Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Schwarzer Schwachsinn

Schwarzer Schwachsinn

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Nachdem sich die SPÖ festgelegt hat, bei der Steuer­reform auf die Einführung von Vermögensteuern zu drängen, hat der Klubchef der ÖVP, Karlheinz Kopf, die Reaktion seiner Partei formuliert: „Schwachsinn“ nannte er den roten Vorstoß in der „Presse“ und „Unsinn“ im ORF.

Seine unsinnige Stellungnahme untermauerte er mit dem schwachsinnigen Argument, dass Vermögen schließlich aus bereits versteuertem Geld gebildet würde und nicht einzusehen sei, dass es ein zweites Mal versteuert würde – denn auch Dr. Kopf dürfte gelegentlich etwas einkaufen und die fällige Mehrwertsteuer mit Geld bezahlen, das bereits der Lohnsteuer unterworfen war. Das Steuerrecht der ganzen Welt kennt selbstverständlich die nochmalige Versteuerung bereits versteuerter Beträge in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Nutzung.

Auch sonst wäre ich an Kopfs Stelle mit der Charakterisierung „Schwachsinn“ vorsichtig: Alle entwickelten Volkswirtschaften von der Schweiz über Deutschland bis zu den USA kennen im Gegensatz zu Österreich erhebliche Vermögensteuern; die OECD, in der führende Wirtschafts­wissenschafter der Mitgliedsländer zusammensitzen, hat ­Österreich aufgefordert, seine Vermögensteuern zulasten seiner Einkommensteuern zu erhöhen; und Andreas Treichl, meines Wissens nicht ganz ÖVP-fern und irgendwann ­sogar ihr Schatzmeister, gab mir erst kürzlich folgendes Statement zur Veröffentlichung frei: „Selbstverständlich gehören ­ordentliche Vermögensteuern her. Natürlich auch Immobilien- und Erbschaftssteuern. Vermögen gehört höher ­besteuert, damit Arbeitseinkommen niedriger besteuert ­werden können.“

Nachfrage: „Gilt das Ihrer Ansicht nach auch für Stiftungen?“ Treichl: „Selbstverständlich. Die Österreicher wollen die Unterscheidung der Amerikaner zwischen ‚Trust‘ und ‚Foundation‘ nicht begreifen: Nur die ‚Foundation‘ ist ­ex­trem steuerbegünstigt, weil sie wohltätigen Zwecken dient – der ‚Trust‘ zahlt selbstverständlich ordentliche Steuern.“

Noch zwei „Schwachsinnige“ möchte ich zitieren: Als Präsident Bush die Erbschaftssteuer von 55 Prozent ab einer Freigrenze von 3,5 Millionen Dollar senken wollte, trat eine Reihe der reichsten Amerikaner unter der Führung von Bill Gates in einer Inseratenkampagne dagegen auf, und der Milliardär Warren Buffett wollte den Senat sogar zu ­ihrer Erhöhung bewegen: „Ich denke, wir müssen ein bisschen mehr aus den Verstecken von Leuten wie mir herausholen. Die Ressourcen einer Gesellschaft sollten nicht in Form von aristokratischen Dynastien von Wohlhabenden weiterge­geben werden.“

In Wirklichkeit sind es zwei Wirtschaftswelten, die hier aufeinanderprallen: die leistungsorientierte der USA und die im Kern feudale Österreichs. Gates oder Buffett, die ihre Vermögen selbst geschaffen haben, plädieren für eine Wirtschaftsordnung, in der jede Generation ihre Vermögen selber schafft – die ÖVP vertritt eine Wirtschaftsordnung, in der die Schicht, die Vermögen hat, es möglichst leicht und lange konservieren kann.

Wie so oft in Österreich ist die Realität freilich noch ­etwas absurder: Nicht die ÖVP hat die Vermögensteuern restlos abgeschafft, sondern der „linke“ SP-Finanzminister Ferdinand Lacina, der mit Bruno Kreisky demonstrieren wollte, dass die Sozialisten in Wahrheit die besseren Kapitalisten sind. In Wirklichkeit verstehen sie nur noch etwas weniger von Wirtschaft, sonst wäre Lacina klar gewesen, dass Steuern auf ruhendes Kapital die Dynamik der Wirtschaft ­ungleich weniger belasten als Steuern auf Arbeitseinkommen und dass die Steuern auf Arbeitseinkommen höher sein müssen, wenn die Steuern auf Vermögen gleich null sind.

Leider scheint das auch Josef Pröll nicht zu verstehen. Dabei geht es, völlig abseits der aktuellen tristen Budget-situation, um eine Grundstruktur unseres Steuerwesens: Wollen wir weiterhin ein Land mit einer der höchsten Steuern auf Arbeitseinkommen, aber ohne Vermögensteuern sein, oder wollen wir dieses Verhältnis im Sinne der Empfehlungen der OECD in eine leistungsfreundlichere Richtung verschieben?

Wo ruht Vermögen? Vorrangig sind es die Stiftungen, die im Sinne Andreas Treichls mit Augenmaß (in Hinblick auf das Umfeld) höher zu besteuern sind. Natürlich gehören die Einheitswerte von Immobilien behutsam den Verkehrswerten angenähert. Und natürlich gehört die Erbschaftssteuer schon aus psychohygienischen Gründen mit einer vernünftigen Freigrenze wieder eingeführt: Es ist nicht einzusehen, dass das Milliardenvermögen, das etwa Herr Wlaschek in Liegenschaften geparkt hat oder das ­diverse Fürsten in Gestalt von Wäldern besitzen, „in Form von aristokratischen Dynastien von Wohlhabenden weitergegeben wird“ (Warren Buffett).

Hans Dichands Kinder werden ihr Erbe, Lacina sei Dank, schon zum Nulltarif angetreten haben, sodass vielleicht nicht mehr mit dem bisherigen wütenden Widerstand der „Kronen Zeitung“ gerechnet werden muss (dass deren Leser Dichands durchsichtige Motivation durchschauen könnten, war, wie so oft, eine vergebliche Hoffnung).

Ein anderer Prediger wider die Vermögensteuer, der ­Milliardär Hannes Androsch, war zumindest in seinem ­letzten „News“-Interview nicht mehr bereit, zur Gänze ­wider sein besseres wirtschaftliches Wissen zu argumen­tieren: Im Abtausch gegen eine Ermäßigung der Ein­kommensteuern, so meinte er, könne man Vermögensteuern diskutieren.

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