Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Sparen ≠ ­Kaputtsparen

Sparen ≠ ­Kaputtsparen

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Die von Merkel & Sarkozy forcierte Schuldenbremse sei der „absolut“ falsche Weg, erklärte Joseph Stiglitz im profil-Interview (Nr. 18/2012) mit der Autorität des Nobelpreisträgers: „Es gibt kein einziges Beispiel, wo eine große Volkswirtschaft mit Sparprogrammen Erfolg hatte.“

Die jüngsten Hiobsbotschaften scheinen ihn eindrucksvoll zu bestätigen: Nach Griechenland, Irland und Portugal musste auch Spanien unter den „Rettungsschirm“; Italien wartet gerade noch.

Dass Stiglitz wirklich Recht hat, wäre freilich nur bewiesen, wenn es diesen Staaten ohne „Sparen“ mit Sicherheit besser ergangen wäre.

Ich bezweifle das und riskiere die Gegenthese: Sie ­wären dann nur noch rascher und hermetischer von den Kapitalmärkten abgeschnitten worden und litten jetzt ganz genau so unter Rezession und Arbeitslosigkeit. Als Laie, der ich bin, erscheint mir das auch logisch: Wenn man relativ lange ziemlich große Schulden gemacht hat, geht es einem miserabel, sobald sich das herumspricht.

Dass es den USA trotz horrender Schulden weniger miserabel geht, hat einen guten Grund: Sie sind trotz dieser Schulden unendlich reich – eine etwas höhere Vermö­gensteuer, und sie wären ihre Schulden schon wieder los.

Außerdem sind diese Schulden nicht durch mangelnde Wirtschaftskraft und nur zum Teil durch „Leben über die Verhältnisse“ entstanden – den Löwenanteil trugen zwei Kriege bei, von denen aber jetzt auch der zweite zu Ende geht.

Es ist durchaus logisch, dass „die Märkte“ den USA trotz hoher Verschuldung ungleich gewogener als Spanien oder Portugal sind. Denn dort steht den großen Schulden eben sehr viel weniger Vermögen und keine starke Wirtschaft gegenüber. Ihr Schuldenberg hat diesen beiden Volkswirtschaften daher ungleich mehr zugesetzt.

Und großartig geht es ja auch den USA nicht gerade, obwohl sie nicht vom „Fiskalpakt“ heimgesucht wurden.

Das heißt nicht, dass ich Angela Merkels Sparkurs für optimal halte. Sie hat meines Erachtens viel zu sehr aufs Tempo gedrückt. Und vor allem hat sie eine gewisse „Vergemeinschaftung“ von Schulden und Haftungen zwar stets im Nachhinein de facto, nie aber von vornherein de jure akzeptiert. Weil Deutsche (wie Österreicher) sie perhorreszieren.

Aber Portugal und Spanien sind nicht Griechenland. Beide hatten keineswegs seit jeher mit ausufernden Schulden zu kämpfen – die Staatsschulden Spaniens waren sogar besonders gering. Doch wenn es für seine Kredite dank der hysterischen Übertreibung der Finanzmärkte exorbitante Zinsen zahlen muss, müssen die Schulden explodieren. Daher ist es sinnvoll (und der „systemrelevanten“ Banken wegen leider unerlässlich), Spanien erschwingliche Kredite zu ermöglichen – und das geht nur, indem Staaten wie Deutschland oder Österreich in höherem Ausmaß dafür haften.

Allerdings glaube ich, dass dieses Geld nur dann gut angelegt ist, wenn Spanien weiterhin spart. Denn ich kenne zwar auch keine „große“, wohl aber eine nicht entscheidend kleinere Volkswirtschaft, bei der ein „Sparprogramm“ sehr wohl Erfolg hatte: Schweden!

Anfang der neunziger Jahre befand sich dieser Staat in einer Krise, die sich keineswegs völlig von der aktuellen spanischen unterschied: Ein Abschwung der Weltkonjunktur traf mit akuten nationalen Wirtschaftsproblemen zusammen. Wegen einer vorangegangenen Phase überhitzter Konjunktur hatten sich Schwedens private Haushalte hoch verschuldet. Besonders viel Geld war in Immobilien geflossen und hatte eine Blase verursacht. Mit ihrem Platzen gerieten nicht nur Schwedens Bauunternehmen, sondern vor allem seine Banken unter Druck: Sie saßen auf Milliarden fauler Kredite und mussten vom Staat „gerettet“ werden.
Bankenrettung, Rezession und steigende Arbeitslosigkeit strapazierten die öffentlichen Finanzen: In drei Jahren stürzte der Finanzierungssaldo von 3,4 Prozent Überschuss auf 11,4 Prozent Defizit ab. In diesem Zustand übernahm die konservative Regierung von Carl Bildt das Land und begann energisch zu sparen. Stiglitz schien vorerst Recht zu haben: Die Rezession vertiefte sich – die Bevölkerung sorgte sich wegen des „Sozialabbaus“ und wählte Bildt ab.

Nur, dass die folgende sozialdemokratische Regierung (Ingvar Carlsson, Göran Persson) sehr bald ebenfalls auf ­einen energischen Sparkurs einschwenkte und folgende Schritte setzte: Arbeitslosen- und Krankenversicherung wurden gekürzt. Es gab weniger Familienbeihilfen und Transferleistungen. Die Pensionen stiegen nicht mehr automatisch mit der Inflation. Eine Obergrenze der Staatsausgaben wurde festgelegt – auch im Parlament durften keine Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung beschlossen werden.

Soweit die ausgabenseitige Konsolidierung, die von größter Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften begleitet war. Gleichzeitig erhöhte die Regierung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erheblich. Die Abgabenquote stieg von 46,5 auf 53 Prozent des BIP. Die soziale Ausgewogenheit dieses Fiskalpakts wurde ausführlich diskutiert und begründet.

Wachstum und Beschäftigung sprangen an. 1998 besaß Schweden ein ausgeglichenes Budget – danach produzierte es Überschüsse.

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