Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Kakanische Budgetsanierung

Kakanische Budgetsanierung

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Je älter ich werde, desto stärker teile ich den Wunsch meines Kollegen Helmut A. Gansterer, „Good News“ zu verbreiten. So bin ich nach Bekanntgabe des Spar- und Steuer-programms der Regierung endgültig überzeugt, dass wir die besten Unternehmer, Ingenieure, Manager, Angestellten und Arbeiter der Welt haben – denn an der Brillanz unserer Finanzpolitik kann es nicht liegen, dass wir die schlimmste Wirtschaftskrise seit 1929 so schmerzlos überstehen. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Wirtschaft wächst wieder, und die größte uns auferlegte Belastung besteht darin, dass Benzin und Zigaretten um ein paar Cent teurer werden und man weniger Beihilfe erhält, wenn man viele Kinder hat. Ja wir konnten die Budgetsanierung sogar bis hinter die steirischen und Wiener Wahlen schieben und werden mit unserem Defizit trotzdem unter Europas Musterschülern sein.

Ich hege seit Längerem einen leisen Verdacht, der in Wahrheit eine leise Hoffnung ist: dass die moderne Wirtschaft dank ihrer überragenden Produktionsmöglichkeiten, gleich, ob es um Autos, Computer, Kleidung oder Nahrung geht, auch dann Wohlstand schafft, wenn die Politik reichlich verschlafen agiert. Sonst könnten wir nicht der fünftreichste Staat sein.

„Das Budget lässt strukturelle Reformen weitgehend vermissen“, ist die einhellige – richtige – Meinung fast ­aller Kommentatoren: Es gibt keine Verwaltungsreform, keine Föderalismusreform, keine Reform des Gesundheits-, des Pensions- oder des Steuersystems – und trotzdem wird es uns weiterhin erstaunlich gut gehen. Denn alles funktioniert nicht so schlecht – das Gesundheitssystem zum Beispiel kostet immer noch halb so viel wie in den USA.

Jemand wird sicher trotzdem den unabwendbaren Staatsbankrott an die Wand malen, und jedermann beklagt zu Recht, dass die Bildung zu kurz kommt und dass wir das ­irgendwann büßen werden – aber büßen auf einem Niveau, um das man uns in neun von zehn Ländern unverändert ­beneiden wird. Wir haben das unglaubliche Glück, in diesen Breiten und diesen Zeiten zu leben.

Die nachhaltigste Regierungsmaßnahme hat darin ­bestanden, den Bau des Koralmtunnels aufzuschieben – und nach menschlichem Ermessen aufzugeben. Das wäre echtes Sparen, denn alle Leute, die etwas davon verstehen, halten ihn für überflüssig. Jeder Blick auf den Fahrplan zeigt, dass es zwischen Österreich und Italien praktisch keinen Eisenbahn-Personenverkehr mehr gibt, und die künftige baltisch-adriatische Verkehrsachse ist eine Erfindung der Achse aus Bahn- und Tiefbauingenieuren und ein teures Erbe der ­Haider-Schüssel-Achse.

Auch wenn schon eine Milliarde in das Projekt geflossen ist, spart man doch neun Milliarden, indem man es aufgibt. Die Politik kann einen Fehler gutmachen, den es ohne sie gar nicht gegeben hätte. Ähnlich sinnvoll ist nur noch die höhere Tabaksteuer, und auch die Erhöhung der Mineralölsteuer ist so vernünftig wie schon alle ihre bisherigen Erhöhungen: Sie wird weiterhin die Luftverschmutzung vermindern und sparsame Kfz-Motoren fördern. Nur sind Kfz-Motoren schon sehr sparsam, und Prölls Ankündigung einer „Energiesteuer“ hatte mich eigentlich hoffen lassen, sie würde tatsächlich alle Formen der Energie betreffen (und in diesem Fall für Treibstoff entsprechend geringer ausfallen). Denn das hätte, wie ­jeder Anfänger eines Wirtschaftsstudiums lernt, dazu geführt, dass Energie vorrangig dort gespart worden wäre, wo es am einfachsten und billigsten ist. Beim Auto ist es nämlich mittlerweile relativ kompliziert und relativ teuer – nur ist es am einfachsten, die Autofahrer zur Kasse zu bitten.

Vernünftig sind zweifellos auch die höhere Stiftungs­steuer, die Steuer auf Aktiengewinne und die Bankensteuer, auch wenn sie zur Gänze auf die Kunden überwälzt werden wird, weil den Banken mehr Eigenkapital vorgeschrieben wurde, sodass sie sicher keine Gewinneinbußen akzeptieren. Auch die Bankensteuer ist also eine Massensteuer – aber sie wird Wohlhabende vermutlich stärker treffen als Leute, die nur gerade ihr Gehalt abheben.

In Summe kommen die „Wohl-Habenden“ so gut wie eh und je weg, und jede strukturelle Reform des Steueraufkommens wurde energisch vermieden. Die hätte darin bestanden, dass man die Steuern auf Arbeit senkt und die auf Vermögen erhöht, wie das die OECD Österreich seit Langem rät, weil es leistungsfreundlicher ist.

Aber der Landwirt Josef Pröll und seine ÖVP wissen das nun einmal besser als alle in der OECD versammelten Wirtschaftswissenschafter und Finanzminister.

Die Erbschaftssteuer ist dabei zwar nur ein Teilaspekt, aber die jüngste Argumentation des VP-Wirtschaftssprechers Günter Stummvoll ist diesbezüglich typisch: Als sein grüner Kollege Werner Kogler die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer urgierte, wies er ihn darauf hin, dass dieses Jahr nur ganze 16 Österreicher eine Erbschaft von über einer Million Euro angetreten hätten. Was natürlich stimmt, weil vererbte Realitäten zum Einheitswert ­angesetzt werden und man schon eine halbe Straße erben muss, um die Million zu ­erreichen.

Trösten wir uns mit der Freude der Wlascheks, Dichands oder Pruschas, aber auch der Chefs großer Versicherungen und anderer Unternehmen, die Realitäten horten, statt sie dem Markt zuzuführen, weil das hierzulande weit lukrativer ist. Der ÖVP waren die Hausherren schon immer näher als die Seidenfabrikanten.

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