Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Mahü-Nachwehen

Mahü-Nachwehen

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Nach diversen Wiener Innenstadtpalais hat Karl ­Wlaschek zuletzt mit sicherem Gespür ein Haus in der Mariahilfer Straße gekauft. Es wird in einem Jahr in der besten Wohnstraße Wiens liegen: So breit, dass selbst das Mezzanin jede Menge Licht hat; grün durch Bäume und Schanigärten; gesäumt von aufgewerteten Geschäften – und praktisch verkehrsfrei.

Wenn Christoph Chorherr jetzt noch einem Physik-Buch entnähme, dass der Aufprall eines 75-Kilo-Radfahrers bei einem Tempo von 20 km/h einen Fußgänger durchaus schwer verletzen kann und Radlern daher vorschriebe, dass sie ihr Rad in der Fußgängerzone zu schieben haben – dann wäre die Lösung in meinen Augen perfekt.

Viel weniger als durch Radler sind flanierende Fußgänger durch Elektro-Minibusse gestört, die die Straße im Fünf-Minuten-Takt hinauf und hinunterführen und Haltestellen zwischen den U-Bahn-Stati­onen hätten, um Alten oder Gebrechlichen beim Einkauf entgegenzukommen. Ich glaube zwar kaum, dass das geschehen wird, weil Grüne „Auto“ so fest mit „böse“ assoziieren, wie „Fahrrad“ mit „gut“ – aber ich möchte es angemerkt haben, weil man vielleicht irgendwann auch die Burggasse oder die Gumpendorfer Straße zu Fußgängerzonen machen wird und es dort keine ­U-Bahn gibt.

Denn dies scheint mir die spannendste Erkenntnis aus dem Mahü-Experiment: Die Befürchtung, dass der aus der Mahü eliminierte Verkehr alle anderen Einfallstraßen restlos verstopfen würde, hat sich nach rund zehn Tagen als falsch herausgestellt. Ich würde sogar behaupten: In der Burggasse, in der ich wohne, hat er abgenommen. Viele Autofahrer scheinen tatsächlich, wie Maria Vassilakou das erhofft hat, ihr Auto endgültig zu Hause zu lassen.

Wäre ich jünger, so sammelte ich unter den Bewohnern der Burggasse Unterschriften für eine Bezirksabstimmung, die auch sie zur Fußgängerzone macht. Und so der Reihe nach alle weiteren Einfallstraßen – bis die Stadt innerhalb des Gürtels nur mehr Elektro-Busse und -Taxis kennt.

Ohne Angela Merkels Spar-Pakt wäre das eine durchaus realistische Zukunftsvision: Man könnte das U-Bahn-Netz unter Schaffung tausender Arbeitsplätze viel rascher viel weiter ausbauen, sodass die Nutzung des Autos innerhalb ganz Wiens zur Ausnahme würde. Und für die, die es dennoch brauchen, könnte es am Gürtel und an der Peripherie Großgaragen geben. Dann wären wir in der Nähe jenes „Traum-Wien“, das ich hier schon einmal skizziert habe. Die City ist das schon jetzt: Ich weiß in London oder Paris keinen Stadtteil, in dem es schöner zu wohnen wäre als demnächst zwischen Graben und Freyung. René Benko geht entweder irgendwann bankrott, weil er alle Mitbewerber für Top-Immobilien überbietet, oder er hat tatsächlich den goldenen Riecher. Wien ist schon jetzt die Metropole mit der weltgrößten Dichte an Millionären, und indem wir ihnen standhaft die niedrigsten Vermögenssteuern und das vergleichsweise härteste Bankgeheimnis anbieten, werden wir wohl weiter die Oligarchen und Monarchensöhne dieser Erde anlocken. Sie werden sich nicht nur die unerschwinglichen Benko-Wohnungen leisten können, sondern sie könnten den ebenso unerschwinglichen Nobelgeschäften im Parterre seiner Häuser sogar den nötigen Umsatz bescheren.

Es sei denn, man jagt sie in ihren Herkunftsländern irgendwann zum Teufel – dann sehe ich für Benko rot.

Bis dahin sollte man sie wenigstens „abschöpfen“: Wenn die Hausherren-ÖVP vielleicht doch irgendwann einwilligt, die Grundsteuern auf ein mitteleuropäisches Maß anzuheben, profitierte auch der Staat. Dass die Millionäre ihm den Rücken kehren, brauchte er nicht zu fürchten: Österreich wäre für sie auch dann noch die „Steuer-Oase“, als die es ausländische Medien schon lange bezeichnen. Hohe Steuern zahlen nur wir. Eine weitere Möglichkeit des Abschöpfens, derer sich schon Cannes oder Nizza in ähnlich feudalen Zeiten bedienten, ist der Ausbau von Spielkasinos, deren Gewinne der Staat ordentlich besteuert.

Wenn im Palais Schwarzenberg tatsächlich ein Kasino entstehen sollte, wäre es zweifellos das schönste der Welt – und damit eine Attraktion für die Reichsten der Welt, die sich extra einfliegen ließen. (Mit dem Zusatznutzen, dass der Schwarzenberg-Park auch für unsereinen geöffnet würde.)

In Verbindung mit dem neuen Südbahnhof, der im Gegensatz zum Westbahnhof auch architektonisch ansehnlich zu werden scheint, könnte das zu einer gewaltigen Aufwertung der Prinz-Eugen-Straße führen, die mit dem Belvedere bereits das schönste Schloss der Stadt bietet. In meinem „Traum-Wien“ wäre natürlich auch die „Eugen“ eine Fußgängerzone, in der die Mauern zum Schloss- und zum Schwarzenberg-Park an vielen Stellen durchbrochen wären, um Platz für exklusivste Cafés und Restaurants zu schaffen, während E-Busse und E-Taxis anstelle der Straßenbahn D für leisen Transport sorgten.

Man sollte, ich wiederhole mich, innerhalb des Gürtels keinen Auspuff sehen. Was für die Millionäre unüberbietbar attraktiv wäre, wäre es ausnahmsweise auch für uns.

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