Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Hoffen auf Putins Oligarchen

Hoffen auf Putins Oligarchen

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Die Krim ist wieder russisch – das ist abzuhaken und vom Selbstbestimmungsrecht der Völker her in meinen Augen keineswegs so inakzeptabel, auch wenn ein ­Referendum ohne die Anwesenheit von „Russen in Uniformen ohne Hoheitszeichen“ vorzuziehen gewesen wäre. Aber Putin lässt eben nichts anbrennen – schon das Risiko, dass die Krim-Bewohner vielleicht noch lieber einen eigenen Krim-Staat sähen, war ihm zu groß.

Diskutieren kann man jetzt jedenfalls nur mehr, ob der „Westen“ durch eine „harte“ Reaktion erreicht, dass es ­Putin bei der Krim bewenden lässt; oder ob man ihn durch eine „weiche“ Reaktion ermuntert, zuerst auch den Osten und schließlich die ganze Ukraine in seine „eurasische Union“ einzugliedern. Österreich, so resümiert die „Presse“ ein Gespräch mit Außenminister Sebastian Kurz, „fährt im Krim-Konflikt eine weiche Linie“. Es orientiert sich dabei an Deutschland, und die Motivation ist klar: Österreich ist in besonderem Ausmaß von russischem Erdgas abhängig und verzeichnet mit 1,2 Milliarden Euro gegenüber Russland den höchsten ­Außenhandelsüberschuss.

Eine „harte Linie“ – etwa das Einfrieren russischer Konten – beantwortete Putin wohl ebenso hart und träfe Österreich am härtesten: Etwa indem er die Zahlungen für Sotschi-Aufträge einfriert oder die russische Raiffeisenbank an weiteren Geschäften hindert. In den ersten drei Quartalen 2013 verbuchte die Raiffeisen Bank International in Russland einen Vorsteuergewinn von 507 Millionen Euro – der Löwenanteil des Raiffeisen-Ost-Geschäfts.

An solchem potenziellen Ungemach gemessen ist das Schicksal der Ukraine eine Quantité négligeable. Ja selbst mit ihr machte man unter russischer Herrschaft vermutlich kaum schlechtere Geschäfte, als wenn sie sich der EU annähert – und sparte das Geld, diese Annäherung zu ­finanzieren.

Kurzfristig ist die Sache vollkommen eindeutig: Putin möge Kriege ohne Hoheitszeichen führen – du, glückliches Österreich, profitiere. Langfristig halte ich eine „weiche Linie“ gegenüber Putin für genauso verfehlt wie seinerzeit gegenüber den Diktatoren der UdSSR. Wirklich verstanden haben sie nur die NATO-Drohung, dass der Vorstoß über eine gewisse Linie (die zum Glück auch Österreich einschloss) Krieg bedeutet hätte.

Diese Drohung hätte heute angesichts der nunmehr auch konventionellen Überlegenheit des Westens noch viel sicherer gewirkt (weil sowieso nicht einsetzbare A-Waffen nur theoretische Bedeutung haben) – aber das hat Barack Obama unwiderruflich versäumt.

Die in diesem Zusammenhang gelegentlich schon wieder vorgetragene Ansicht, dass Russland sich „verständlicherweise“ von einer Einkreisung durch die NATO bedroht fühle, ist wie seinerzeit blanker Unsinn: Im Kreml wusste man damals wie heute, dass vom „Westen“ kein Angriff droht.

Die wirtschaftlichen Sanktionen, die jetzt diskutiert werden, sind nicht nur aus der Sicht Österreichs ungleich problematischer, als es eine glaubhafte militärische Warnung gewesen wäre. Theoretisch sitzt der Westen zwar auch diesbezüglich am längeren Hebel: Die EU kann zur Not sogar auf Erdgas aus den USA zurückgreifen – Russland hingegen geriete in Megaprobleme, wenn die EU ihm kein Erdgas mehr abkaufte und auch andere russische Rohstoffe fehlen der EU weit weniger, als Russland das Geld und die Technologie westlicher Investoren fehlten.

Aber praktisch ist eine geschlossene „harte“ EU-Sanktionsfront kaum denkbar, weil zumindest die „alten“ EU-Staaten ihrer Bevölkerung sicher nicht zumuten, ihren Gürtel auch nur kurzfristig noch enger zu schnallen – während Putin das seiner Bevölkerung jederzeit zumutet: Selbst wenn sie aufgrund eines „westlichen“ Handelsboykotts am Zahnfleisch ginge, ließe ihn das kalt, solange seine Geheimpolizei allfällige Aufstände im Griff hätte – notfalls nähme er die Gelegenheit wahr, ihre Befugnisse zu erweitern.
Politiker vom Schlage Putins riskieren zulasten ihrer Bevölkerung fast alles – Politiker vom Schlage Angela ­Merkels riskieren fast nichts. Das macht ihre Politik so viel sympathischer – und Demokratien so viel wehrloser.

Meine Hoffnungen setze ich daher nicht in „harte EU-Sanktionen“, sondern auf Russlands Oligarchen: Erstens wissen sie, dass gute Beziehungen zur EU ein letztlich weit besseres Geschäft sicherstellen als jede „Eurasische Union“. Zweitens sind für sie auch „weiche“ Sanktionen der EU eine Einbuße an eben erst gewonnener Lebensqualität: Sie möchten ihre Ferraris schließlich nicht nur in Sotschi, sondern auch in Nizza spazierenführen, und das fiele ihnen bei Visa-Beschränkungen doch schwerer. Auch ein Hauskauf in Kitzbühel stieße vielleicht auf mehr Widerstand als bisher. Und Geld in Österreich oder Luxemburg zu bunkern, wäre zumindest mit größerem Risiko behaftet.

Neureiche Kaufleute mögen solche Beschränkungen nicht. Vielleicht sind sie gemeinsam stark genug, Putin einzubremsen. Vielleicht ergeht es ihnen freilich auch nur wie Michail Chodorkowski.

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