Banale Vorschläge zur gefahrlosen Schließung von Steuerschlupflöchern und Minderung von Steuervergehen

Peter Michael Lingens: Strengere Strafen – niedrigere Steuern!

Strengere Strafen – niedrigere Steuern!

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Natürlich ist es eindrucksvoll, dass wir dank investigativem Journalismus nun ganz genau wissen, welcher Weltkonzern wie wenig Steuern in Luxemburg bezahlt – aber schon bisher konnte wohl niemand daran zweifeln, dass die überwältigende Mehrheit der Konten in Luxemburg (oder Liechtenstein usw.) der Steuervermeidung dient. Sie sind das Wirtschaftsmodell dieser Ministaaten: Indem Großkonzerne und Superreiche bei ihnen Billionen parken, genügen auch drei, vier Prozent Steuern, um sie zu den reichsten Ländern der Welt zu machen, obwohl sie nur Briefkästen herstellen. Sie leben von den Volkswirtschaften anderer Staaten. Und die Steuern, die IKEA, Apple usw. dort weniger bezahlen, zahlen Normalbürger und Normalfirmen mehr.

Es hat wenig Sinn, Jean-Claude Juncker dafür zu verdammen: Er hat dieses System nur genauso wie jeder andere Luxemburger Politiker und Bürger akzeptiert. Nicht anders als Österreichs Politiker und Bürger akzeptieren, dass unser Bankgeheimnis der Steuerhinterziehung Vorschub leistet. (Womit wir der Schweiz ein Stück ihres Hinterzieher-Kuchens abluchsen konnten.)

Erstaunlich ist eigentlich nur, dass alle anderen Staaten das so lange akzeptiert haben, obwohl es ihnen so eindeutig schadet. Direkt durch den Verlust von Steuereinnahmen, indirekt durch die Verzerrung des Wettbewerbs: Wie sollen korrekt versteuernde Möbelhäuser mit IKEA konkurrieren? Wenn die prekäre Finanzlage der EU-Staaten und der USA irgendeinen Vorteil hat, dann den, dass es erstmals ein gemeinsames Interesse gibt, Steuerschlupflöcher zu schließen.

Nur sie! Ein gewisser Steuerwettbewerb ist nützlich: Es soll Nieder- und Hochsteuerländer geben, die in Konkurrenz zueinander stehen – es zeigt sich, dass Hochsteuerländer wie Dänemark sie durchaus aushalten. Sinnvoll sind einzuhaltende Steueruntergrenzen. Sobald man Luxemburg & Co. freilich zwingt, diese Untergrenzen anzuwenden und ausreichend Konto-Informationen zur Verfügung zu stellen, taucht die Gefahr auf, dass sich irgendwo auf der Welt ein anderer Ministaat findet, der sich als Ersatz-Steueroase anbietet. Das war bisher ein beliebtes Argument, die bestehenden Oasen zu verteidigen. Obwohl man dergleichen natürlich verhindern kann: indem man festlegt, dass Unternehmen, die in einem solchen Mini-staat versteuern, auch nur dort produzieren und handeln dürfen. Letztlich muss man erreichen, dass jedes Unternehmen die Steuern dort abliefert, wo es wirklich tätig ist. Das geht – es ist ausschließlich eine Frage des politischen Willens. Und zu dieser Willensbildung kann die Bevölkerung beitragen, indem sie ausschließlich Politiker wählt, die ein solches faires Steuerrecht fordern.

Das freilich ist längst nicht so gesichert, wie man meint: Die Bevölkerung betrachtet Steuervergehen als Kavaliersdelikte – manchmal selbst bei Finanzministern. Denn gerade Otto Normalverdiener sucht selbst nach „Steuerschonung“. Jeder hat schon Pfuscher beschäftigt. Viele tricksen bei Anstellungen.

Eine Bekannte von mir war etwa 20 Jahre lang Köchin eines Restaurants. Wegen Bandscheibenproblemen bemüht sie sich derzeit um eine Umschulung durch das AMS und bezieht vorerst Arbeitslosenunterstützung. Dabei stürzte sie in ein für das Gastgewerbe typisches Loch: Obwohl sie täglich acht Stunden gearbeitet hat, war sie nicht einmal mit der Hälfte dieser Arbeitszeit angemeldet. Entsprechend niedrig fallen ihre Abfertigung, ihr Arbeitslosengeld und im Falle der Invalidität ihre Pension aus. Sie hätte zwar die Möglichkeit, das im Wege einer Niederschrift straflos zu korrigieren, aber dann müsste sie eine entsprechende Steuernachzahlung leisten, wozu sie außerstande ist.

So weit die leidvolle Geschichte eines fürs Gastgewerbe typischen Arbeitnehmers. Aber ich kenne sie auch von der anderen Seite: Ein Gastwirt, der alle seine Angestellten korrekt anmeldet und auch alle anderen Steuern korrekt bezahlt (etwa: wirklich nur mit Rechnung eingekauften Wein ausschenkt), kann kaum überleben. Man müsste ihm niedrigere Steuersätze zugestehen. Was man nicht tut, weil der Steuerbetrug von der Finanz einkalkuliert ist.

Ich kann nicht behaupten, dass dieses System nicht funktioniere – Österreichs Gastronomie ist ein hervorragender Teil einer hervorragenden Tourismusindustrie –, aber ich denke, dass es korrekter nicht schlechter funktionieren müsste.

Vielleicht könnten wir diesbezüglich ausnahmsweise von den USA lernen: Steuervergehen sind dort schwere Delikte, auf die hohe Strafen stehen, die kaum ein Unternehmen riskiert. (Die sehr großen Unternehmen versteuern in Luxemburg & Co.) Dafür hatten US-Steuern bis zu George W. Bush ein vernünftiges Ausmaß. (In seiner Ära wurden sie am oberen Ende absurd gesenkt.)

Wäre das nicht auch für Österreich eine brauchbare Lösung: exemplarische Steuerstrafen – und im Gegenzug eine Steuerreduktion.

PS: In meinem Nachruf auf Heinrich Treichl habe ich Wolfgang Schüssel Mitschuld daran unterstellt, dass die CA letztlich „italienisch“ geworden ist. Zu Unrecht: Er hat nur ihre Übernahme durch die seinerzeit „rote“ Bank Austria nicht zu verhindern vermocht.

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