Peter Michael Lingens: Schellings Kehrtwendung

Peter Michael Lingens: Schellings Kehrtwendung

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Hans Jörg Schellings Ankündigung, die Hypo würde den Steuerzahler nichts mehr kosten, war natürlich immer unsinnig – wenn er seinen Worten geglaubt hätte, hätte ich an seiner Intelligenz gezweifelt.

So wie es aussieht, werden wir doch weitere zehn Milliarden aufbringen müssen

Seine Ankündigung, Zahlungen des Bundes für die HETA einzustellen und auch nicht für Kärntens Haftung zu haften, schienen mir hingegen höchst sinnvoll: Sie hat mich hoffen lassen, dass die Gläubiger der Hypo einen großen Abschlag auf ihre Forderungen gegen die Bank in Kauf nehmen würden, weil Kärntens Zehn-Milliarden-Haftung damit nur mehr ein „Haftungerl“ war.

Denn das „Vermögen“ Kärntens, auf das Gläubiger zugreifen können, erschöpft sich bekanntlich in einem Kelag-Anteil, ein paar kleinen Seen und den 500 Millionen im „Zukunftsfond“. (Wobei jeder vernünftige Kärntner Finanzreferent dieses Geld längst aus Kärnten weggeschafft hätte, um es vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen – schon allein deshalb war Schellings Forderung, es zur Abdeckung von Verlusten herauszurücken, mehr als vernünftig.)

Aber seit Donnerstag der Vorwoche ist alles anders: Denn da hat Schelling bekanntlich erklärt, dass er „einen Konkurs des Landes Kärnten zu 100 Prozent ausschließt“. Das aber unterscheidet sich nicht rasend von dem Einbekenntnis, dass der Bund sehr wohl für Kärntens Schulden aufkommt.

Warum sollen Hypo-Gläubiger dann weiterhin massive Abschläge auf ihre Forderungen in Kauf nehmen? Warum sollen Österreichs Steuerzahler dann noch hoffen, dass das Hypo-Desaster nicht ausschließlich an ihnen hängen bleibt? So wie es aussieht, werden sie doch weitere zehn Milliarden aufbringen müssen.

Angeblich hat Niederösterreichs Erwin Pröll die Kehrtwendung Schellings bewirkt. Sachlicher hat sie davor vor allem Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny gefordert: Österreich könne es sich auf dem internationalen Finanz-Parkett nicht leisten, die Insolvenz eines seiner Bundesländer auch nur in Kauf zu nehmen – das würde die Bonität der gesamten Republik beeinträchtigen.

Pröll hat vermutlich vor allem beeindruckt, dass es natürlich die Bonität aller Bundesländer beeinträchtigt hat, denn auch Niederösterreichs oder Tirols Haftung war ohne Rückendeckung des Bundes nur mehr ein „Haftungerl“: Sofort nach Schellings Erklärung mussten sämtliche Landes-Hypos nicht nur ihre Forderungen an die HETA abschreiben, sondern auch höhere Finanzierungskosten in Kauf nehmen. Deshalb, so behauptet Tirols Günther Platter, musste seine Hypo sogar einen Verlust ausweisen. (Hoffentlich wirklich nur deshalb – denn Tirol haftet mit acht Milliarden für das Institut.) Bösartige politische Gegner könnten die Landes-Hypos womöglich für tickende Zeitbomben halten: Verpolitisierte Geldinstitute mit veraltetem Geschäftsmodell.

Es gibt also zweifellos ernsthafte Argumente für Schellings Kehrtwendung. Ich halte sie dennoch für verfehlt beziehungsweise jedenfalls für verfrüht: Man hätte länger Poker spielen sollen! Zumindest so lange, bis man die erhofften 50 Prozent Abschläge bei den Forderungen der Gläubiger in trockenen Tüchern hat. (Natürlich hätte man Kärnten intern beruhigen müssen, dass man es keinesfalls fallen lässt – aber die vielen deutschen Banken, die Hypo-Anleihen halten, hätten das zumindest für möglich halten müssen.)

Nowotnys Angst, dass die Finanzmärkte uns dieses Verhalten verübelt hätten, teile ich nicht: ▶ Österreichs Bonität ist nach Schellings ersten Ankündigungen keineswegs gesunken. ▶ In der EU wie in den USA zählt es zum Kern der aktuellen Strategie zur Abwehr künftiger Finanzkrisen, dass Anleger ihre Verluste selbst verantworten sollen, statt dass sie sozialisiert werden: dass also Länder nicht mehr für Banken haften sollen, damit nicht jede Bankenkrise zur Staatskrise wird.

Es war daher meines Erachtens durchaus möglich, gerade US-Rating-Agenturen die potenzielle Insolvenz Kärntens als Akt finanzpolitischer Hygiene zu verkaufen: Alle Anleger würden daraus lernen, dass sie für sich selbst verantwortlich sind und sich nicht auf die Sozialisierung von Verlusten verlassen können. Auf exakt diese fast völlige Sozialisierung kommt das Hypo-Desaster durch Schellings Kehrtwendung nun doch heraus. Das hätten wir schon vor Monaten und sehr viel einfacher haben können.

Ich gebe zu, dass Pokern für Finanzminister schwer ist: Josef Pröll kann davon ein Lied singen. Auch ihm sind zweifellos schon seinerzeit alle Hypo-Aktionäre in den Ohren gelegen und haben ihn auf das Problem einer HGAA-Pleite für alle anderen Hypos aufmerksam gemacht. Dazu kam für ihn (anders als für Schelling) der Druck aus der EU, wo man die HGAA als systemrelevant für den Balkan ansah und ihre Pleite deshalb abwehren wollte.

Nur dass wir heute alle wissen, um wie viel besser wir gefahren wären, wenn Pröll dieses Problem der Bayerischen Landesbank überlassen hätte, statt auf ihr Pokerspiel – wir schicken die Hypo in die Pleite – hereinzufallen. Ich hätte es vorgezogen, wenn zur Abwechslung die Bayern-LB mit ihren Forderungen gegen die Hypo (die HETA) auf Schellings Pokerspiel hereingefallen wäre.