Die übergroße Nachfrage aus Europa trieb den Dollarpreis hoch und trug erheblich zur US-Aktienblase bei. Ihr Platzen musste Europas Banken doppelt hart treffen.
Leistungsbilanzdefizite übersahen Europas Banker aber auch in Südeuropa, wo vor allem deutsche und französische Banken ihr Engagement verfünffachten und (wie auch in ­Irland) gigantische Immobilienblasen mitfinanzierten.

Solche Blasen gab es auch im Rohstoff- und vor allem im Derivate-Markt: Europas Banken 2) investierten hektisch in riskante Derivate und verkauften zum Zweck ihres Ankaufes sichere traditionelle Werte.
„Die Europäischen Banken“, resümiert Professor Gunther Tichy in einer Analyse der Staatsschuldenkrise in den WIFO- Monatsberichten, „haben durch exzessive Fristentransformation, Kauf von Derivaten aus den USA und Kredite an Haushalte und Unternehmen der europäischen Peripherie erhebliche Risken akkumuliert“.

Wir alle bezahlen dafür, dass sie schlagend wurden. Und konzentrieren unser Interesse auf Austerity-Programme für schuldlose Staatshaushalte statt auf Bankenregulierung.

1) Luc Laeven, Fabián Valencia (IMF): „Systemic Banking Crises Database“ (2012). Wertschöpfungsverluste wurden als Abweichung vom Wachstumstrend bis 2007 gemessen.

2) Den größten Anteil toxischer Papiere erwarben aparter Weise deutsche Landesbanken.

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