Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Kein Bedauern für Faymann-Pröll

Kein Bedauern für Faymann-Pröll

Drucken

Schriftgröße

Barack Obama verdient Bedauern: Er muss bei den Zwischenwahlen eine Erdrutschniederlage einstecken, obwohl ihm nur vorzuwerfen ist, dass er keine Wunder wirken kann. Ein Land, das sich in zwei Kriegen verblutet hat, das durch Jahrzehnte über seine Verhältnisse gelebt hat, dessen Banken zur Hälfte konkursreif waren, dessen Infrastruktur ebenso daniederliegt wie sein Schulsystem, dessen traditionelle Industrie restlos veraltet ist und dessen Finanzsystem systematisch kaputt-dereguliert worden ist, ist in zwei Regierungsjahren unmöglich zu sanieren.
Professor Erich Streissler, dem ich diesbezüglich unverändert traue, meint, dass die Krise der USA etwa zehn Jahre dauern würde, und ich persönlich glaube (eher im Gegensatz zu ihm), dass Ben Bernankes Rezept des bewussten Schuldenmachens den unvermeidlichen Absturz zumindest dämpft, während das Rezept der Republikaner, die Krise im Wege weiterer Steuersenkungen zu bekämpfen, mit Sicherheit ins totale Fiasko geführt hätte – aber dass es den Amerikanern derzeit viel schlechter als vorher gehen muss, war in jedem Fall unvermeidlich.

Werner Faymann und Josef Pröll verdienen kein Bedauern, wenn ihre Umfragewerte in der Mitte der Legislaturperiode im Keller sind: Wenn man nach einem Jahr, in dem man die jeweils größte gegnerische Partei nicht zum Feind, sondern zum Partner hatte, ein derart dürftiges und trotzdem unpopuläres Sanierungsprogramm präsentiert, ist man selber schuld.
Dabei hätte dieselbe Regierung auch Applaus ernten können: Österreich hat die Krise bisher besser als fast alle anderen Länder überstanden, und die Regierung hat daran einen Anteil, der nicht völlig in Vergessenheit geraten sollte: Es wurde rechtzeitig ein wirkungsvolles Bankenrettungspaket geschnürt, und die Rundreise Josef Prölls, auf der er die Länder des ehemaligen Ostblocks zu einem gemeinsamen Auftreten bewegt und bei der EU um Verständnis für deren Sorgen geworben hat, war Goldes wert: Hätte die EU diesen Ländern nicht im eigenen – aber doch insbesondere in Österreichs – Interesse unter die Arme gegriffen, so stünden wir derzeit nicht so da, wie das Gott sei Dank der Fall ist: Mit funktionierenden, sich erholenden Banken, mit einer niedrigen Arbeitslosigkeit und niedriger Inflation, bei dennoch passabel wachsender Wirtschaft zählt Österreich – ich wiederhole mein Votum der Vorwoche – zu Europas Musterschülern, und auch wenn das vor allem an seinen hervorragenden Unternehmen und seinen fleißigen „Werktätigen“ liegt, hat die Regierung Faymann-Pröll doch den beschriebenen Anteil daran.
Was also hat sie veranlasst, jetzt ein derart dürftiges Budgetsanierungspaket abzuliefern?

In erster Linie wahrscheinlich die schnelle Erholung, die wir dem (gemessen am Dollar) unverständlich niedrigen Kurs des Euro und unserer engen Anbindung an die deutsche Exportwirtschaft danken. (Während sie unter anderen Voraussetzungen ein Mühlstein um den Hals ge­wesen wäre.)

Danach kommt aber schon ein Konstruktionsfehler dieses Staatswesens: Sein Föderalismus dient nicht der Bürgernähe und Kostenersparnis, sondern hat, anders als in der Schweiz, kostenintensive Landesfürstentümer geschaffen, gegen die nicht regiert werden kann. Solange das von den Beteiligten so akzeptiert wird, kann es keine Verwaltungsreform und zum Beispiel keine ernsthafte Spitals­reform geben.
Der dritte Fehler schließlich ist Ausfluss der mangelnden politischen Kultur des Landes: Die SPÖ kann keiner ausdrücklichen Forderung der ÖVP nachgeben – und die ÖVP keiner ausdrücklichen Forderung der SPÖ.
Ein anständiger und nicht dummer Sozialminister wie Rudolf Hundstorfer muss wissen, dass eine Hacklerregelung, die vorrangig zur Frühpension von Beamten führt, für alle, die wirklich hackeln – für mich zum Beispiel –, unerträglich ist. Aber sie bleibt bestehen, weil die ÖVP ihr vorzeitiges Auslaufen fordert.

Und ein anständiger, nicht dummer Finanzminister wie Josef Pröll muss wissen, dass eine Erhöhung des Einheitswerts von Realitäten (der derzeit bei einem Zwölftel des Verkehrswerts liegt) eine sinnvolle Besteuerung nicht arbeitenden Vermögens darstellt.

Stattdessen gibt er und geben intelligente, wirtschaftskundige VP-Funktionäre wie Günter Stummvoll oder Andreas Khol hahnebüchene Statements zu diesem Thema ab.

Und am Ende vermindern beide Parteien lieber die Familienbeihilfe, als die Hacklerregelung energisch zu korrigieren und die Einheitswerte zu verdreifachen (womit sie immer noch die niedrigsten weit und breit wären).
Ich versteh’s einfach nicht – es muss eine Art Todestrieb gegenüber H. C. Strache sein.

Korrekterweise kann mein Vorwurf allerdings nicht beide Seiten im gleichen Ausmaß treffen: Für den Erhalt der Hacklerregelung lässt sich wenigstens der „Vertrauensgrundsatz“ mildernd ins Treffen führen, obwohl er bei den Familien offenbar nicht so bedeutsam war. Die Abwehr noch so vernünftiger Vermögensteuern – nicht zuletzt, um irgendwann endlich die Steuern auf Arbeit zu senken – ist dagegen durch überhaupt kein rationales Argument zu entschuldigen, sondern schlicht und einfach schwarzer Schwach- und Starrsinn.

[email protected]