Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Kaputtgespart?

Kaputtgespart?

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Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger predigt es seit Monaten und brauchte es dieser Tage nur zu wiederholen: „Der Sparkurs ist gescheitert.“
Generalstreik und Krawalle in Athen. In Madrid kann die Polizei der Demonstrationen nur mit Knüppelhieben Herr werden. Vor allem aber scheinen die Zahlen Bofinger nicht nur in Griechenland, sondern auch in Italien und Spanien zu bestätigen: In beiden Ländern ist fraglich, ob wenigstens eine kleine Verringerung des Budgetdefizits im Verhältnis zum BIP erreicht werden kann – aber sicher, dass das BIP neuerlich einbricht. Und in beiden Ländern hat die Verschärfung der Rezession die sowieso schon beängstigende Arbeitslosigkeit noch erhöht.

profil-Leser Günther Hoppenberger legt den Finger auf die Wunde: Meine an dieser Stelle festgeschriebene Behauptung, dass eine Krise, die Überschuldung zur Ursache habe, nur durch Sparen zu überwinden sei, „entspreche der betriebswirtschaftlichen Denkweise der schwäbischen Hausfrau“ und verkenne die „Systemkrise“.
Durchaus möglich – ich meine das ehrlich –, dass er mit Bofinger (und gegen eine Reihe vor allem deutscher Professoren) Recht behält. Ich bin dessen nur nicht so sicher.

So wüsste ich gern, was geschehen wäre, wenn Griechenland, Italien oder Spanien keinen Sparkurs eingeschlagen hätten. Bezüglich Griechenlands ist das klar: Es wäre bankrott, und zumindest fürs Erste wäre das BIP sicher nicht gestiegen und die Arbeitslosigkeit sicher nicht gesunken. Für Spanien und Italien wären die sowieso schon hohen Kreditzinsen zweistellig geworden und hätten sie dem Bankrott ein gutes Stück näher gebracht.
Dagegen kann man eigentlich nur einwenden, dass der „Norden“ diesen beiden Ländern eben besser etwas geschenkt hätte, statt ihnen Sparsamkeit abzuverlangen – womit wir wieder bei der schwäbischen Hausfrau wären.

Angela Merkel hat zwar geschenkt, aber sie hat auf Grenzen der Kassen verwiesen – schließlich hat auch der ­„Norden“ Schulden.
Einen Ausweg führen die USA vor: Sie drucken Geld. Das bewirkte bisher etwas Wirtschaftswachstum, ohne die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Gleichzeitig wird das US-Verhältnis von Schulden zu BIP demnächst griechisch sein.

Vielleicht ist es trotzdem richtig, eine Krise, die hohe Verschuldung zur Ursache hat, „keynesianisch“ mit noch höherer Verschuldung zu bekämpfen – vielleicht aber mündet es in eine noch größere Krise. Ich weiß es nicht.

Der Ruf John Maynard Keynes‘, das richtige Rezept gegen Krisen zu besitzen, steht auf zwei Beinen. Das eine ist fest: Kleine bis mittlere Konjunktureinbrüche, die freilich nie durch Verschuldung verursacht waren, konnten seit 1945 immer wieder durch Defizit-Spending abgefangen werden. Das zweite Bein ist wackelig: Die immer größeren Summen, die Franklin D. Roosevelt im Wege des New Deal in die Wirtschaft pumpte, steigerten das Wachstum immer weniger und verringerten die Arbeitslosigkeit kaum. Das tat erst der ­Zweite Weltkrieg.
Eine Schuldenkrise wurde meines Wissens bisher noch nie keynesianisch überwunden. Das überschuldete Schweden hat 1992 jedenfalls sehr wohl (und anfangs ebenfalls zulasten des BIP) gespart. Wenn auch sehr klug: nämlich vor­an bei der Verwaltung und nicht bei den Investitionen. Zugleich hat es die Vermögensteuern erhöht.

Zur Hälfte bestätigt Schweden damit die aktuelle neo­liberale Sicht von Keynes. Auch Ökonom Erich Streissler hält es für verhängnisvoll, wenn der Staat in einer Krise die Investitionen vermindert – er muss sie aufrechterhalten.
Geld genug hat er – im Widerspruch zu einer verbreiteten neoliberalen Ansicht –, wenn er die Steuern an der richtigen Stelle erhöht. Und an der richtigen Stelle spart.

Am Beispiel Schwedens: Es galt, durch effizienzsteigernde Strukturreformen Mittel in allen Bereichen staatlicher Tätigkeit einzusparen, den Wettbewerb zu fördern (statt ihn wie Griechenland zu behindern) und das Sozialversicherungssystem auf gesunde Beine zu stellen: nur anzubieten, was sich auch finanzieren ließ.
Etwas Ähnliches erwarten sich Angela Merkel, IWF, EZB und EMS vom „Süden“.

Sparen ist einfach das – vielleicht nicht sehr glücklich gewählte – Wort für die Summe der Maßnahmen, die verschuldete Staaten ergreifen müssen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Ich könnte für Spanien, das ich recht gut kenne, etliche nennen.
Leider gehört zur Wettbewerbsfähigkeit auch ein konkurrenzfähiges Lohnniveau. Wenn es, wie in Spanien, viele Betriebe von sehr geringer Produktivität gibt, können deren Mitarbeiter unmöglich „nördliche“ Löhne beziehen, weil die Lohnstückkosten dann nicht konkurrenzfähig sind.
Es geht daher nicht ohne Lohneinbußen. (Dass die Produktivität gesteigert werden muss, versteht sich von selbst und könnte durch einen EU-Fonds befördert werden.)

Weil Einbußen Schwacher so gering wie möglich sein sollten, sind höhere Steuern für Vermögende so wichtig – die Regierung besteuert mein Haus mittlerweile massiv.
Mir ist klar, dass ihre Maßnahmen andere sehr viel schmerzhafter treffen – und glaube dennoch, dass Sparen unerlässlich ist. ■

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