Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Österreichs Chronique ­scandaleuse

Österreichs Chronique ­scandaleuse

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„Es gibt eine Sozialpartnerschaft der Korruption“ ­(Anton Pelinka). „Was da passiert, getraute sich kein Kabarettist zu erfinden“ (Andreas Vitasek). „Als Bürger kommt man mit dem Genieren nicht mehr nach“ (André Heller). „Solange nichts erwiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung“ (der Bundeskanzler).

Alle Zitate betreffen nicht etwa die Telekom, sondern sind 27 Jahre alt. Die „Unschuldsvermutung“ strapazierte Kanzler Fred Sinowatz in Bezug auf Finanzminister Hannes ­Androsch, der Steuern hinterzogen hatte, Bautenminister Karl Sekanina, der sich an der Gewerkschaftskasse vergriffen und Außenminister Willibald Pahr, der die Reparatur seines Privathauses einer Botschaft verrechnet hatte.

Innenminister Karl Blecha hatte gerade Weisung gegeben, weitere Untersuchungen gegen den des Versicherungsbetrugs und sechsfachen Mordes verdächtigen Udo Proksch zu unterlassen, und der neue Außenminister Leopold Gratz hatte Proksch aus Rumänien Entlastungsmaterial beschafft, das sich als Fälschung entpuppte.

Proksch, dessen Club 45 die rote Elite damals vereinte, hatte die SPÖ nicht zuletzt im Telekom-Stil unterstützt: Er inserierte in den Zeitungen die Wahlkampagne „Geschichten vom Dr. Kreisky“, die Schweizer und Liechtensteiner Briefkastenfirmen bezahlten. Kreisky, dar­auf angesprochen: „I kann mir ned den Kopf zerbrechen, wer was hergibt.“ Auch von der Wiener Städtischen billigst eine Villa zu erwerben, ­irritierte ihn so wenig wie Christian Wulff.

Aktuell war 1985 aufgeflogen, dass Österreich glykolversetzten Wein exportierte, obwohl der Landwirtschaftsminister seit einem Jahr kritische Informationen besaß; und ein Staatsanwalt war eben verhaftet worden, weil er für 500.000 Schilling (36.337 Euro) ein Verfahren gegen einen Kaufmann einstellen wollte, der dem Staat eine halbe Milliarde Steuern schuldete und der ÖVP einen Koffer mit vier Millionen übergeben hatte. Darauf hatte das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ Österreich erstmals zur „Skandalrepublik“ erhoben. Dabei ist sie das seit Kriegsende: ­Damals verscherbelte der VP-Minister für Vermögens­sicherung und Wirtschaftsplanung, Peter Krauland, deutsches Eigentum zu Spottpreisen an ÖVP und SPÖ – für sich selbst erwarb er ein Viertel einer Fabrik mit einer Million Jahresgewinn um 12.500 Schilling (908 Euro).

Ich muss die aktuelle Republik daher vor dem Verdacht in Schutz nehmen, sie hätte sich den Titel „Skandalrepublik“ erst unter Schwarz-Blau verdient.

Der Krauland-Skandal war zweifellos der größte: Der ­Minister verhökerte nicht nur enorme Werte, sondern teilte auch ERP-Kredite parteiisch zu. Sein Prozess wegen Veruntreuung mündete prompt in eine Amnestie.
Danach dominierte der „Wiederaufbau“ die Skandale: Es gab davon fast so viele wie große rote und schwarze Wohnbaugenossenschaften; dazu einen gewaltigen schwarzen Straßenbauskandal; und die rote Gemeinde Wien machte ihre Immobiliengeschäfte durchwegs über zwei, drei Makler, deren Namen profil-Lesern damals so geläufig ­waren wie heute Hochegger oder Meischberger. Sie verdienten auch kaum schlechter: Eine rote Bank gab ihnen schon beim Grundstückskauf Kredite in Höhe der späteren Verkaufspreise an die Stadt.

Die Einzelsummen sind bei Hochegger & Co zwar größer, aber dafür ist der Schaden für den Steuerzahler geringer – zumindest solange ihnen nicht auch der Eurofighter-Kauf zuzuordnen ist: Die Telekom ist wirtschaftlich erfolgreich; beim Buwog-Verkauf war das siegreiche Angebot auch das höchste. Man kann allenfalls argumentieren, dass es ohne Meischbergers Infos vielleicht noch etwas höher ausgefallen wäre. Nur der Polizeifunk kam wohl teuer, und die Finanz mietete vermutlich teurere Büros.

Aber das AKH kostete die Steuerzahler mit 3,3 Milliarden Euro das Doppelte eines vergleichbaren Krankenhauses in Aachen. Man kann den Schaden daher getrost mit rund 1,75 Milliarden ansetzen. Und zwar im Jahr 1980, in dem Österreichs „Finanzschuld“ 19 Milliarden Euro betrug (statt heute 186 Milliarden).

Hatte Karl-Heinz Grasser die Buwog in der Hand, so war das beim AKH komplexer: Für die 50 Prozent der Stadt Wien war deren Bürgermeister verantwortlich, für den Bund Finanzminister Hannes Androsch. Zu den Firmen, die im AKH besonders absahnten, zählte – wie ich hier schon einmal schrieb – die Ökodata, die aus Androschs Steuerberatungskanzlei Consultatio hervorging und laut Handelsregister zu zwei Dritteln seinem Consultatio-Partner Franz Bauer und zu einem Drittel einem Armin Rumpold gehörte. Der präsentierte 1985 eine handgeschriebene Aufstellung Franz Bauers, die Androsch als Dritteleigentümer anführt und einen Bauer-Vermerk „Dr. A. verdeckt.“ Für ihn, Rumpold, sei Androschs Beteiligung außer Zweifel gestanden. Bauer – so präzisiere ich heute – bestritt das energisch: Es habe sich um Entwürfe gehandelt, die Androsch energisch zurückwies.

So sah es auch die Staatsanwaltschaft, und es wäre ­glatte Verleumdung, Androsch, wie derzeit Grasser, eines Öko­data-Profits aus seiner Funktion zu verdächtigen. Er musste sich damit begnügen, dass sich der Umsatz der Consultatio in seiner Amtszeit verzwanzigfachte.

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