Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Kein Kraut gegen Arbeitslosigkeit

Kein Kraut gegen Arbeitslosigkeit

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Als Armin Wolf den Sozialminister vergangene Woche in der „ZiB 2“ damit konfrontierte, dass die Zweite Republik derzeit zwar die höchste Zahl an Beschäftigten, aber gemäß einer Prognose des AMS demnächst auch an Arbeitslosen auswiese, entlockte er Rudolf Hundstorfer drei bemerkenswerte Stellungnahmen:

- Er sei überzeugt, dass die Arbeitslosigkeit 2015 niedriger ausfalle.

- Er plädiere für einen Rechtsanspruch auf Arbeit.

- Und er bezweifle die von Franz Schellhorns „Agenda Austria“ behaupteten – in Wahrheit viel höheren – Arbeitslosenzahlen.

Nun hat Schellhorn tatsächlich gelegentlich ebenso brillant wie fulminant geirrt, etwa, als er eine gefährliche Inflation heraufdämmern sah, weil EZB-Chef Mario Draghi erklärte, den Euro „mit allen Mitteln“ – also auch dem Kauf gefährdeter Staatsanleihen – zu verteidigen. In Wirklichkeit hat diese Aussage den Euro stabilisiert, ohne dass die EZB en masse Anleihen kaufen musste, und die Inflation geht ständig zurück.

Aber Schellhorns Behauptung, dass die offizielle Arbeitslosenrate nicht stimmt ist, ist keine Vorhersage, sondern eine Tatsache: Natürlich gibt es die Arbeitslosen, die darin gar nicht mehr aufscheinen, weil sie die Arbeitssuche aufgegeben haben – allerdings gilt das für die Arbeitslosenraten aller Länder. Natürlich verstecken wir Arbeitslose hinter fortdauernden Umschulungen – wie das freilich die meisten Länder tun, sodass die Raten doch halbwegs vergleichbar bleiben. Aber kein anderes Land schönt seine Arbeitslosenrate im Ausmaß Österreichs durch Frühpensionierung:

- Eisenbahner hatten gesetzlichen Anspruch auf frühe ­Pensionierung.

- Die Steuerfreiheit von Abfertigungen befördert die Frühpensionierung durch „Golden Handshakes“.

- Frauen dürfen – noch für längere Zeit als in anderen Ländern – schon mit 60 in Pension gehen.

- Und zuletzt hat Hundstorfers „Hacklerregelung“ dazu geführt, dass ausgerechnet Beamte den höchsten Anteil frühpensionierter „Schwerarbeiter“ stellten.

Ein weniger sympathischer Sozialminister wäre mit ­einer Maßnahme, die derart nach hinten losgeht, vermutlich rücktrittsreif gewesen – Hundstorfer blieb beliebtester roter Minister.

In Summe hat die exzessive Pensionierungspraxis zweifellos kräftig zu Österreichs besonders niedriger Arbeitslosenrate beigetragen – und ist uns besonders teuer gekommen, weil Pensionen höher als Zahlungen an Arbeitslose sind und Anreize wegfallen, dringend doch einen Job zu (er)finden. Sympathischer als der Zustand der „Arbeitslosigkeit“ ist die „Frühpensionierung“ für den Betroffenen freilich allemal.

Auch Hundstorfers Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Arbeit ist sympathisch – auch wenn es dergleichen bisher nur in „Volksrepubliken“ gab. Denn in unserem politischen und wirtschaftlichen System bestünde die einzige Möglichkeit, ihn zu verwirklichen, darin, jedem Bürger, für den die Wirtschaft keinen Job bereithält, eine Anstellung beim Staat zu garantieren – und dergleichen dürfte selbst Hundstorfer den Österreichern schwer verkaufen können.

Auch Armin Wolf hat denn auch starke Zweifel am gesetzlich sichergestellten Arbeitsplatz angemeldet. Worauf Hundstorfer noch erstaunlicher reagierte: Wenn das Gesetz einen Arbeitsplatz garantiere, würde das die Politik zwingen, alle Maßnahmen zu ergreifen, um diese Arbeitsplätze auch tatsächlich zu schaffen. – Bis dahin hatte ich immer gedacht, die ergriffe die Regierung sowieso.

Arbeitsplätze, darin bin ich mit Hundstorfer einig, vermehren sich mit einer besseren Ausbildung der Arbeitskräfte. Der wichtigste Beitrag dazu sind Gratis-Kindergartenjahre, in denen qualifiziertes Kindergartenpersonal Sprachdefizite verringert, Ganztagsschulen für mehr Unterricht und eine bessere Dotierung technischer Hochschulen. Das wird versucht. Die meisten Arbeitsplätze entstehen freilich durch Wirtschaftswachstum. Derzeit jedoch lahmt die Kreditaufnahme durch Unternehmen selbst in Nordeuropa und stockt im Süden völlig. Insofern bewundere ich Hundstorfers Optimismus.

Wenn, wie das seit Längerem der Fall ist, die private Wirtschaft zu wenige Aufträge vergibt, könnten (meines Erachtens: sollten) Staatsaufträge zugunsten einer besseren Infrastruktur Arbeitsplätze schaffen. Das verhindert Angela Merkels Sparpakt zugunsten verminderter Staatsschulden.

Die ökonomisch am wenigsten umstrittene Maßnahme, um in Österreich mehr Arbeitsplätze zu schaffen, bestünde darin, die Lohnnebenkosten maßvoll zu senken, um Anstellungen zu erleichtern. Das wäre finanzierbar, wenn man sie in dem Ausmaß senkte, in dem man vermögensbezogene Steuern auf ein international übliches Maß erhöhte. Dagegen verwahren sich wirtschaftsunkundige VP-Funktionäre von Christoph Leitl bis Michael Spindelegger. Manchmal dachte ich deshalb, dass es vielleicht besser gewesen wäre, die SPÖ hätte eine Minderheitsregierung gebildet und mit anderen Partnern eine Steuerreform beschlossen – aber wenn ich Hundstorfers Forderung nach garantierten Arbeitsplätzen höre, zweifle ich gleich wieder daran.

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