Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Solidarabgabe vs. Vermögensteuer?

Solidarabgabe vs. Vermögensteuer?

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Selbst die angeblich von Michael Spindelegger erdachte, von Erwin Pröll hinausposaunte „befristete Solidarabgabe für Spitzenverdiener“ ist besser als gar nichts. Es wäre schön, wenn sie der christlichsozialen Haltung entspräche, dass die wirtschaftlich Starken selbstverständlich den größten Beitrag zur Bewältigung einer Krise zu leisten haben. Schließlich weist Österreich nach Öl-Emiraten wie Katar oder Finanzzentren wie Luxemburg die größte Dichte an Millionären auf: 87.300 Einwohner verfügen abseits ihrer Häuser, Wertsachen oder Firmen über ein Barvermögen von einer Million Dollar, und so dürften wohl auch etliche mehr als die von Pröll genannten 300.000 Euro verdienen. Auf ihre Solidarität zu pochen scheint unter Christenmenschen nur recht und billig.

Wahrscheinlich ist freilich, dass die ÖVP nur den laufenden Umfragen entnommen hat, wie schlecht ihre bisher so hartnäckige Verweigerung einer solchen christlichsozialen Haltung bei der Bevölkerung ankommt. Wie überstürzt ihr taktischer Schwenk zustande kam, lässt die geteilte Aufnahme in den eigenen Reihen und die sachliche Kritik von Wirtschaftsjuristen erahnen: Jeder Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann die ­Befristung durch die Verschiebung der Ausschüttung umgehen. Aber so viel Sachkenntnis kann man von der Wirtschaftspartei ÖVP nicht verlangen – man muss schon froh sein, dass sie sich überhaupt bewegt.
Zu befürchten steht allerdings, dass die SPÖ sich mit der ÖVP auf Prölls Vorschlag einigt, weil er ihrer „Reichensteuer“ sehr nahekommt und in der Bevölkerung entsprechend populär ist. Er wird es den Sozialisten jedenfalls erschweren, zusätzlich eine vermögensbezogene Steuer einzufordern.

Und dieses Fehlen vermögensbezogener Steuern ist ­unverändert eines der größten Mankos unserer Steuerstruktur. Ich habe das hier schon x-mal begründet und tue es jetzt zum x+1. Mal, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass auch Maria Fekter oder Michael Spindelegger es irgendwann verstehen: Hohe Steuern auf Arbeitseinkommen behindern die Wirtschaft ungleich mehr als die Besteuerung ruhenden Vermögens. Deshalb gibt es in allen entwickelten Staaten – selbst wenn sie so unterschiedlich wie Schweden und die Schweiz sind – angemessene Steuern auf Grund und Boden. Präziser: Überhaupt nur in Österreich bemisst sie sich nach planwirtschaftlich festgelegten Einheitswerten, die bei einem Zehntel des Marktwerts liegen. Aus ­allen diesen Überlegungen heraus haben denn auch die Wirtschaftswissenschafter der durchaus „rechten“ OECD ­Österreich noch jedes Mal eine Erhöhung der vermögensbezogenen Steuern – und Verminderung der Einkommensteuern – empfohlen. Aber sie sind – wie sämtliche anderen Finanzminister – offenbar wirtschaftliche Trottel, wenn man sie am wirtschaftlichen Genie von Pröll, Spindelegger oder Fekter misst. Daher auch die Wiederholung eines Stoßseufzers: Warum kann nach vielen, vielen Jahren nicht ­endlich wieder jemand österreichischer Finanzminister ­werden, der eine Ahnung von der Materie hat?

Natürlich haben alle Genannten im Einklang mit Christoph Leitl, Veit Sorger und sämtlichen Wirtschaftskommentatoren darin Recht, dass die Politik primär die Auf­gabe hätte, unsinnige Ausgaben einzusparen. Nur dass das Nullsummenspiel aus höheren vermögensbezogenen Steuern und niedrigeren Einkommensteuern dieser Aufgabe nicht einen Cent von ihrer Dringlichkeit nähme.

Wie alle Österreicher habe ich gehofft, dass die Weltwirtschaftskrise die längst fälligen Sparmaßnahmen – voran die Durchforstung eines milliardenteuren Föderalismus und gewerkschaftlich geförderter Frühpensionierungen – erzwingt. Diese Hoffnung war leider voreilig: Die Krise war offenbar zu kurz und zu milde. „Außerdem“, so ergänzte der Unternehmer Claus Raidl in einer Diskussion, „ist eine Koalition von SPÖ und ÖVP offenbar grundsätzlich reformunfähig.“ Das wird meines Erachtens so bleiben, aber dafür ist die Krise längst nicht vorbei. Wenn das Wirtschaftswachstum so ausfällt, wie die Mehrheit der Wirtschaftsforscher vermutet, wird die Budgetnot schon in einem Jahr wieder dramatisch sein, weil Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit finanziert werden müssen. Vielleicht hat Österreich dann neuerlich eine Chance.

Das Wahlergebnis könnte ebenfalls dazu beitragen: Es besteht eine vage Hoffnung, dass die ÖVP aufgrund ihrer derzeitigen Performance nicht nur in Richtung FPÖ, sondern auch in Richtung Grüne Wähler verliert – dann rückt eine rot-grüne Koalition in den Bereich des Möglichen.

Nicht, dass ich dort sonderliche Wirtschaftskompetenz erblickte, aber zumindest sagte Eva Glawischnig nicht auto­matisch zu allem, was Werner Faymann vorschlüge, „Nein!“, und vielleicht bekämen wir mit Alexander Van der Bellen nach Langem den ersten sachkundigen Finanzminister.
Denn mit Werner Faymann wird man sich nach einem roten Wahlsieg wohl abfinden müssen, und er hat ja ­zumindest auf Zuruf seiner Landeshauptleute gelegentlich eine richtige Forderung erhoben. Durchdachter als die ­Zurufe Erwin Prölls waren diese Zurufe allemal.

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